San Francisco hat den meist berechtigten Ruf, dass dort coole, intelligente Leute leben, die ständig spannende Sachen machen. Nur: Wie lerne ich die am besten kennen, fragte ich mich nach meiner Ankunft. Die Lösung war einfacher als gedacht. Ich gehe - wie die anderen San Franciscaner auch - zu den zahlreichen Meetups dieser Stadt.
Das Angebot ist überwältigend: Yoga-Sessions, Karaoke-Abende, Girlie-Buchclubs, Feministinnen-Stammtisch, Cocktail-Runden, Hackathons, Transgender-Pubcrawls, Bastelgruppen, Brunch-Cliquen, Wandertreffen, golfende Gays, europäische Fußballfans, lesbische Pokerrunden. Nicht, dass ich alle hier genannten schon ausprobiert hätte, aber es ist wirklich für jeden etwas dabei. Meetup ist eine Plattform, die 2002 in New York gegründet wurde mit dem Ziel, unbekannte Leute mit gleichen Interessen zusammenzubringen. Jeder kann eine Gruppe starten, dies auf der Webseite posten und darauf hoffen, ein paar Gleichgesinnte zu finden. Viele Amerikaner, die in Großstädten leben, organisieren mittlerweile so einen Großteil ihrer Freizeit.
Auch Kimberly, die ich im Übrigen bei einem ziemlich lustigen Meetup-Buchclub getroffen habe, ist hier sehr aktiv - und das, obwohl sie schon mehr als zehn Jahre in San Francisco lebt und viele Freunde und Bekannte hat. "Das bringt mich mit Menschen zusammen, die ich sonst nie kennenlernen würde", sagt sie. Ich kann ihr da nur recht geben. Allein wenn ich an meine "Soap-Making-Class" denke, bei der ein etwas wirrer Nerd unzählige Chemikalien dabei hatte und uns vorführte, wie wir daraus Seife herstellen. Ein Wunder, dass nichts explodiert ist. Aber so habe ich jetzt wenigstens zum ersten Mal in meinem Erwachsenenleben ein selbstgebasteltes Weihnachtsgeschenk für meine Mutter.
Kolumne "USA, Land der Fettnäpfchen":You can call me beer
Wer Michael, Sandra oder Fred heißt, ist auf USA-Reisen klar im Vorteil: Sein Vorname wird verstanden. Unsere Autorin hingegen kommt bei jeder Vorstellungsrunde dem Wahnsinn ein Stück näher.
Oder die wöchentliche Yoga-Stunde in der (protestantisch-episkopalen) Grace Cathedral, bei der die Teilnehmer ihre Matten mitten in der Kirche zwischen den Bänken und rund um den Altar ausbreiten: Jeder ist willkommen, egal welche Hautfarbe, sexuelle oder religiöse Orientierung er hat; ob er die einhändige Baumpose hält oder gerade mal seine Zehenspitzen erreicht. In einem deutschen Gotteshaus wäre solch ein Biegen und Beugen eher schwer vorstellbar.
Meetups bringen also Menschen zusammen, nur: In Sachen Romantik versagen die Kumpeltreffs leider völlig, meint Singlefrau Kimberly.
"Ach, überhaupt der ganze Zirkus mit den Verabredungen", stöhnt sie. An die seltsamsten Gebote müsse man sich beim Daten in den USA halten. Sie habe sogar die Bibel daheim. Die Bibel? "'The Rules' von Ellen Fein und Sherrie Schneider - das Dating-Standardwerk", klärt meine Freundin mich auf.
No Sex beim dritten Date? Bye-bye!
Das Buch fasst zusammen, wie der Kennenlernprozess eines Pärchen zu verlaufen habe - nach strengen Regeln:
Die Initiative hat grundsätzlich vom Mann auszugehen, das heißt: Er ruft sie an. Beim ersten Date geht man in eine Bar oder ein Restaurant, der Mann muss die Rechnung bezahlen. Zum Abschied ist Küssen erlaubt, aber - Zurückhaltung, bitte - nicht mehr! Nach dem dritten Date ist es üblich, dass Mann und Frau miteinander ins Bett gehen. Läuft da nichts, ist es aus - bevor es überhaupt begonnen hat.
Außerdem datet man immer mehrere Menschen gleichzeitig, wenn man nicht als Langweiler oder noch schlimmer als Versager gelten möchte. Zur Beendigung eines Datingverhältnisses genügt es, dreimal in Folge nicht ans Telefon zu gehen. Eine Aussprache ist nicht erforderlich. Wer dabeibleibt, führt erst nach ein paar Monaten "The Talk" und vereinbart hochoffiziell, dass man nun ein Paar ist und einander ab sofort exklusiv zur Verfügung steht.
"Da habt ihr Europäer es schon einfacher mit dem Kennenlernen", seufzt Kimberly. Doch dann hellt sich ihre Miene auf: "Aber seit es OkCupid und Tinder gibt, hat sich da einiges zum Positiven verändert, vor allem für uns Frauen." Bei den digitalen Dating-Diensten schreibt nämlich jeder konkret in sein Profil, was er sucht: gelegentlichen Sex, eine feste Beziehung oder einfach nur jemanden zum Kaffee trinken.
So seien Missverständnisse von vornherein ausgeräumt. Und die altmodischen Dating-Regeln seien mit der Technik von heute Schnee von gestern: Zumindest muss keine Frau mehr warten, bis ein Mann anruft.
In der Kolumne "USA, Land der Fettnäpfchen" schreibt unsere Autorin Beate Wild aus San Francisco über alltägliche Sitten und Unsitten in den Vereinigten Staaten.