USA:Am Abgrund

Grand Teton National Park USA

Im Grand-Teton-Nationalpark machen sich Ranger Gedanken darüber, wie es weitergehen kann unter Trump - allerdings nicht öffentlich.

(Foto: Tim Peterson/Unsplash)

Die Nationalparks in den USA sollen die Natur bewahren. Das ist nicht leicht unter einem Präsidenten, der sich über den Klimawandel lustig macht.

Von Steve Przybilla

Der Tod rennt nicht, er schleicht. Bei Windstille kriecht er fast unbemerkt voran, geräuschlos, tückisch, unaufhaltsam. Der Geruch fällt als Erstes auf, wie Lagerfeuer, nur intensiver. Dann die Sicht. Der stahlblaue Himmel verwandelt sich in ein trübes Grau wie Nebel. Nur dass es kein Nebel ist, sondern Rauch. September 2018: Das Bridger-Teton-Naturschutzgebiet in Wyoming steht in Flammen. Während am Himmel die Löschflugzeuge kreisen, rattern am Boden die Motorsägen: Feuerwehrleute fällen Jungbäume, damit das Feuer die Straße nicht überquert. Eine Vorsichtsmaßnahme, just in case.

Neu sind solche Katastrophen nicht. 1988 stand ein Drittel des Yellowstone-Nationalparks in Flammen. Nicht wenige beschworen damals den Untergang des ältesten amerikanischen Nationalparks herauf. Doch das Schutzgebiet, ebenfalls in Wyoming gelegen, hat sich wieder erholt. Auch sind Waldbrände nicht ausschließlich schlecht: Das Feuer tötet Borkenkäfer und andere Schädlinge. Und es sorgt für fruchtbaren Boden. Verheerend sind die Folgen vor allem für den Menschen, auch dieses Mal. Mindestens 55 Wohnhäuser und Ranches wurden zerstört, drei Personen verletzt. Wochenlang hatte es keinen Tropfen geregnet.

Die Trockenheit trägt dazu bei, dass sich Waldbrände rascher ausbreiten als früher. Eine aktuelle Studie der Universitäten Berkeley und Wisconsin sieht viele der 417 amerikanischen Nationalparks und Schutzgebiete in Gefahr. Von den Sumpfgebieten der Everglades bis zu den Eisschollen Alaskas leidet die Natur schon heute unter steigenden Temperaturen. Gletscher schmelzen, Bäume sterben, Tiere finden nicht mehr genug Futter. Verantwortlich dafür - da sind sich die Wissenschaftler einig - ist die menschengemachte Erderwärmung. US-Präsident Donald Trump sieht das anders. Lange hielt er den Klimawandel für eine Erfindung der Chinesen, für einen Scherz, der ihm Anlass zu Spott bot. Seit Kurzem immerhin leugnet Trump seine Existenz nicht mehr, eine Verantwortung des Menschen sieht er aber nach wie vor nicht. Und genau da beginnt das Problem.

Grand-Teton-Nationalpark, 40 Meilen vom Waldbrand entfernt. Die Park-Rangerin Josie Bryan führt eine Besuchergruppe ans Seeufer, im Hintergrund thront das massive Gebirge. Die Felsen sind grau, nur oben, auf den Gipfeln, sind einige Schnee-Zipfel zu sehen. "Diese ganze Landschaft ist durch die Eiszeit entstanden", erklärt die Rangerin. Sie kramt einen Eiswürfel aus ihrem Rucksack und legt ihn in die Sonne. "Wenn er schmilzt, fängt er an, sich zu bewegen. Genau das ist damals passiert."

Die rebellierenden Ranger verkaufen Saatgut für bienenfreundliche Pflanzen

Die Szenerie wirkt wie ein Gemälde. Blaues, klares Wasser, steile Berge, saftig-grüne Kiefern. Doch es dauert nicht lange, da wird die Stimmung düster. "Was passiert, wenn die Gletscher weiter schmelzen?", fragt ein älterer Herr, der sich laut der Aufschrift auf seinem Pullover als "stolzer Amerikaner" versteht. Die Rangerin überlegt. "Ich bin keine Expertin. Niemand weiß genau, was passiert, aber natürlich machen sich viele Sorgen. Halb Idaho wird durch diese Gletscher bewässert." Klimawandel? Trump? Politik? Kein Wort.

