Dallas, USA:Besuch bei J.R.

Still of Patrick Duffy Larry Hagman Linda Gray and Brenda Strong in Dallas Season 1 2012 Los An

Die Schauspieler im Jahr 2012: Damals noch mit Larry Hagman (links), der später im Jahr starb. Linda Gray alias Sue Ellen (im roten Kleid) produziert heute selbst Filme. Patrick Duffy, hier mit Brenda Strong, spielte bis zur Einstellung der Serie 1991 mit.

(Foto: imago/Cinema Publishers Collection)

Vor 40 Jahren startete die Fernsehserie Dallas: Fans der Ewings pilgern heute noch zum Drehort, der Southfork Ranch. Doch hier hat sich in letzter Zeit einiges verändert.

Von Tom Noga

Die Skyline sieht heute noch aus wie damals im Vorspann, auch wenn in 40 Jahren ein paar Hochhäuser hinzugekommen sind. Immer noch wirken die Gebäude deplatziert, wie sie sich emporwuchten aus einer flachen, heute zersiedelten, damals ruralen Landschaft. Und noch immer fügen sie sich nicht zu einem geschlossenen Stadtbild. Dallas ist eine Stadt für Autofahrer: mit breiten, vielspurigen Straßen, durchzogen von Autobahnen und einem Gewirr von weit geschwungenen Auf- und Abfahrten. Fußgänger? Sind selten.

Auf einem der wenigen Hügel thront Rosewood Mansion, ein Hotel mit fünf Sternen. Vor 40 Jahren war es das einzige in dieser Kategorie in ganz Texas. Heute wirkt Rosewood Mansion ein wenig aus der Zeit gefallen; die Fassade ockerfarben statt spiegelverglast, mit weiß getünchten Balkonen, lauschigen Gärten - und nur acht Stockwerken. Genau der richtige Ort, um ins Jahr 1978 abzutauchen. In die Welt der Ewings aus der Fernsehserie "Dallas". Denn hier haben die Schauspieler während der Drehzeiten übernachtet: 14 Jahre lang, jeden Sommer von Juni bis August.

Auftritt Mary Baker; blonde, schulterlange Haare, Hornbrille, schwarzes, maßgeschneidertes Kostüm, sehr aufrechte Haltung. Und der inszenierte Charme eines jungen Mädchens. Mary Baker ist Concierge im Rosewood Mansion, seit 37 Jahren. Sie sitzt in der Hotelbar. Schummriges Licht, Holzvertäfelung bis unter die Decke, verziert mit Intarsien. "Die Schauspieler waren selten einzeln hier, meist saßen sie zu zweit oder in Gruppen. Sie wirkten wie ein Theaterensemble, weniger wie Fernsehschauspieler."

Southfork Ranch (Setting of the TV programme 'Dalllas'), Dallas, Texas, USA.

Heute gibt es Führungen durch die Southfork Ranch.

(Foto: mauritius images / a-plus image bank / Alamy)

Mary blickt auf ein Foto. Die Ewings; Jock, der Patriarch, und Miss Ellie, seine Frau. Die Söhne J. R. und Bobby mit ihren Frauen Sue Ellen und Pamela. Jock Ewing ist eigentlich Rancher, aber im Ölgeschäft reich geworden - mit List und Skrupellosigkeit und auf Kosten seines früheren Partners. Der heißt Digger Barnes und ist Pamelas Vater. Wie Shakespeare, sagt Mary: "Romeo und Julia." Die eigentlichen Protagonisten aber sind der intrigante Fiesling J. R. und Pamelas Bruder Cliff, der als aufrechter Anwalt beginnt, J. R. im Lauf der Serie aber immer ähnlicher wird. Nur nicht so erfolgreich: ein echter Loser halt.

"In den Achtzigerjahren waren die Schauspieler Superstars", erinnert sich Mary Baker, "und sind trotzdem bescheiden geblieben. Linda Gray, die Darstellerin der Sue Ellen, bedankt sich bis heute persönlich bei jedem Mitarbeiter, wenn sie hier übernachtet." Der Kellner bringt einen Espresso. Er heißt Hugo Reinoso, ist auch schon seit einer Ewigkeit im Rosewood Mansion und schwärmt: "In Pamela, Verzeihung, Victoria Principal waren wir alle verliebt. Was für eine Schönheit. Später hat sie hier geheiratet. Das Medienecho war wie bei einer königlichen Hochzeit."

