Urlaub ohne Begleitung:Allein, nicht einsam. Oder doch?

Urlaub ohne Begleitung: Wer doch allein verreist, wächst über sich hinaus. Und Kompromisse muss man höchstens mit sich selbst schließen.

Wer doch allein verreist, wächst über sich hinaus. Und Kompromisse muss man höchstens mit sich selbst schließen.

(Foto: Robert Metz; Illustration Jessy Asmus)

Viele schwärmen davon, doch ohne Begleitung zu verreisen führt auch zu unangenehmen Momenten - über die kaum jemand spricht. Sechs Herausforderungen beim Solo-Trip.

Von Carolin Gasteiger

Am häufigsten fällt der Satz "Ich wollte erst gar nicht". Aber dann hat die Partnerin oder der Partner keine Zeit, Freunde können sich die Reise nicht leisten und länger warten will man nicht. Also fährt man allein weg. Immerhin verheißen Reiseblogger und Lebensberater: Allein auf Reisen finde letztlich ein jeder zu sich selbst, der Solo-Trip sei ein wahrer Schlüssel zur persönlichen Weiterentwicklung. Doch es ist nicht alles Rosarot, wenn Reisende ganz auf sich gestellt sind - diese sechs typischen Herausforderungen müssen auf jeden Fall gemeistert werden.

Herausforderung: Fährt man tatsächlich allein?

"Du willst wirklich GANZ ALLEIN reisen?" Jedes Mal, wenn jemand mich das so zweifelnd fragt, oft noch mit dem Zusatz "... als FRAU?" wächst die Unsicherheit. Möchte ich tatsächlich allein drei Wochen nach Marokko fahren? Nicht nur in ein Hotel, sondern herumreisen? Ja, eigentlich schon. Ganz allein werde ich bestimmt nicht bleiben, rede ich mir selbst gut zu. Auf dem Yoga-Retreat nördlich von Agadir würde ich Leute treffen und bestimmt wollen einige davon anschließend ebenfalls weiterreisen. Aber was, wenn nicht? Oder wenn alle unsympathisch sind?

Das erste Hindernis taucht daheim auf und hält sich dank ungläubiger Nachfragen von Bekannten und Verwandten hartnäckig: das Durchringen zur Entscheidung. Die Aussicht, allein in ein Land zu reisen, das man nicht und in dem man niemanden kennt, kann verunsichern. Und so vergehen Tage und Wochen des Haderns, bis die Neugier auf das Alleinreisen über die Bedenken siegt.

Herausforderung: die Planung

Wellness im Hotel im Nirgendwo wäre ein paar Stunden lang schön, könnte dann allein aber fad werden, fürchte ich. Aber in Wien ist viel los - Ausstellungen, Kinos und natürlich Kaffeehäuser. Dort kann ich, wenn es sein muss, bestimmt auch einen Nachmittag lang sitzen, ein gutes Buch in der Hand.

Ein großes Hemmnis für jeden, der auf sich gestellt eine Reise unternimmt, dürfte die Angst vor Einsamkeit sein. Dagegen hilft Ablenkung und klein anfangen: Wer noch nicht weiß, wie er mit sich selbst klarkommt, durchquert besser Szeneviertel statt eine Wüste. Oder macht eine Tour zu einer Berghütte, auf der er garantiert nicht allein nächtigen muss. Und dann gibt es immer noch Hostels mit Gemeinschaftsräumen, die mehr oder weniger Kontakt zu anderen Reisenden erlauben.

Allein reisen bedeutet, alles selbst organisieren zu dürfen - und zu müssen, davor und unterwegs. Niemand sonst ist für Bustickets, Theaterkarten, Tauchkurs verantwortlich. Wenn das Hotel, das auf den Fotos so vielversprechend aussah, in Wahrheit heruntergekommen ist, muss man den Frust allein verdauen. Ist der Weg zur Unterkunft schwerer zu finden als gedacht, sucht nur ein Augenpaar nach der richtigen Gasse. Andererseits ist es wunderbar, einfach einen Tag in dem hübschen Stadthotel zu verlängern oder auf der Rollerfahrt über die Insel Lombok spontan dort anzuhalten, wo es einem gefällt. Und zwar nur einem selbst, ohne die Gefahr, dass der Reisepartner das anders sieht. Es ist die eigene Planung, die man beschwingt über den Haufen werfen kann, ohne Absprache und Kompromisse - eine Freiheit, die bereichert.

Herausforderung: die Mahlzeiten

In der Wiener Schleifmühlgasse im Café Anzengruber. Die Vorstellung, dort einsam vor meinem Schnitzel zu sitzen, war nicht so schön, aber: Das fühlt sich nur im ersten Moment komisch an. Es ist gemütlich, viele Leute kommen und gehen, jedoch ohne Eile. Sie zu beobachten, dazwischen immer wieder in einem Buch zu lesen, lässt mich schnell vergessen, dass ich hier allein bin. Es fühlt sich auch nicht so an: Am Tresen trinken Leute ihr Feierabendbier, am Nebentisch isst eine Familie, in einer Ecke eine Gruppe Freunde. Und ein Schnitzel zu essen dauert ja auch keine vier Stunden.