Amerika ist politisch gespalten, der Klimawandel vermintes Gelände. Die Ranger, die in den Nationalparks arbeiten, sind davon direkt betroffen. Ihre Aufgabe besteht darin, die Natur zu schützen, "damit sie künftigen Generationen unbeeinträchtigt hinterlassen wird". So steht es in der Präambel des Gesetzes, mit dem der National Park Service 1916 gegründet wurde. Über 20 000 Angestellte arbeiten bei der Behörde - "Tree Cops", wie manche Amerikaner sie nennen. Doch die Ranger sind nicht nur Baumschützer, sondern auch Bundesbeamte. Der Job bietet eine sichere Rente und eine gute Krankenversicherung, die auch die Familie einschließt. Das setzt man nicht so einfach aufs Spiel.

Seit Trump im Amt ist, hat das Innenministerium den Schutzstatus für 700 Grizzlybären aufgehoben. Die Bundesstaaten Wyoming und Idaho gaben 23 Tiere zum Abschuss frei, die erste derartige Genehmigung seit 1991. Der Aufschrei von Umweltaktivisten und Native Americans blieb zunächst folgenlos. Erst nach einem Gerichtsurteil wurde die Jagd abgeblasen, zumindest vorläufig. In Utah verkleinerte Trump Ende 2017 per Erlass zwei bestehende Schutzgebiete - ein einmaliger Vorgang, der ebenfalls die Gerichte beschäftigt.

Im Nationalpark redet niemand darüber. "Wir behalten unsere Meinung lieber für uns", erzählt eine Rangerin, die durchblicken lässt, dass sie von der Umweltpolitik der Regierung nicht viel hält. "Es ist nicht so, dass wir beim Essen zusammensitzen und über Trump sprechen. Keiner weiß, was der andere denkt, und das ist wahrscheinlich auch besser so." Mit Parkbesuchern rede sie aber auch weiterhin über den Klimawandel und dessen Folgen. "Das lasse ich mir nicht verbieten, und es hat mir auch noch niemand verboten."

Offen rebellieren nur wenige

Ganz abwegig wäre eine solche Anordnung nicht. In den ersten Tagen der Trump-Präsidentschaft verhängte die Regierung eine Nachrichtensperre, der sich mehrere Institutionen unterwerfen mussten, darunter die Umweltbehörde EPA und der National Park Service (NPS). Nicht alle hielten sich daran. Der Badlands-Nationalpark in South Dakota twitterte: "Noch nie in den letzten 650 000 Jahren gab es so viel CO₂ in der Atmosphäre wie heute." Der Tweet wurde später gelöscht, "ein Missverständnis in der Kommunikation", entschuldigte sich die Behörde.

Offen rebellieren seitdem nur wenige Park-Ranger gegen die Trump'sche Umweltpolitik. Dafür artikulieren sie sich im Internet umso lauter. So gründete sich der sogenannte "Alt National Park Service", eine Plattform für Trump-Gegner innerhalb der Behörde. "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie unsere Regierung unsere Umwelt und unsere Tierwelt zerstört", heißt es auf der Website. Der dazugehörige Online-Shop vertreibt Aufkleber, Saatgut für bienenfreundliche Pflanzen und T-Shirts, auf denen ein Ranger-Hut abgedruckt ist, darunter ein Schlachtruf: "Ich lasse mich nicht mundtot machen." Wer wirklich dahintersteckt, ist unklar, denn die Gruppe arbeitet komplett anonym. Weder die Betreiber der Website noch der offizielle National Park Service reagierten auf Anfragen zu dem Thema. Auch US-Medien gelang es bisher nicht, die Identität der "alternativen Ranger" (sofern es überhaupt welche sind) festzustellen. Auf Facebook folgen fast 2,2 Millionen Menschen der Gruppe. Fast täglich erscheinen Posts über Pestizide, Öl-Bohrungen, Klimastudien, verunreinigtes Trinkwasser, Geldnot in den Nationalparks und Personalabbau bei der Umweltbehörde EPA.

