Für Einheimische mag der Weg über die Brücke Routine sein, tägliches Pendeln zur Arbeit von San Francisco nach Marin City oder Sausalito, nichts Besonderes, hin, zurück, Dinner. Als Tourist glüht das Herz, wenn man - endlich - über sie fährt. 1,7 Meilen Golden Gate Bridge aus der Froschperspektive, Tempolimit 45 Meilen pro Stunde, schneller sollte man hier nicht drüberbrettern, sonst verpasst man, was sich rechts und links und über dem Kopf erstreckt: Jugendstil-Architektur vom Feinsten, eine meisterliche Ingenieursleistung in Sonnenuntergangsrot (präziser: "International Orange"), die seit 1937 nordkalifornischen Unwettern und Erdbeben trotzt.
Die Golden Gate Bridge ist die Manifestation einer europäisch-romantisierten Amerika-Sehnsucht, geschürt von den Intros und Schnittbildern von Neunzigerjahre-Sitcoms wie "Full House", in denen sich der Stahl der Hängebrücke in den blauen Himmel reckt. Die sieht aus, als hätte sie jemand mit Photoshop in ein Gemälde hineinkomponiert oder mit der Hand hineingezeichnet, Öl auf Leinwand, mitten zwischen die Buchten, an die der Pazifik schwappt, hinter dem lange nichts kommt. Irgendwann würde man auf Japan stoßen. Fühlt sich an wie eine Fahrt über den Rand der Welt.
Überqueren kann man die Golden Gate Bridge auch zu Fuß oder mit dem Rad, lohnt sich gewiss, es fehlt halt nur der Sound der extra für diesen Moment vorbereiteten Spotify-Playlist mit dem Amateurtitel "Roadtrip USA" aus den Boxen. Am besten dreht man laut auf, noch besser mit heruntergelassenen Scheiben, den Fahrtwind im Haar. Aber nur, wenn kein kalter Nebel die Brücke umhüllt.