Urteil:Einmal Strand, drei Euro

Spaziergänger am Nordseestrand in St. Peter-Ording

Gibt es ein Recht auf freien Zugang zum Strand? Das Bundesverwaltungs-gericht entscheidet darüber.

(Foto: dpa)

An Nord- und Ostsee müssen Tagesgäste oftmals Eintritt zahlen. Jetzt entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, ob es ein Recht auf freien Zugang zum Strand gibt.

Von Wolfgang Janisch

Wenn man nach der Landschaft mit dem höchsten Freiheitsgefühl-Faktor sucht, dann steht der Strand ganz weit oben auf der Sehnsuchtsliste - je nach Urlaubsvorlieben kurz vor oder nach dem Berggipfel mit Alpenpanorama. Wer die Füße im Schlick und den Blick auf der Wasserlinie hat, der vergisst die Welt der Chefs und Teamsitzungen.

Deshalb ist es nur konsequent, dass nun ein oberstes Gericht darüber entscheidet, wie es um die Freiheit am Strand bestellt ist. An diesem Mittwoch verhandelt das Bundesverwaltungsgericht darüber, ob es ein Recht auf freien Zugang zum Nordseestrand gibt. Geklagt hatten Bürger aus Nachbargemeinden von Wangerland in Niedersachsen, wo eine kommunale Tourismus GmbH an den eingezäunten Sandstränden von Hooksiel und Horumersiel-Schillig drei Euro Eintritt nimmt.

Nur Gemeindeeinwohner und Kurkarteninhaber werden nicht zur Kasse gebeten, für die anderen ist - außer im Winter - selbst der Strandspaziergang kostenpflichtig. Nur fünf der 31 Strände Niedersachsens kosten gar nichts. Die Kläger haben zwar in den ersten beiden Instanzen verloren. Aber das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zugelassen, was darauf hindeutet, dass die Richter eine Grundsatzfrage klären möchten: Lässt sich die Natur für zahlende Gäste reservieren?

Über die Rechte der Allgemeinheit an der Natur wird vor Gericht längst in allerlei Variationen gestritten. Im Brandenburger Wald- und Seengebiet unterbanden Richter vergangenes Jahr den Versuch eines Villenbesitzers, einen Wanderweg am Havelufer zu blockieren - er wollte so den Wert seiner Immobilie nach oben treiben. In einem Skigebiet bei Garmisch mussten Tourengeher ihr Recht, eine ausgewiesene Skipiste zu überqueren, vor dem Verwaltungsgerichtshof durchsetzen.

Zudem hat sich der Naturgenuss diversifiziert, was das Konfliktpotenzial erhöht - Wanderer wollen Ruhe, Mountainbiker freie Bahn. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat jüngst eine Klage von Naturisten abgewiesen, die ihren Nacktwanderweg im Wald beschildern lassen wollten. Das war vermutlich als berechtigte Warnung an bekleidete Spaziergänger gedacht, aber dann wäre der Wald zum Schilderwald geworden - auch weil Reiter, Kutscher oder Radler dasselbe hätten fordern können.

Im Zentrum des Sandstrandprozesses steht ein Paragraf aus dem Bundesnaturschutzgesetz. Er lautet: "Das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung ist allen gestattet." In Bayern steht das Grundrecht auf Naturgenuss sogar in der Verfassung. Aber solche Normen klingen eindeutiger, als sie sind. Die Gemeinde Wangerland argumentiert durchaus nachvollziehbar, dass so ein Strand eben auch unterhalten werden muss. Es wird also entscheidend für viele Streitigkeiten sein, ob die obersten Richter diese Vorschrift im Sinne der nicht zahlenden Mehrheit interpretieren.

Schon 1908 hatte das Verwaltungsgericht Oldenburg geurteilt, das Meeresufer gehöre zu den öffentlichen, von jedermann frei zu nutzenden Sachen. Auch so ein Prinzip, das offen für Ausnahmen war: Badekonzessionen gab es schon damals.

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