Urlaub in der DDR:So weit der Trabi fährt

Zelten mit Trabant und der Trick mit dem Gold: Schauspieler, Skispringer und Journalisten über ihre Ferien in einer Zeit, in der Reisefreiheit noch ein Traum war.

Wolfgang Stumph, 63, Schauspieler

Urlaub in der DDR: Wolfgang Stumph im Trabi.

Wolfgang Stumph im Trabi.

(Foto: Foto: dpa)

Am besten kann ich mich an die Krimreise Ende der siebziger Jahre erinnern, das war tiefste Sowjetunion! Wir hatten uns als junge Familie das Geld zusammengespart, sind von Berlin über Moskau nach Simferopol geflogen - jawohl, es gab schon Flugzeuge in der DDR, liebe Menschen aus den gebrauchten Bundesländern! Da waren Sitze drin, man musste sich anschnallen, und es gab was zu essen. Für mich war es auch deshalb besonders, weil wir im Hotel das Zimmer hatten, in dem ein Jahr zuvor der Regisseur Konrad Wolf gewohnt hatte.

Erstmals im Westen war ich 1988, und zwar in München, auf Einladung von Dieter Hildebrandt und Gerhard Polt. Offiziell zu einem "musikalisch-literarischen Abend" im Marstall - natürlich war es Kabarett. Ich war neugierig auf die Seitenstraßen und die Kneipen, habe das Gespräch mit den Leuten gesucht. Das ist bis heute so. Ich will mitkriegen, was Menschen bewegt, was ihre Probleme sind. Das ist für meinen Beruf als Schauspieler und Kabarettist essentiell.

Meine erste große Reise nach der Wende ging nach Mallorca, an den Ballermann.

Dort würde ich heute nie mehr hinreisen. Die Reise konnte man damals noch zur Hälfte in Ost-Mark bezahlen. Ich wollte dem Rummel des Geldumtauschs entgehen und die Welt mal ein bisschen anschnuppern. Weil aber 1990 Fußball-Weltmeisterschaft war, traf ich vor allem deutsche Fans, die grölten und auf den Tischen standen. Ich kannte kaum einen Spieler der Nationalmannschaft. Das schönste Erlebnis auf Mallorca war der Anruf von der Bavaria, die mich fragten, ob ich die Hauptrolle in "Go Trabi Go" spielen möchte. Und das war ja dann wirklich meine erste Italienreise, während der Dreharbeiten, von Bitterfeld nach Rom.

Mit der Familie war ich auch mit dem Trabi verreist, allerdings nur nach Osten, Prag, Budapest. Von dem Honorar für "Go Trabi Go" habe ich mir einen gebrauchten Passat gekauft und bin mit meiner Familie nochmal genau an die Schauplätze des Films gefahren. Für mich ist das Reisen, beruflich wie privat, bis heute nicht selbstverständlich. Ich schätze es sehr, dass ich die Möglichkeit habe, in Namibia oder New York zu drehen, für Unicef nach Indien und für die Hilfsorganisation Menschen für Menschen nach Afrika zu reisen - denn da begreift man, dass die Welt nicht nur schön ist.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Skispringer Weihnachten im Bus verbringen mussten ...

Kleine Freiheiten für Skispringer

Jens Weißflog, 45, Skispringer

Urlaub in der DDR: Jens Weißflog im Sprung.

Jens Weißflog im Sprung.

(Foto: Foto: dpa)

Natürlich bin ich als DDR-Sportler nicht der Normalfall gewesen, das mal vorweg. Dass ich in den Westen reisen durfte, sehe ich dennoch nicht direkt als Privileg an. Ich war ja eine Art Aushängeschild, auf das die Leute stolz sein sollten, dazu musste ich einfach zu den Wettkampfstätten in Ländern wie den USA, Kanada, Japan. Nach der Wende hörte ich dann öfter den Satz: "Ihr konntet doch eh' schon reisen." Irgendwo ist das verständlich.