Ihr Lieblingsschauspieler? J. R. alias Larry Hagman, da sind sich die beiden einig. Ein Filou, ständig verschmitzt lächelnd, als führte er etwas im Schilde. Einmal hat Prinzessin Margaret im Rosewood Mansion übernachtet, die Schwester der englischen Königin. Wochenlang wurden die Mitarbeiter in Etikette unterwiesen. Larry Hagman begegnete ihr auf dem Flug. "Hi Maggie", habe er freundlich gegrüßt. Mary Baker lacht: "Wir hielten den Atem an: Wie würde sie reagieren? Aber sie war gnädig und lächelte nur. J. R. konnte man einfach nicht böse sein."

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Das legendäre Ensemble, hinten von links: Patrick Duffy (Bobby), Victoria Principal (Pamela), Barbara Bel Geddes (Miss Ellie), Larry Hagman (J. R.). Vorne von links: Charlene Tilton (Lucy), Jim Davis (Jock Ewing) und Linda Gray (Sue Ellen).

(Foto: Collection Christophel/Mauritius Images)

Szenenwechsel. Sally Southfork ist platinblond, ein bisschen drall und absolut "Western Style": weiße Bluse, weiter Rock, beigefarben, unterm Knie abgesetzt. Und natürlich Cowboystiefel. Sally Southfork heißt eigentlich Sally Peavy. Aber Southfork passt besser. Findet Sally. Southfork heißt die Ranch, auf der die Serie gedreht wurde. Und Sally gibt dort Führungen.

Das Beziehungsgeflecht der Ewings war nie einfach. Und mit der Zeit wurde es noch komplexer

Sallys Führung beginnt im Andenkenladen. Das Sortiment ist breit: Kappen, T-Shirts, Tassen, DVDs, Kochbücher. Dinge, die man nicht braucht, von denen sich einige dann aber doch im Einkaufskorb finden. Es ist brechend voll , an diesem Wochenende finden hier die "Dallas"-Fantage statt. Erster Stopp auf der Tour: das "Dallas"-Museum. "Unser Hollywood", wie Sally es ausdrückt. Mit den Hand- und Fußabdrücken der Stars, jeder Menge Memorabilien. Und mit einem Stammbaum der Familie Ewing. "Hier seht ihr, wer mit wem zusammen und von wem geschieden war", flötet Sally. "Könnt ihr alles nachlesen, falls ihr's vergessen habt."

Der Stammbaum ist nötig. Denn das Beziehungsgeflecht der Ewings war nie einfach und ist mit der Zeit immer komplexer geworden. Da ist zum Beispiel Ray Krebbs, der Vorarbeiter auf der Ranch. Zu Beginn der Serie steigt er mit Jock Ewings Enkelin Lucy ins Heu - mit seiner Nichte, wie sich herausstellt, denn Ray Krebs entpuppt sich als Jocks unehelicher Sohn. Später heiratet er Jenna Wade. Jenna ist Bobbys Jugendliebe. Sie hat ihn am Traualtar versetzt, um einem italienischen Grafen das Jawort zu geben. Nach der Scheidung bandelt sie wieder mit Bobby an, wird von ihm schwanger, heiratet aber erneut den Grafen - um ihn kurz darauf zu erschießen. Eine der vielen absurden Wendungen, für die "Dallas" berühmt war.

Sally juchzt: "Wir hatten ein bisschen Regen, aber jetzt scheint die Sonne. Was für ein herrlicher Tag! Halleluja! Ehre sei Gott, Ehre sei Jesus! Amen." Ein bisschen Regen ist untertrieben. Die Wiesen und Weiden der Southfork Ranch stehen knöcheltief unter Wasser.

