Süddeutsche Zeitung

USA, Land der Fettnäpfchen:Zack-zack-Deutsche bei den Smalltalk-Göttern

In den USA wird selbst dann um den Brei herumgeredet, wenn der gar nicht heiß ist. Das ist gewöhnungsbedürftig für Deutsche, die lieber etwas deutlicher werden.

Von Beate Wild, San Francisco

Mein Scheitern offenbart sich meist schon in der ersten Minute. Wenn ich bei meinem monatlichen Friseurbesuch aufkreuze, sage ich, kaum dass ich durch die Tür bin: "Hi, ich habe um elf Uhr einen Termin bei Dae." Das steckt einfach noch in mir drin, da kann ich gar nichts dagegen machen.

Jahrelang habe ich genau so meinen Münchner Coiffeur begrüßt, doch bei einem Haircutter in San Francisco - und eigentlich überall in den USA - ist das ein No-go: Einfach so hereinzuplatzen und kurz und knapp in den Raum zu schmettern, was man will, ist das Maximum an Unhöflichkeit.

Maggy vom Empfang sieht mich mit einer Mischung aus Überraschung und Unverständnis an, zieht ihre linke Augenbraue hoch und lächelt trotzdem. Dann holt sie tief Luft und sagt betont freundlich: "Hey, wie geht es dir denn? Unglaublich tolles Wetter heute, findest du nicht. Du bist ja ganz außer Atem, jetzt setz dich doch erst einmal. Sehr schicke Bluse übrigens. Also, was kann ich für dich tun?"

Mit der Tür ins Haus zu fallen sei wirklich höchst unhöflich und respektlos, bestätigt meine Freundin Kimberly. "Aber so seid ihr halt, ihr Deutschen." Ja, so sind wir wohl. Kurz angebunden, zackige Ansagen, kein langes Um-den-Brei-Herumreden.

In good old Germany ist selbst die Konversation auf Effizienz getrimmt. Ich persönlich finde das überhaupt nicht schlimm, denn so verkürzt man langwieriges Dampfplaudern auf die entscheidenden Inhalte.

Doch hier in den USA stößt ein solches Kommunikationsverhalten auf wenig Gegenliebe. Eigentlich auf gar keine. Die Amerikaner sind Weltmeister im Smalltalk und im Netzwerken. Das eine bedingt dabei das andere. Da könnten wir Deutsche noch viel lernen, wenn uns nicht schon wieder der Drang zur Effizienz übermannen würde, los jetzt, zack, zack!

Neulich bei der Präsentation eines Start-ups in SoMa (für Neuzugänge: das Viertel South of Market südlich der Market Street). Bevor der Vortrag losgeht, gibt es Snacks am Buffet und Getränke an der Bar. Obwohl ich sicher nicht zu den schüchternen Typen gehöre, stehe ich etwas verloren in der Gegend herum und konzentriere mich auf die Nahrungsaufnahme.

Die anderen nutzen die Situation dagegen sofort zum Netzwerken. Sie stürzen sich auf wildfremde Leute und legen los: "Bist du auch mit der U-Bahn hergefahren? Das war heute wieder der Wahnsinn! So überfüllt und ständig zu spät."

Auch nach dem Vortrag wird geredet, sogar mit mir. Über die Präsentation ("Ich halte diese Idee ja für völlig überbewertet"), über das Wetter ("Diese anhaltende Trockenheit ist eine Katastrophe"), über den Job ("Ich bin CEO bei einem Start-up"), über die neuesten Apps ("Hast du schon diesen Delivery Service ausprobiert, total cool"), über Restaurants ("Hey, wenn du Deutsche bist: Kennst du schon die Suppenküche? Großartige Schnitzel!") und über den letzten Urlaub ("Ich war gerade auf Hawaii").

Garniert wird das Ganze mit locker eingestreuten Komplimenten ("Dein Haircut ist super") und Humoreinlagen (der Gesprächspartner spielt plötzlich einen Betrunkenen). In der Regel funktioniert so ein Smalltalk so flüssig wie ein Pingpong-Spiel. Als Anfänger auf Beobachtungsposten kann ich da nur noch von einem zu anderen blicken, immer hin und her, bis mir schwindelig wird. Es ist eine faszinierende Talkshow.

Ein introvertierter oder schüchterner Mensch kann hier schnell ins Hintertreffen kommen. Bei den Amerikanern kommt schon in der Schule und an der Uni derjenige gut an, der selbstbewusst und offensiv seine Meinung kundtut. Getreu dem Motto: Er kam, quasselte und siegte.

Den Smalltalk benötigt man in allen Lebenslagen. Ob im Drogeriemarkt, bei der Bank oder bei einem Businesstreffen. Selbst am Tresen der Lieblingskneipe stößt man Menschen mit der deutschen Einsilbigkeit oft unbewusst vor den Kopf. Ein Mann hatte mich gefragt, ob der Barhocker neben mir frei sei. Ich sagte "Ja", drehte mich wieder zu meinem Bier und hielt das Ganze für erledigt.

Er nicht, er war empört: "Hey, was habe ich dir denn getan?" "Wie bitte? Wieso? Nichts!" "Warum bist du dann so schlecht gelaunt?" "Bin ich doch gar nicht. Wie kommst du denn da drauf?"

"Als ich nach dem Stuhl fragte, hast du nur 'Ja' gesagt."

In der Kolumne "USA, Land der Fettnäpfchen" schreibt unsere Autorin Beate Wild aus San Francisco über alltägliche Sitten und Unsitten in den Vereinigten Staaten.

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