Ich wäre vielleicht auch neidisch gewesen. Dabei konnte man diese Reisen mit einer Urlaubsreise nicht vergleichen. Sie waren durch Training und Wettkämpfe beschränkt, auch wenn es zwischendrin Möglichkeiten gab, sich umzusehen. Bei einem Trainingslager in Finnland habe ich zum Beispiel das Surfen gelernt.

Meine erste Westreise 1980 war in gewisser Weise schon ein Kulturschock. Bei uns in Oberwiesenthal lag damals kein Schnee, deshalb sind wir zuerst auf die Kola-Halbinsel im Norden Russlands, wo aber auch nur fünf Zentimeter lagen. Also zurück, 48 Stunden lang mit dem Zug, und dann weiter in die Schweiz. Die Landschaft, der alpenländische Baustil, Ovomaltine, Rivella - das kannte ich bis dahin nicht.

Das geht 16-Jährigen, die heute in fremde Länder reisen, wohl ähnlich. Nur war da ständig der Hintergedanke, nicht zu wissen, wie lange das möglich ist. Das hing von der sportlichen Leistung ab.

Und so ein Kaufhaus, das war was Besonderes. Vor allem der Duft.

Anfang der Achtziger sind wir meistens noch mit dem Zug gefahren. Erst ab 1985 wurden wir durch einen VW-Kleinbus - der war wirklich von Volkswagen - flexibler, die Reisezeiten wurden kürzer. Im Bus habe ich auch Weihnachten 1987 verbracht, weil irgendjemandem vom Verband einfiel, dass wir noch einen Wettkampf in St. Moritz mitmachen müssen.

Leider hat das mit den Visa seine Zeit gedauert. Bis wir loskamen, war es 14 Uhr, angekommen sind wir mitten in der Nacht zum 25. Dezember. Am nächsten Morgen hat der Hotelwirt versprochen, dass der Sieger des Springens eine Woche Aufenthalt in seinem Hotel erhält. Ich habe gewonnen, aber meinem Antrag auf die Reise wurde in der DDR nicht stattgegeben. Ich hätte das sowieso nicht annehmen dürfen, weil man sich von Kapitalisten nichts schenken lassen durfte.

Privat bin ich wie jeder andere DDR-Bürger auch gereist, nie weiter als bis Ungarn. Speziell dort hat man sich wegen des Höchstumtauschsatzes dann gefühlt wie ein Deutscher Zweiter Klasse. Nach dem Mauerfall hatte ich nicht sofort das Bedürfnis rüberzufahren, um das Begrüßungsgeld abzuholen.

Stattdessen ging die erste Privatreise nach der Wende in das Hotel bei St. Moritz, um meinen Gutschein einzulösen.

Er war noch gültig.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie eine Schriftstellerin voller Naivität Kairo entdeckte ...

Kulturschock in Kairo

Urlaub in der DDR: Der erfolgreichste Skispringer der DDR und dreifache Olympiasieger Jens Weißflog 2001 im offiziellen DDR-Trainingsanzug am Checkpoint Charlie.

Der erfolgreichste Skispringer der DDR und dreifache Olympiasieger Jens Weißflog 2001 im offiziellen DDR-Trainingsanzug am Checkpoint Charlie.

(Foto: Foto: dpa)

Antje Rávic Strubel, 35, Schriftstellerin

Ich erinnere mich, dass ich als Kind an der Ostsee den Fähren nach Schweden hinterhergeschaut habe. Ich weiß nicht mehr, was ich damals wirklich empfand; im Nachhinein bilde ich mir aber ein, dass meine Faszination für Schweden untergründig davon gespeist wird. Man wusste, auf diesen Fähren würde man nie mitfahren. Das kurbelte die Phantasie verheißungsvoll an. Aber erst Mitte der neunziger Jahre fuhr ich tatsächlich nach Schweden, seither regelmäßig. Meine erste Reise nach der Wende ging mit meinen Eltern nach Kairo, auf Einladung eines ägyptischen Lehrerkollegen meines Vaters, der in den Jahren zuvor nie recht verstand, warum wir seine Einladung nicht annehmen konnten. Das war ein echter Kulturschock.

Wir waren völlig unvorbereitet. Was wussten wir von dieser Welt? Es gab im Osten nicht die Selbstverständlichkeit von Reiseführern, Dokumentationen, Fotostrecken über jeden Winkel der Erde. Lebensgefühl, Verhaltensweisen, Essen waren überwältigend fremd. Das Chaos auf den Straßen, die Kinder, die nachts um zwei noch auf den Dächern der Straßenbahnen sitzen. Ich habe zum ersten Mal eine Wasserpfeife gesehen.

Meine Naivität zeigte sich spätestens, als ich in einem schulterfreien Trägerkleid über einen Basar lief. Unser ägyptischer Freund hatte große Mühe, mich da wieder rauszulotsen.

Es ist schwierig, den Aufbruch in den Westen von meinem Aufbruch ins Erwachsenenleben zu trennen. Ich habe alles aufgesogen: USA, Australien. Die Unbefangenheit dabei unterscheidet meine Generation vielleicht von der der Älteren, die die Sozialisation in der DDR stärker geprägt hat und der manche Umgebung fremd bleibt.

Meine Eltern sind mit mir schon zu DDR-Zeiten viel gereist, dort, wo man eben hinkonnte: an die Ostsee, zum Skifahren in den Thüringer Wald oder ins Riesengebirge. Die drei Freiflüge im Jahr, die meine Mutter durch ihre Arbeit bei Interflug für die ganze Familie bekam, zeigten einem aber erst so richtig die Begrenztheit der Möglichkeiten.

Wir flogen hauptsächlich nach Prag. Eine Ausnahme war die Reise ans Schwarze Meer in Bulgarien, die ich mir zur Jugendweihe gewünscht hatte. Budapest wurde irgendwann so teuer, dass wir uns das nicht mehr leisten konnten.

Ich erinnere mich, wie wir uns einmal an einem Stehimbiss zu viert eine Kartoffelsuppe geteilt haben.

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Der Trick mit dem Gold

Urlaub in der DDR: Von der DDR nach Kairo

Von der DDR nach Kairo

(Foto: Foto: iStock)

Rolf Beyer, 75, Reiseleiter

Die Sache mit der Reise hatte einen Haken, aber das wurde mir erst einmal nicht gesagt. Man hat mich in meinem Betrieb, dem Deutschen Verlag für Grundstoffindustrie, überrascht. Dort wurde ich für meine Arbeit mit einer Reise in die UdSSR ausgezeichnet. Das war Mitte der siebziger Jahre. Irgendwann hieß es allerdings: "Sie müssen aber eine Reisegruppe mitnehmen." Nun, einem geschenkten Gaul schaut man eben nicht ins Maul.

Nach der Reise wurde mir klar, ich war getestet worden, ob ich als Reiseleiter geeignet bin. Das war ein Ehrenamt. Zwei- bis dreimal im Jahr konnte ich auf diese Weise kostenlos ins sozialistische Ausland reisen, mit einer Gruppe bis zu 40 Leuten, musste dafür aber Urlaub nehmen. Ich habe das bis zur Wende gemacht. Wenn es privat möglich war, konnte ich meine Frau, aber auch meine beiden Kinder mitnehmen, natürlich gegen Bezahlung. Eine zweiwöchige Auslandsreise kostete ungefähr tausend Mark.

Einen Tag vor Beginn der Reisen musste jeder Reiseleiter zur Einweisung nach Berlin in die Generaldirektion des Reisebüros.

Dort habe ich Informationen über das Gastland sowie alle Unterlagen erhalten. Das waren die Flugtickets, das Gruppenvisum und die Voucher für die Übernachtungen, das Essen und die kulturellen Veranstaltungen. Bargeld in der Landeswährung hatten wir nie.

Am Jahresanfang konnten wir Reiseleiter Wunschzettel abgeben, wohin wir reisen wollten. Meistens hat das auch geklappt. In Budapest und in Moskau war ich öfter, ich wollte aber immer etwas Neues kennenlernen. Nur in die Mongolei bin ich nicht gekommen, da es nur wenige Reisen gab.

