Urlaub in Deutschland:Kampf um die Urlaubskasse

Wer einmal da war, soll wiederkommen: Die Inseln in Nord- und Ostsee werben um Stammgäste - mit Nichtraucherstränden oder Stormwatching im Winter.

Ralf Wiegand

Angenommen, es wäre schon Sommer, ein Sommer, wie er lange nicht mehr war. Der Durchschnittsdeutsche verreist mal wieder dorthin, wo es ihm am besten gefällt: nach Deutschland. Mehr als ein Drittel der Bundesbürger bleiben ja daheim, wenn sie etwas erleben wollen.

Sie suchen sich zum Beispiel einen Strand irgendwo im Norden oder Osten, lümmeln auf der Luftmatratze, und während die Wellen rauschen oder sich die Wattwürmer winden, lassen sie gedankenverloren den feinen Sand durch die Finger rieseln.

Die Chancen, sich dabei zu erholen, sind tatsächlich ganz gut. Die Chancen, währenddessen mit seinen Händen mindestens drei ausgedrückte Zigarettenkippen auszugraben, sind allerdings noch besser.

Liebhaber werden zu Botschaftern

Im Ostseebad Göhren hat die Kurverwaltung nun gegen das Rauchen am Strand besondere Maßnahmen ergriffen. Die Gemeinde auf der Insel Rügen wirbt ab 2009 mit dem ersten Nichtraucherstrand an der Ostsee. Genauer: an der ostdeutschen Ostsee.

Im Westen gibt es nämlich auch an der Ostsee bereits Bereiche, die als rauchfreie Zonen ausgewiesen sind, etwa in Travemünde oder Laboe. "Auf einer Insel muss immer irgendwie etwas anders sein", erklärt Jörg Fenske, Chef der Göhrener Kurverwaltung, "das erwarten die Leute."

Und so machten sich seine Leute auf die Suche, am drei Kilometer langen Uferstreifen zwischen den Spezialstränden für Hunde, Sportler, Wellness und Brautpaare - Göhren hat einen Hochzeitsstrand - noch zwei Nichtraucherzonen für die Urlaubsgäste unterzubringen. Künftig wird der Strandkorbvermieter also fragen: Raucher oder Nichtraucher?

Die Göhrener Kurverwaltung reagiert damit auf eine Umfrage unter Gästen. Vorrangiges Ziel von deutschen Urlaubsorten ist es nämlich, Stammgäste heranzuziehen. Gelingt dies, vererben die Urlauber ihr Domizil für die Sommerfrische manchmal über Generationen weiter. Misslingt es, muss die Ferienregion mit saisonalen Attraktionen die touristische Laufkundschaft immer wieder aufs Neue anwerben, was ungleich härter ist.

Der Stammgast als König - davon leben die ostfriesischen Inseln seit Jahrzehnten. Aus Ferienkindern, von den Eltern Jahr für Jahr nach Juist, Borkum oder Wangerooge verschifft, werden selbst Feriengäste, die wiederum ihre Kinder mitbringen.

Es ist der ewige Kreislauf der großen Ferien. Daraus entwickelt hat sich der Inselbotschafter. Pro Bundesland haben die ostfriesischen Inseln einen Gast zum Botschafter gekürt und ihn mit einem Botschafter-Koffer ausgerüstet. Klingelschild, Autoaufkleber, Visitenkarten, Werbematerial - das sollen die Inselliebhaber zu Hause unters Volk bringen.

Kampf um die Urlaubskasse

Mehr als 1300 Urlauber hatten sich um den Status als Inselbotschafter beworben, auch in der Schweiz und in Österreich werben nun Gäste im touristischen Schneeballsystem andere Gäste. Dafür bekommen die Botschafter die Überfahrt zur Insel ihrer Wahl geschenkt, freien Eintritt in alle Bäder und einen Aufenthalt pro Jahr gratis.

Erfindungsreichtum ist alles, siehe Helgoland. Das 70 Kilometer vor der Küste gelegene Eiland firmiert zwar als einzige deutsche Hochseeinsel, hat ansonsten im Wettrennen um die Gunst der Insel-Fans aber anscheinend nicht genug zu bieten. Die Touristenzahlen gehen seit geraumer Zeit zurück, auch 2008 kamen zwischen Januar und September fast fünf Prozent weniger Gäste als im Jahr zuvor.

Lag die Zahl der Tagesgäste zu seligen Zollzeiten dank Butterfahrten bei mehr als 800.000, hat sie sich inzwischen auf unter 400.000 mehr als halbiert. "Bitter", sagt Bürgermeister Frank Botter.

Helgoland ringt mit allen Mitteln um den sich abwendenden Stammgast. Noch immer ist die im vergangenen Jahr von einem inselaffinen Bauunternehmer geborene Vision, durch Sandaufspülungen die Inselfläche zu verdoppeln, nicht vom Tisch - die anfängliche Euphorie allerdings scheint verflogen.

Bürgermeister Botter sagt: "Man muss ja erst einmal wissen, was man mit der Fläche macht." Einen Golfplatz lehnt er ab, davon gebe es schon genug auf Sylt und Norderney: "Wir wollen ja nicht gewöhnlich werden auf Helgoland."

Die Aussicht, einen Flugplatz zu bauen, auf dem große Chartermaschinen landen könnten, ist ebenso verworfen worden wie ein Anleger für Kreuzfahrtschiffe. Der Bürgermeister hätte lieber eine verlässliche Fährverbindung zu allen Jahreszeiten, um Touristen auf die Insel zu schaffen, die dann ruhig so klein bleiben dürfte, wie sie ist.

Im Auge des Nordsee-Orkans

Noch im Januar wird es einen Workshop geben, an dem sich die Insel beteiligt, aber auch die Politik des Landkreises Pinneberg, zu dem sie gehört. Ziel laut Botter: "Wirtschaftliche Strategien entwickeln, um maßgebliche Entscheidungen für die Zukunft der Insel und deren phantasievolle Nutzung zu treffen."

Schon jetzt bietet Helgoland dem Gast Einmaliges: Seit dieser Wintersaison gibt es zum Beispiel Stormwatching. Interessenten werden zwei Tage vor einem aufziehenden Sturm informiert, zur Insel geflogen und können ein Spezialarrangement im Auge eines Nordsee-Orkans buchen. Wer einmal Windstärke zwölf im Helgoländer Oberland erlebt hat, kommt garantiert immer wieder - oder nie mehr.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: