Vancouver:Die Schöne zwischen Meer und Bergen

Vancouver richtet die Winterspiele 2010 aus. Die Stadt zwischen Pazifik und Rockies hat sich gemausert - von der gediegenen zur lässigen Metropole.

Verena Wolff

Kaiserwetter in Vancouver: Die Sonne brennt vom blauen Himmel, kein Nebel, keine Regenwolke. Noch dazu ist Sonntag, da ist ohnehin ganz Vancouver unterwegs, im Sommer wie im Winter. Und bei diesen Bedingungen ist jeder der vielen schönen Winkel in der Stadt voller Leute: der Strand an der English Bay, der riesige Stanley Park mit seinem Aquarium, den Totempfählen und dem Rosengarten. Und die Hausberge sowieso: Wandern, joggen, Rad fahren, inlineskaten, schwimmen, segeln, fischen - der Vancouverite hält sich gern draußen auf und er hält sich gern fit. Die Stadt und das nahe gelegene Umland bieten alle Voraussetzungen dafür.

Vancouver

Vancouver ist Ausrichterin der Olympischen Winterspiele.

(Foto: Foto: Verena Wolff)

Die Stadt am Pazifik wird in schöner Regelmäßigkeit zur lebenswertesten Stadt Kanadas gekürt. "Kein Wunder - das Meer ist gleich vor der Haustür, die Berge nicht weit, die Stadt ist eine Metropole, kosmopolitisch - und dennoch bleibt jedem Einwohner genug Luft zum Atmen", sagt Amber Hamilton, Schauspielschülerin und Stadtführerin. Amber ist wie diese Stadt im äußersten Westen Kanadas: Jung, dynamisch, freundlich - und entspannt. Und dabei nicht so oberflächlich wie viele Pendants südlich der US-Grenze, sondern einfach "echt", mit der einen oder anderen Ecke und Kante. Und dann gibt es noch etwas, das die Einwohner schätzen: "Die Stadt am Pazifik ist eine äußerst grüne Stadt" - tatsächlich und im übertragenen Sinn.

Gesundes Lampenfieber

Derzeit ist Vancouver zudem ein bisschen in Aufregung - aber nur ein bisschen. Im Februar beginnen die XXI. Olympischen Winterspiele. Das Meiste läuft nach Plan, die Sportstätten in der Stadt sind fertig, die Eishockeyspieler, Eiskunst- und Eisschnellläufer können kommen. Neue Hotels haben ihre Pforten bereits geöffnet. Endlich hat Vancouver die Canada Line, die lang ersehnte und dringend benötigte Schnellbahnverbindung von der City zum Internationalen Flughafen.

Noch ein Mammutprojekt ist fertig - der generalüberholte Sea-to-Sky-Highway von der Stadt ins rund zwei Stunden entfernte Whistler. Wo sich noch vor ein paar Jahren Autoschlangen auf der einspurigen Straße in die Rockies quälten und keine Ausweichmöglichkeit hatten, wenn in Schnee und Nebel Unfälle passierten, führt jetzt ein schicker Highway über das Städtchen Squamish an den Austragungsort für die meisten alpinen Wettkämpfe, die nordischen Disziplinen, das Rodeln und Bobfahren.

Gespanntes Warten

Auch in Whistler, dem erst knapp 50 Jahre alten Retorten-Skiort, ist man bestens gerüstet und das eigentlich schon seit dem vergangenen Winter. Die "Peak to Peak Gondola", die die Gipfel des Whistler und des Blackcomb Mountain miteinander verbindet, hat bereits den Betrieb aufgenommen. Auch die Sportstätten sind fertig und haben die ersten Wettkämpfe gesehen. "Wir haben im vergangenen Jahr Weltcups auf allen Bahnen ausgetragen", sagt Amber Turnau, Sprecherin der Stadt Whistler.

Genauso wie in Whistler ist in Vancouver nicht alles neu, was olympisch wird. Der Bau der Flughafenbahn und des Highways waren ohnehin geplant - nachdem Vancouver den Zuschlag für die Olympiade erhalten hatte, wurden beide Projekte beschleunigt. Der Canada Hockey Place, Austragungsort der Eishockey-Wettkämpfe mitten in der Innenstadt, beherbergt in normalen Wintern die Vancouver Canucks, das heimische NHL-Team. Das weiße Riesendach ganz in der Nähe, das vor allem aus den höheren Stockwerken der Wolkenkratzer und Türme zu sehen ist, gehört zum BC Place, der bei seiner Eröffnung 1983 das erste überdachte Stadion Kanadas war. Hier werden die Eröffnungs- und die Schlussfeier stattfinden.

Ganz cool Richtung Olympia

Ganz neu allerdings ist, auf der anderen Seite des False Creek, das olympische Dorf. Die Sportler-Herbergen sollen zeigen, wofür die ganze Operation Olympia steht: Es sollen die umweltfreundlichsten Spiele aller Zeiten werden. Alles Neugebaute soll nachhaltig genutzt werden, um alles Schützenswerte wie Flüsse, Seen, Baumbestände oder Naturschutzgebiete wurde herumgebaut.

Vancouver: Aquabusse schippern alle paar Minuten über den False Creek.

Aquabusse schippern alle paar Minuten über den False Creek.

(Foto: Foto: Verena Wolff)

Nachhaltig und grün

Beispiel Olympic Oval in Richmond: Hier tragen während der Olympischen Spiele die Eisschnellläufer ihre Wettkämpfe aus. Doch bereits jetzt ist die Halle in vollem Betrieb. Ein Fitnesscenter ist auf der Empore über dem Eis eingezogen, der Innenraum wird nach Bedarf zu Basketball-, Fußball- oder anderen Plätzen umgerüstet. "Wir haben Schulklassen hier und jede Menge Einheimische, die alle Arten von Sport treiben", sagt Sprecherin Ange Chew.

Direkt am Fraser River gelegen ist die lichtdurchflutete Holzkonstruktion so ökologisch errichtet, wie man es in Nordamerika selten sieht: Die Sanitäranlagen werden mit Regenwasser betrieben, mit der Abwärme der Eisherstellung wird geheizt. Besonders gerne erzählen sie aber die Geschichte vom wellenförmigen Dach, einer freitragende n Konstruktion: "Dafür konnten wir Holz recyceln, das von einem Käfer befallen war. Man hat eigens eine neue Technologie entwickelt, um die Stämme zu verwenden."

Von Bauboom extra für die Spiele kann also keine Rede sein - denn eigentlich befindet sich Vancouver seit Mitte der achtziger Jahre in einem anhaltenden Boom. Nachdem die Stadt den Zuschlag zur Durchführung der Weltausstellung 1986 erhalten hatte, begann das große Bauen: Dem BC Place folgte im Januar 1986 die erste Linie des SkyTrain, einer Hochbahn, die Vancouver mit den Vororten verbindet. Weitere markante Bauten sind die Science World, der Canada Place und die Plaza of Nations.

Anhaltender Bauboom

Und noch eines hat die Weltausstellung der Stadt gebracht: einen neuen und bis heute äußerst beliebten Stadtteil direkt am Wasser. Das Ausstellungsgelände am Nordufer des False Creek war zuvor eine riesige Industriebrache, die nach Ende der Expo an den aus Hongkong stammenden Unternehmer Li Ka-shing verkauft. "Er hat eines der größten Stadtentwicklungsprojekte umgesetzt, das Kanada je gesehen hat", sagt Stadtführerin Amber.

Innerhalb weniger Jahre wandelte sich der False Creek zu einem der attraktivsten Wohngebiete am unmittelbaren Stadtrand. Für die Einwohner gibt es auf der anderen Seite des Wassers noch ein ganz besonderes Schmankerl: die im False Creek gelegene Halbinsel Granville Island, die von einer reinen Industriezone zu einem beliebten Einkaufs- und Kulturviertel umfunktioniert wurde.

Heute sind es besonders die Markthallen, die Einheimische wie Besucher jeden Tag anlocken und für buntes Treiben bei Wind und Wetter sorgen. Beliebt sind auch die kleinen, bunten Aquabusse, die durch den False Creek schippern und Gäste von einer Seite auf die andere bringen. An Bord des kleinen Wassertaxis hat man eine der beeindruckendsten Aussichten auf die Skyline der Zwei-Millionen-Metropole am Pazifik.

Hier also leben auch die Sportler - idyllischer geht es kaum. Doch jetzt soll er erstmal kommen, der Februar mit seinen Spielen. Zum dritten Mal nach 1976 (Montréal) und 1988 (Calgary) ist Kanada Ausrichter - und zum ersten Mal ist es die Provinz British Columbia. Ein kleines bisschen aufgeregt sind die Leute, gespannt und stolz. Sie wollen der Welt zeigen, dass sie nette und fähige Gastgeber sind.

Eine Besonderheit gibt es bei diesen Spielen noch: Zum ersten Mal in der Geschichte Olympias sind die kanadischen Ureinwohner, die First Nations, offizieller Co-Gastgeber der Spiele. Denn sowohl das Stadtgebiet Vancouvers als auch das von Whistler liegen auf Gründen, die einst den Lil´wat, Musqueam, Squamish und Tsleil-Waututh gehörten.

Informationen:

Canadian Tourism Commission, c/o Lange Touristik-Dienst, Eichenheege 1-5, 63447 Maintal

Anreise:

Flüge nach Kanada bieten alle großen Fluggesellschaften von verschiedenen deutschen Flughäfen aus. Air Canada fliegt täglich von Frankfurt nach Vancouver und mehrmals am Tag nach Toronto. Die kanadische Fluggesellschaft bietet zudem die meisten Inlandsflüge an. Für einen Aufenthalt von bis zu maximal drei Monaten benötigt man zur Einreise einen mindestens sechs Monate gültigen Reisepass.

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