Übernachten in Österreich:Wellness für Leseratten

Übernachten in Österreich: Der Himmel voller Bücher. Das "Lesehotel" ist über vier Stockwerke vom Keller bis unters Dach reich mit Lektüre bestückt.

Der Himmel voller Bücher. Das "Lesehotel" ist über vier Stockwerke vom Keller bis unters Dach reich mit Lektüre bestückt.

(Foto: HF-Bild)

Am Hallstätter See gibt es ein Hotel für Menschen, die ihre Urlaubszeit mit guter Lektüre verbringen wollen. Nicht nur die Idee, auch das Mobiliar ist außergewöhnlich.

Von Evelyn Pschak von Rebay, Bad Goisern

"Nehmen Sie so viele Bücher mit aufs Zimmer, wie Sie tragen können", ermutigt Silke Seemann die Neuankömmlinge. Aber welche? 12 000 Werke sind in ihrem Hotel verteilt. Anfangs seien die Gäste daher oft ganz aufgeregt bei der Suche nach der richtigen Lektüre, erzählt Seemann: "Das legt sich aber, weil schnell erkannt wird, dass man sich eh nicht durch all unsere Werke lesen kann."

Das vergangenen Juli oberhalb von Bad Goisern am Hallstätter See in Österreich eröffnete Lesehotel vermarktet Seemann als "ein Haus wie eine Buchhandlung, in der man schlafen kann". Bereits die Bibliothek im Treppenhaus ist über vier Stockwerke vom Keller bis unters Dach reich bestückt. Ins Regal wurden samtweich ausgeschlagene Sitznischen eingebaut, die sich jedem anbieten, der es nicht mehr ins eigene Zimmer schafft, weil er sich festliest an all den frisch erschienenen Romanen, Reisebüchern und Ratgebern.

In der Bibliothek, den Lesezimmern und im Speisesaal finden die Bücher ihre eigene Ordnung, oftmals mitbestimmt von umsortierenden Gästen. In den vier Suiten und 16 Hotelzimmern indes liegt jeweils das neueste Sortiment eines Verlages auf. Das sind in einem Zimmer etwa die Liebesromane des Münchner Goldmann-Verlags, bekannt durch den Erotik-Bestseller "Fifty Shades of Grey". In einem anderen die Lebenshilfe-Publikationen von Kailash. Und wieder ein anderes beherbergt ausschließlich Kunstbücher der kleinen Schweizer Edition Clandestin. Um ihre Hotelidee umzusetzen, musste Silke Seemann Kooperationsverträge mit 20 Verlagen ausarbeiten. "Das erste Cross-Industry-Innovation-Projekt von Hotellerie und Verlagswesen weltweit" nennt die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin dieses Herzensvorhaben.

Übernachten in Österreich: Die von Orthopäden entwickelten Stühle sehen zwar aus wie Gynäkologen-Mobiliar, schonen aber angeblich die Lendenwirbelsäule.

Die von Orthopäden entwickelten Stühle sehen zwar aus wie Gynäkologen-Mobiliar, schonen aber angeblich die Lendenwirbelsäule.

(Foto: Julian Mathieu)

Ihr Lesehotel befindet sich am Ende einer serpentinenreichen Straße, in Alleinlage auf rund 1000 Metern am Predigtstuhl, inmitten der Nördlichen Kalkalpen. Rund 500 Meter tiefer liegt der oberösterreichische Luftkurort Bad Goisern, auf den man genauso hinabsieht wie auf den Hallstätter See, dahinter erhebt sich der Dachsteingletscher. Ein Lesehotel mit Bilderbuchpanorama also, inmitten eines waldreichen Netzes aus Wanderwegen, im Winter aus Langlaufloipen und Schneeschuhtrails.

Wer nicht mehr selbst lesen möchte oder kann, für den hat Silke Seemann mit dem oberösterreichischen Designer Gregor Wöckl das Plug&Play-Lesebett entwickelt. Es lässt sich mit dem Handy verbinden, Lautsprecher befinden sich in der gepolsterten Seitenwand des Bettes. Das kann man durchs Zimmer rollen, wie auch den Schreibtisch und den dazugehörigen Hocker - ihr sei es wichtig, dass sich jeder sein Zimmer so einrichten kann, wie es ihm gefällt, sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin.

Und überhaupt hat sich die gebürtige Schleswig-Holsteinerin so einiges einfallen lassen: Im Speisesaal ist eine Gästeküche eingerichtet, damit man die Rezepte der stapelweise auf Esstischen verteilten Kochbücher gleich ausprobieren kann. Aufladbare LED-Lampen lassen sich umstandslos mit aufs Zimmer oder in frisch bezogene Leseecken transportieren, fürs optimale Leselicht. Und im Lesesaal stehen von Orthopäden entwickelte Stühle, die zwar aussehen wie Gynäkologen-Mobiliar, aber die Lendenwirbelsäule schonen sollen. Beim Lesen liegen die Beine dann auf gepolsterten Wadenstützen, sanft drückt die Rückenlehne auf den Lendenwirbelbereich. "Dabei wird das Hirn erfrischt", sagt Seemann.

Auf einen Wellnessbereich verzichtet die Unternehmerin. Von Bad Goisern aus ist man mit dem Zug aber rasch in der Therme von Bad Ischl. Wer im Lesehotel übernachtet, kann aber auch den knapp dreißig Autominuten entfernten Privatgarten mit Seezugang in Hallstatt nutzen, der zu einer der Ferienwohnungen gehört, die Seemann ebenfalls betreibt.

Übernachten in Österreich: Viel Platz - innen wie außen: das Lesehotel.

Viel Platz - innen wie außen: das Lesehotel.

(Foto: Nicola Radacher)

Trubelig ist das kleine Hallstatt, auch internationale Gäste sind wieder da. Am Predigtstuhl indes gibt es nur Stille und Bücher. Auch für Autoren sei diese Umgebung optimal, sagt Seemann: die Abgeschiedenheit, eine gute Glasfaseranbindung und die elektrisch höhenverstellbaren Schreibtische. In einem solchen zum Arbeiten geeigneten Zimmer hat die 26-jährige Autorin Roshan Affolter gewohnt. Sie ist in Bad Ischl geboren, aber aufgewachsen ist sie in Afghanistan, Mosambik, Sudan, Südafrika und Tschechien - ihre Eltern arbeiten für die Vereinten Nationen. Das Lesehotel, so sagt sie, sei etwas Besonderes: "Wenn man innerlich oder auch äußerlich Platz braucht, dann ist das der ideale Ort."

Im Lesehotel hat sie einen Monat verbracht um ein Drehbuch zu schreiben. Natürlich kämpfe man als junge Künstlerin oft mit Selbstzweifeln, gibt sie zu. Aber ihr Vater, der bereits Gast im Lesehotel war, habe hier ein Buch gefunden: Goethes schlechteste Gedichte. "Ich habe es mir durchgeschaut - die Gedichte waren wirklich sehr schlecht." Das habe ihr Mut gemacht, sagt Affolter: "Es ist wunderbar, wie einen hier genau die Bücher finden, die man braucht."

Lesehotel, Wurmstein 26, 4822 Bad Goisern am Hallstätter See, ab 180 Euro/DZ, lesehotel.at

Hinweis der Redaktion: Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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