Allein durch ein Museum zu spazieren, einen Film anzusehen oder im Park zu sitzen, das können sich die meisten noch vorstellen. Aber nicht, allein auswärts zu essen. Zugegeben, abends ohne Gesprächspartner an einem vornehm gedeckten Tisch im Restaurant zu sitzen, wirkt nicht verlockend. Wer damit ein Problem hat, spart sich das Restaurant besser: Bistros, Cafés oder Imbisse bieten ein lockereres, ungezwungeneres Umfeld. Und wenn man doch im Restaurant landet, ist ein Platz an der Bar entspannter als am Tisch. Wer die Atmosphäre abends als zu steif empfindet, geht besser mittags ins Restaurant.

Herausforderung: die Ansprache

In Wien ist das Kaffeehaus doch nicht so beeindruckend, wie es mir versprochen wurde. Dafür überwältigt die Vielfalt der Gewürze, von Obst und Gemüse auf dem Naschmarkt. Und dann dieser "Einspänner" genannte Mokka, den ich voreilig mit Schuss bestellt habe und der mir jetzt die Beine schwer werden lässt. All diese Eindrücke muss ich jemandem mitteilen. Jetzt, sofort! Dank Smartphone hole ich mir die Freunde aus der Ferne kurz nach Wien.

Jeder, der grundsätzlich gut mit sich allein sein kann, wird auch unterwegs keinen Reisepartner vermissen. Aber manchmal braucht selbst der größte Eigenbrötler Ansprache. Keine tiefsinnigen Gespräche, sondern einfach die Möglichkeit, ein paar Worte zu wechseln und Erlebnisse (mit-) zu teilen. An Anruf daheim oder eine Nachricht an Freunde kann über kurze Momente der Einsamkeit helfen. Eine Dauerlösung ist das jedoch nicht, weil der Kontakt nach Hause und damit in den Alltag es erschwert, offen und aufgeschlossen der fremden Umgebung und neuen Leuten zu begegnen, sich wirklich voll und ganz auf das Reiseziel und seine Menschen einzulassen. Da hätte man gleich mit jemand anderem wegfahren können.

Herausforderung: allein unterwegs

Warum ich ohne Begleitung hier in Marrakesch sei, fragt die Frau an der Rezeption. Weil meine Freunde alle einen früheren Flieger hatten, erkläre ich ohne Lust auf Nachfragen. Ob ich einen Freund habe, ruft mir ein Mann auf der Straße hinterher. Ja klar, nur liege der krank im Hotelzimmer, schwindele ich ohne Lust auf nähere Bekanntschaft. Notlügen müssen manchmal sein. Was ich allerdings nicht mache, ist abends in Marrakesch auf die Straße zu gehen. Da bin ich vorsichtig und verzichte lieber.

Eine weibliche Touristin ohne Begleitung ist in einigen Kulturen ungewöhnlich und für viele eine unausgesprochene Flirteinladung. Aber klare An- oder eher Absagen (es muss nicht der falsche Ehering sein, wie viele immer noch empfehlen) halten die meisten Aufdringlichen auf Distanz. Ansonsten hilft Menschenverstand und Wissen über die gesellschaftliche Rolle der Frau in dem jeweiligen Land. Und für Frauen lohnt es sich noch mehr, mit Hotel-, Bar-, Café-Angestellten ins Gespräch zu kommen, um sie im Zweifel um Rat und Hilfe zu bitten. So schafft man sich Verbündete.

Aber auch Männer sollten sich über ihre Sicherheit Gedanken machen und sich vor Ort erkundigen, wo und zu welcher Tageszeit sie allein als Ausländer unterwegs sein können - und von welchen Ecken sie sich nachts besser fernhalten.

Herausforderung: Krankheit

Nur dank einer strengen Brot-und-Cola-Diät habe ich die Busfahrt von Fès nach El Jadida überhaupt durchgestanden. Abends bekomme ich doch Hunger. Der Pensionsbesitzer kocht selbst und serviert das Essen auf der Dachterrasse. Am Nebentisch sitzt ein mit ihm befreundetes Ehepaar. Ein Bissen genügt und mein Magen rumort erneut. Stehenlassen und schweigend gehen ist aber keine Option. Also schildere ich dem Wirt die peinliche Situation. "Ach, die Arme", erklärt er den anderen Gästen, taucht aber kurz darauf mit einem Esslöffel Kurkuma wieder auf. Soll helfen. Hat es auch.

Im Urlaub zu erkranken nervt immer, auch in Begleitung. Aber wenn man sich vor Magenschmerzen kaum aus dem Bett bewegen kann und dann nicht mal jemand da ist, der Medikamente besorgt, ist besser eine gut bestückte Notfallapotheke in Reichweite. Und man muss sich mit einer Erkenntnis anfreunden: Auch der eigenständigste Mensch muss mal jemanden um Beistand bitten. Dafür kann er die Erfahrung machen, dass viele Menschen spontan sehr hilfsbereit sind.

Also besser nicht allein reisen?

Doch, auf jeden Fall! Mehr als zwei Jahre lang war ich nicht mehr allein unterwegs. Und langsam werde ich unruhig.

Ob auf dem Roller durch Lombok, beim Wochenend-Trip in Wien oder mit dem Rucksack quer durch Australien: Alleinreisen ist anstrengend, aber auch eine Bereicherung. Weil man sich auf niemanden einstellen muss, weil man Menschen ganz anders begegnet als in Begleitung und weil man sich niemandem gegenüber rechtfertigen muss. Diese Freiheit und der Abstand zu allem können unglaublich bereichernd sein - ja, sogar süchtig machen. Und die sechs Herausforderungen lassen sich von Reise zu Reise leichter meistern.

Dieser Text ist zuerst am 7.2.2019 erschienen.

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