Touristen statt Rinder - das hätte J.R. gefallen

An den wenigen trockenen Stellen drängen sich ein paar Quarter Horses, die typischen Westernpferde: klein, gedrungen, muskulös. Gezüchtet werden sie hier längst nicht mehr. Auch keine Rinder. Als Working Ranch hat Southfork ausgedient, das Geschäft mit den Touristen läuft einfach zu gut. 200 000 sind es im Jahr, Veranstaltungen wie ein christliches Open-Air-Konzert zum Nationalfeiertag am 4. Juli mitgerechnet.

Die Villa der Ewings: umgeben von Wiesen, gesäumt von Rhododendronbüschen. Das Haupthaus mit dem hohen Giebel und der großen, für die Südstaaten typischen Terrasse. Und die beiden Nebengebäude rechts und links: kleiner, mit Gauben im Dachgeschoss und gelb-weiß gestreiften Markisen an den Fenstern. Aber die Umgebung ist anders. Wo in der Serie Felder und Weiden waren, sind heute Wohnsiedlungen. Dallas ist 40 Kilometer entfernt, aber die Vororte haben die Southfork Ranch längst erreicht.

Auch im Haus vertraute Bilder. Die Eingangshalle mit den hellen Marmorfliesen und der geschwungenen Treppe in das erste Stockwerk. Das Wohnzimmer mit den beigefarbenen Ohrensesseln, dem Flügel, auf dem nie jemand spielt, und überm offenen Kamin einem Porträt von Jock Ewing in Öl. Dann das Esszimmer: holzvertäfelt. Holzvertäfelt? War da nicht eine scheußliche Blumentapete?

Sally räuspert sich. Die Außenaufnahmen wurden auf der Ranch gedreht, die Innenaufnahmen aber in einem Studio in Kalifornien. Die Zimmer sind folglich fiktional gestaltet - mit Elementen aus der Serie, aber nicht originalgetreu. Mitunter auch sehr frei, wie Bobbys Zimmer: Das Kopfteil des Bettes besteht aus den Schulterknochen eines Rindes, die Garderobe aus einem ausgestopften Hirschkopf, die Pfoten des Tiers dienen als Kleiderhaken.

Sally tritt hinaus auf die Terrasse: "Und das ist der berühmte Pool. Warum berühmt? Weil die Leiche von Kristin Sheppard, Sue Ellens Schwester, darin schwamm. Sie hatte die Schüsse auf J. R. am Ende der dritten Staffel abgegeben." Die Schüsse auf J. R. waren die Mutter aller Cliffhanger, des offenen Endes eines Films oder einer Folge, damit die Zuschauer beim nächsten Mal wieder einschalten. Sieben verschiedene Fassungen haben die Produzenten drehen lassen - auch die Schauspieler erfuhren erst in der ersten Folge der neuen Staffel, welche die schließlich verwendete war.

Jetzt findet am Pool ein Fotoshooting mit den Stars der Serie statt. Mit einigen, um genau zu sein: Pamela fehlt, auch Cliff Barnes, der ewige Verlierer. Und J. R., Larry Hagman, ist vor sechs Jahren gestorben. Aber Sue Ellen und Lucy sind gekommen, Linda Gray und Charlene Tilton - beide unverkennbar. Außerdem Steve Kanaly: wie in der Serie als Ray Krebbs unter einem breitkrempigen Stetson. Nur bei Bobby muss man zweimal hinsehen. Die jugendliche Aura hat Patrick Duffy verloren, seine Haare sind weiß statt schwarz und am Hinterkopf zu einem Zöpfchen gebunden.

