Süddeutsche Zeitung

USA, Land der Fettnäpfchen:Wo Shoppen seekrank macht

Das Land der unbegrenzten Günstigkeiten, ein Paradies für Spontankäufer. Die USA gelten als Schnäppchenparadies für deutsche Touristen. Doch an der Kasse fragt sich unsere Autorin: Werde ich hier abgezockt?

Von Beate Wild, San Francisco

Wer für zwei Jahre ins Ausland geht, würde gerne seinen gesamten Kleiderschrank mitnehmen. Leider gilt der als Übergepäck. Kein Problem, dachte ich: Wer will schon im sonnigen Kalifornien mit Pullis aus Schlechtwetter-Deutschland herumlaufen? Und schließlich sind die USA ja so etwas wie eine einzige riesige Shopping-Mall, ein Schlaraffenland für Spontankäufer.

Die Trends sind jünger, die Klamotten cooler - und offenbar noch dazu viel günstiger als bei uns. Auf nach Downtown San Francisco, auf der Suche nach neuen Schuhen (ein paar, nicht ein Paar) oder einer Sommerbluse. California Style, ich komme.

Es reicht dann doch nur für eine Jeans, ich freue mich trotzdem, denn die ist schön und billig. Als ich an der Kasse noch grübele, ob ich gleich zwei nehmen soll, erlebe ich eine unangenehme Überraschung. Die Verkäuferin fordert eine Summe, die höher ist als die auf dem Preisschild. Werde ich gerade touristengeneppt? Ich protestiere. Das müsse ein Versehen sein. Ist es nicht, meint die Dame, lächelt nachsichtig und sagt nur zwei Worte: "Sales Tax."

Klassischer Anfängerfehler: In den USA kommt die Mehrwertsteuer noch oben drauf. Der Preis ist nicht niedrig, sondern netto.

Kurz darauf in Los Angeles. The Grove ist eine angesagte Outdoor-Mall in Central LA, die angelegt ist wie ein Stadtplatz in Italien - wahrscheinlich hoffen die Betreiber, dass ihre amerikanischen Kunden hier ähnlich viel Geld in ihre Kleidung investieren wie die Italienerin von Welt.

Dass zu den Angaben auf den Preisschildern in den Läden noch die Mehrwertsteuer dazukommt, hatte ich also gelernt. Aber als der freundliche Herr an der Kasse dann neun Prozent Zuschlag kassiert, bin ich doch irritiert. In San Francisco hatte ich doch noch 8,75 Prozent draufgezahlt. Ein Irrtum? Plötzliche Mehrwertsteuererhöhung? Spontanes Aufrunden zu Lasten der Kunden? Auf meine Nachfrage zuckt der nette Herr nur mit den Schultern. Doch, doch, neun Prozent seien schon richtig.

Dann endlich in San Diego ein Schlussverkaufsgefühl: Nur acht Prozent Tax muss ich für meinen Bikini aufschlagen. Ein Fehler der Verkäuferin? Oder war die Steuer etwa schon wieder gesunken? Über diese Fragen mache ich mir sicherheitshalber erst nach dem Bezahlen Gedanken.

Zurück in San Francisco, bei einem Cocktail in einer Bar im Mission District, berichte ich von dem Zahlen-Durcheinander. Meine Freundin Kimberly kann sich vor Lachen kaum halten.

Als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hat, klärt sie mich über die amerikanische Preisgestaltung auf: Es gibt gar keine Mehrwertsteuer, jedenfalls keine einheitliche. Jeder Bundesstaat, ja sogar jede Kommune kann eine eigene "Tax" erheben. In Kalifornien etwa schwankt die Steuer auf Waren zwischen 7,5 und zehn Prozent. Ausgenommen sind Lebensmittel und Medikamente, für die muss man gar nichts drauflegen.

Zum Trost verrät Kimberly mir, wie sie billiger an Großanschaffungen wie Fernseher oder Laptop kommt: "Einfach ins Auto setzen und über die Grenze fahren." In Kimberlys Fall von Philadelphia, wo sie ursprünglich herkommt, nach Delaware. Dieser Bundesstaat verlangt nämlich - ebenso wie New Hampshire, Oregon, Montana und viele Kommunen von Alaska, wollte man da nicht sowieso schon lange hin? - gar keine Sales Tax.

Da lassen sich mit einer 45-minütigen Spritztour mal eben 200 Dollar sparen. Die Fahrtkosten dafür sind bei den spottbilligen Spritpreisen in den USA zu vernachlässigen, solange der Käufer halbwegs in der Nähe der sparerfreundlichen Staaten wohnt.

Mit Blick auf die 19 Prozent Mehrwertsteuer, die in Deutschland im Preis inbegriffen sind, sollte man das Jammern über die amerikanische Sales Tax eigentlich bleiben lassen. Wahrscheinlich ist es nur das deutsche Hirn, das seine Zeit benötigt, um sich an die stetigen Preisschwankungen zu gewöhnen. Bis dahin hilft gegen die Shopping-Seekrankheit zum Beispiel die Webseite sale-tax.com, übrigens auch Amerikanern.

Wer im USA-Urlaub dennoch in einen Kaufrausch fällt, sollte den Zoll nicht vergessen. Bei der Einreise nach Deutschland darf man nur Waren im Höchstwert von 430 Euro zollfrei einführen. Wer also denkt, er habe mit seinem neuen MacBook ein Schnäppchen gemacht, freut sich darüber nur bis zur Landung in Deutschland.

Dort zahlt er nochmal mehr als hundert Euro drauf - und muss noch dazu mit der ungewohnten amerikanischen Buchstabenanordnung auf der Tastatur zurechtkommen.

In der Kolumne "USA, Land der Fettnäpfchen" schreibt unsere Autorin Beate Wild wöchentlich aus San Francisco über alltägliche Sitten und Unsitten in den Vereinigten Staaten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2093814
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/kaeb/leja
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.