Süddeutsche Zeitung

Halland oder Haaland?:Verpeilt im Urlaub

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Spielt es eine Rolle, wo man seine Ferien verbringt? Für viele offenbar nicht. Was andere auf die Palme bringt.

Glosse von Stefan Fischer

Schön warm soll es sein und nicht zu teuer, darauf kommt es an. Ob hingegen dieses Antalya, wohin der Ferienflieger geht, nun in der Türkei liegt oder in Tunesien - was spielt das für eine Rolle? Muss man nicht wissen. Getreu dem Motto: "Madrid oder Mailand? - Hauptsache, Italien", das der ehemalige Fußballer-Nationalspieler Andreas Möller angeblich ausgerufen hatte, als er 1992 zu einem ausländischen Verein wechseln wollte.

Da ging es nicht um Urlaub, sondern um einen Job. Wobei nicht wenige Menschen bis heute der Auffassung sind, Möller hätte sich auf dem Spielfeld meistenteils im Strandmodus befunden. Insofern schweift dieser Text hier keineswegs ab, zumal in ihm Fußball noch eine zentrale Rolle spielen wird.

Doch erst einmal zurück in die Ferien. Mag es manchen Urlaubern auch vollkommen egal sein, wo sie ihre freien Wochen verbringen, solange Wetter, Qualität der Drinks sowie Angeberpotenzial der lokalen Instagramspots sich positiv auf ihr Wohlbefinden auswirken: Für Hoteliers, Yogalehrerinnen und fliegende Händler ist es sehr wohl wesentlich, ob die Schmidts ihre Gäste und Kunden sind. Oder eben nicht, weil sie sich am anderen Ende des Mittelmeers sonnen.

Es gibt - selbst das kommt vor - sogar Reisende, deren Wohl an einem speziellen Ziel hängt und die prompt prozessieren, wenn andere es damit nicht so genau nehmen. Legendär ist der Fall einer Sächsin, die vor rund zehn Jahren einen Flug nach Porto buchen wollte, jedoch ein Ticket nach Bordeaux ausgestellt bekommen hat. Im Dialekt der Frau klingen die beiden Städtenamen sehr ähnlich, sodass man im Reisebüro der Auffassung war, die Kundin wolle nach Frankreich.

Damit war niemandem geholfen: Der Sächsin nicht, und natürlich auch keinem Wirt in Porto. Nicht einmal in Bordeaux hat jemand von diesem Irrtum profitiert, weil die Frau mit dem falschen Ticket den Flug dorthin nicht angetreten hat. Das Argument, dass auch Bordeaux im Grunde am Atlantik liege und es dort sogar den besseren Wein gebe, es verfing bei ihr nicht.

Florenz oder Dresden, Kleines Matterhorn oder Großer Bärenstein, das macht eben doch einen Unterschied. Zur Not muss, wer im Tourismus sein Geld verdient, halt ein bisschen schummeln. Speziell dann, wenn die heimischen Sehenswürdigkeiten eher keinen Weltrang haben. Dann schmückt man sich eben mit fremden Federn. Wobei Dresden sich hinter solchen eigentlich nicht verstecken müsste. Doch ganz scheint man der eigenen Attraktivität nicht zu trauen, jedenfalls hat sich die Stadt sicherheitshalber den Kosenamen Elbflorenz zugelegt.

Und steht damit beileibe nicht allein. Beirut: das Paris des Ostens. Bad Bramstedt: das Venedig des Nordens. Wobei die norddeutsche Kleinstadt um diesen Titel ungerechterweise mit Amsterdam und Kopenhagen konkurrieren muss. Und mit Giethoorn. Regionen wiederum, die sich mit der Schweiz messen, gibt es mehr als hundert in Deutschland. Der Sächsischen Schweiz mit dem Großen Bärenstein mag man das womöglich noch zugestehen. Aber der Calauer, der Elfringhauser, der Velpker Schweiz? Wo Bodenwellen als Berge durchgehen sollen?

Nun tangiert diese touristische Trittbrettfahrerei weder die Schweiz noch Paris oder Venedig sonderlich. Anders liegt der Fall bei der schwedischen Region Halland südlich von Göteborg. Sie hat gewissermaßen aufgehört zu existieren, da niemand mehr sie findet. Jedenfalls nicht in den sozialen Netzwerken. Denn ihr Name wurde schlichtweg gekapert. Schon fleht der Tourismusdirektor: "Gebt uns unseren Hashtag zurück!" Damit seine Werbung für das schöne Städtchen Varberg und das imposante Schloss Tjolöholm nicht einfach verhallt. Derzeit nämlich bekommt, wer #Halland folgt, immer nur die imposanten Waden des Fußball-Weltstars Erling Haaland zu sehen. Dass man den anders schreibt: Ist vielen Menschen nicht so wichtig. Hauptsache, Volltreffer.

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