Die Kritik kommt bei den Nutzern gut an. Meist geht es in dem Forum sachlich und zivilisiert zu, manchmal aber auch derb. Ein Kommentar regt dazu an, die von der Regierung für unbedenklich befundenen Pestizide auch mal im Trump-Tower und im Weißen Haus zu versprühen. Eine Facebook-Nutzerin klagt über das "Regime" in Washington. Trumps Kabinett sei "die dümmste Regierung, die wir je hatten". Doch es gibt auch Gegenstimmen: moderate Töne, die dazu aufrufen, nicht in Hass zu verfallen, sachlich zu bleiben, "unseren Kindern zuliebe".

USA: Der pensionierte Ranger Phil Francis engagiert sich für mehr Naturschutz.

Der pensionierte Ranger Phil Francis engagiert sich für mehr Naturschutz.

(Foto: oh)

Längst nicht alle Park-Ranger agieren unter dem Deckmantel der Anonymität. In der "Coalition to Protect America's National Parks" haben sich etwa 1500 NPS-Angestellte zusammengeschlossen, um außerhalb des staatlichen Apparats für den Naturschutz zu kämpfen. Den Verein gibt es nicht erst seit Trump, sondern schon seit 2003. Gegründet wurde er aus Ärger über die laxe Umweltpolitik des damaligen Präsidenten George W. Bush. Viele Vereinsmitglieder sind pensionierte NPS-Angestellte und können sich deshalb frei äußern; sie haben ja keine Verpflichtung mehr gegenüber dem Arbeitgeber. Phil Francis, der Vorsitzende, war früher selbst Park-Ranger. Vor seiner Pensionierung arbeitete er in den Smoky Mountains im Süden der USA. "Als ich 1994 meine Stelle antrat, konnte man die Berge wegen der Luftverschmutzung kaum sehen", sagt Francis. In den vergangenen beiden Jahrzehnten habe sich die Situation dank strengerer Gesetze stetig verbessert. Und in Zukunft? "Sieht es düster aus", meint Francis. Die Kohlekraft, die von der Trump-Regierung weiter gefördert wird, könnte die Luft wieder deutlich dreckiger machen. Und dann noch der Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen.

Insgesamt 60 Punkte hat der Verein zusammengetragen, die die Regierung aus seiner Sicht anpacken müsste. Gerne würde Francis mit Donald Trump einmal persönlich darüber reden - und wenn nicht mit ihm, dann zumindest mit dem Leiter der Nationalpark-Behörde. Doch die Appelle stoßen auf taube Ohren. "Wir haben schon mehrere Briefe nach Washington geschickt", sagt Francis. Die Antwort? Keine Reaktion. Im Kongress seien die Abgeordneten zum Glück etwas offener, sogar die republikanischen. Das lasse ihn hoffen. Überhaupt, die Hoffnung: "Wir hatten in den Nationalparks 331 Millionen Besucher im vergangenen Jahr", erzählt der ehemalige Ranger. Das sei ein enormer Wirtschaftsfaktor. "Die Leute wollen eine intakte Natur, an der sie sich erfreuen können. Sonst kommt niemand, und dann bleibt das Geld aus." Die Aufklärungsarbeit der "alternativen Ranger" findet Francis besonders wichtig, wenngleich er versichert, er selbst wisse nicht, wer hinter der Kampagne steckt. Trotzdem ist er überzeugt, dass die anonyme Truppe etwas Gutes für die Nationalparks bewirkt. "Für mich gibt es kaum etwas Heroischeres, als sich für die Zukunft unserer Lebensgrundlagen einzusetzen", meint Francis. "Das sind wahre Helden. Amerikanische Helden."

Reiseinformationen

Anreise: Der Flughafen von Jackson Hole liegt unmittelbar vor dem Grand-Teton-Nationalpark. Er wird von Frankfurt aus mit Umstieg z. B. von United Airlines angeflogen (Hin- und Rückflug ab 750 Euro). Von Jackson weiter per Mietwagen. Der Yellowstone-Nationalpark ist noch einmal ca. zwei Stunden entfernt. Eintritt pro Park: 30 Euro pro Auto.

Unterkunft: In Jackson sind selbst einfache Unterkünfte teuer. Alpines Flair bietet die luxuriöse "Lodge at Jackson Hole", DZ ab 230 Euro, www.lodgeatjh.com. In Yellowstone empfiehlt es sich, außerhalb des Parks zu übernachten, z. B. in West Yellowstone.

Tipps: Je nach Wetterlage werden Straßen in den Nationalparks gesperrt. Infos: www.nps.gov. Die "alternativen Ranger" findet man unter www.altnps.org

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