Larry Hagman war der Typ, der mit dem durchkam, was andere zumindest versuchen möchten

Eine halbe Stunde später. Kaffeepause für Bobby und Sue Ellen im Nebengebäude auf der Ranch. Dallas? "Wollte ich nie hin", sagt Bobby. "Als es hieß, dass hier gedreht wird, dachte ich: Autsch. Aber meine Frau sagte: Mach's, in ein paar Wochen bist du zurück. Gott sei Dank habe ich auf sie gehört." "Ich weiß noch, wie wir hier ankamen", ergänzt Sue Ellen. "Alles arbeitslose Schauspieler, froh, einen Job für fünf Folgen zu haben. Es war Winter, es schneite, und wir wurden in ein schäbiges Motel verfrachtet. Keiner von uns kannte Dallas, außer Larry. Er fuhr uns durch die Gegend, zeigte uns seine Lieblingsplätze, hauptsächlich Bars." "Durch ihn habe ich Dallas lieben gelernt", fährt Bobby fort. "Den Lebensstil: Jeder ist willkommen, alle sind höflich, ein Überbleibsel der Südstaaten-Etikette. Für mich war das lehrreich, dafür bin ich ihm sehr dankbar."

Ursprünglich war "Dallas" nur für fünf Folgen geplant, als Pilot, wie es im Fernseh-Sprech heißt - als Pilotsendung, mit der eine Idee getestet wird. Schon diese fünf Folgen brachen alle Rekorde. Der Rest der Serie erst recht: In den Achtzigern war "Dallas" ein weltweiter Quotenhit. Und ist bis heute Kult. Wegen J. R., sagt Bobby. "Die Figur des J. R. ist durch Larry Hagman gewachsen. Er war Texaner. Er verkörperte Texas. Und er war ein Typ, der mit all dem durchkam, was jeder andere mindestens einmal versuchen möchte: Affären haben und jede Menge Geld, alle hintergehen. Aber zum Abendessen nach Hause kommen und ein lieber Sohn sein. Das Ganze augenzwinkernd gespielt - damit zog er die Zuschauer in seinen Bann."

Reiseinformationen

Anreise: American, Delta und fliegen von München mit Zwischenstopps London nach Dallas, ab 861 Euro; Lufthansa ab Frankfurt direkt, ab 950 Euro.

Unterkunft: Rosewood Mansion on Turtle Creek war früher das erste Haus am Ort. Die Stars der Serie haben während der Dreharbeiten hier übernachtet, DZ ohne Frühstück ab 299 Euro, www.rosewoodhotels.com/en/mansion-on-turtle-creek-dallas; Das Belmont Hotel liegt am andere Ufer des Trinity River. Ehemaliges Motel, heute bei Künstler und Musikern beliebtes Boutique Hotel. DZ ohne Frühstück ab 130 Euro, www.belmontdallas.com

Weitere Auskünfte: Die Southfork Ranch liegt 40 Kilometer außerhalb von Dallas. Geführte Tour ca. 14 Euro, einstündiger Ausritt ca. 38 Euro, www.southforkranch.com; www.visitdallas.com

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

Abends auf der Southfork Ranch. Genauer: im Oil Baron's Ballroom, einem Zweckbau mit dem Charme einer Turnhalle. Meet & Greet mit den Stars der Serie als Höhepunkt des Fan-Treffens. Ein paar Hundert Menschen stehen Schlange, bis hinaus auf den Parkplatz - und für schlappe 129 Dollar Eintritt.

In einem Nebenraum stehen Linda und Bobby, Lucy und Ray. Vor einer weißen Wand mit dem Logo der Southfork Ranch. Ein kleiner Mann mit Glatze führt die Fans einzeln oder paarweise zu ihnen. Kurzer Plausch, Erinnerungsfoto - schon schiebt er sie sanft, aber nachdrücklich weg. Die meisten sind älter - sie dürften "Dallas" als Jugendliche gesehen haben. Aber es sind auch viele jüngere Leute darunter.

Barbara Tomassino fällt auf. Sie trägt ein kurzes, ärmelloses Kleid. Selbstgemacht aus laminierten Bildern aus der Serie. Dazu eine passende Handtasche mit einem Bild von einem früheren Fan-Treffen. Bobby klatscht anerkennend, Lucy und Sue Ellen begutachten die Bilder, und Ray lächelt freundlich. "Sieht super aus, oder?", sagt Barbara. "Ich war schon auf zehn, 15 Veranstaltungen wie dieser. Für die nächste mache ich ein neues Kleid. Ihr wollt bestimmt neue Bilder sehen." "Natürlich", antwortet Bobby, herzt Barbara und wendet sich den Nächsten zu.

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