Auch nach der Wende hat es dorthin nicht geklappt. Dafür war ich in Spanien, in Tunesien, sehr viel in Österreich, aber auch oft an der Ostsee. Für die Reisegruppen musste ich mich um alles Organisatorische kümmern, war also immer "im Dienst". Bei Städtereisen unterstützte mich ein einheimischer Dolmetscher, der dort auch alles Interessante erklärte.

Einmal hat mir ein Tourist aus meiner Gruppe erzählt, warum er sich fast jedes Jahr eine Reise in die Sowjetunion leisten konnte: Gold war in der DDR viel teurer als dort. In seinen Zollpapieren hat er also immer Schmuck angegeben, den er angeblich mit auf die Reise nahm. Das hat keiner nachgeprüft, weil die Sachen in der UdSSR ja weniger wert waren. Dann hat er während der Reise Ringe und Ketten gekauft, sie offiziell in die DDR eingeführt - laut Zollerklärung hatte er sie ja von dort mitgebracht - und zu Hause teurer verkauft.

Nach der Rückkehr musste ich dem Reisebüro der DDR stets schriftlich Bericht erstatten: Ob die vertraglichen Leistungen in vereinbarter Qualität erbracht wurden und ob es Beschwerden gab. Die Abrechnung musste auf den Pfennig stimmen.

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Koffer voller Ersatzteile

Urlaub in der DDR: Antje Rávic Strubel

Antje Rávic Strubel

(Foto: Foto: dpa)

Marlis Heinz, 53, Journalistin

Reisemagazine oder Reiseseiten in Tageszeitungen gab es zu DDR-Zeiten keine. Die Leute sollten schließlich nicht unbedingt zum Reisen animiert werden. Für die Leipziger Volkszeitung habe ich vor der Wende Kulturreportagen für die Wochenendbeilage "In freien Stunden" geschrieben, die heute durchaus in einem Reiseteil firmieren könnten. Hotels im heutigen Sinne gab es nur in den Städten. Wer sich erholen wollte, musste sich bei staatlichen Ferien- oder Gewerkschaftsheimen für ein Reiseziel vormerken lassen. Ob das dann klappte, war ungewiss. Um auf diese Art seinen Urlaub zu verbringen, musste man vor allem Gemeinschaftserlebnisse mögen.

Die meisten kannten sich ja schon aus dem Betrieb, dem das Ferienheim gehörte. Individualisten packten lieber ihr Zelt aufs Rad oder in den Trabi und fuhren einfach los. Meine Eltern sind viel mit uns Kindern verreist, soweit der Trabi eben fuhr. Wir hatten immer einen Koffer voller Ersatzteile mit, denn ohne die wären wir unterwegs aufgeschmissen gewesen. Für den Urlaub bei Verwandten in Bulgarien besorgten meine Eltern als Gegenleistung für unseren Aufenthalt vier Schuhkartons mit Schuhen Größe 37, weil die Tante diese Größe in Bulgarien nicht bekam.

Es gab keine Reisefreiheit, aber Reisemöglichkeiten.

Der DDR-Bürger verreiste im Schnitt etwa zwei Mal im Jahr - meistens im eigenen Land oder ins sozialistische Ausland. Jugendtourist hieß das Reisebüro, das die klassische Pauschalreise und auch die nur wenigen erlaubten Reisen ins sogenannte NSW (nicht sozialistisches Wirtschaftsgebiet) organisierte. Doch auch die Reisen ins sozialistische Ausland waren kostspielig und nicht für jedermann. 900 Ost-Mark pro Person kostete unsere Wolga-Kreuzfahrt. Weil es eine Vierer-Belegung in der Kabine gab und wir nicht eine fremde Person dazu bekommen wollten, nahmen wir noch Opa mit.

Nach der Wende ging es in den neu entstandenen Reiseteilen der Tagespresse primär um Service-Themen. Die Leute waren schließlich nicht gewohnt, auf eigene Faust zu verreisen. Die meisten waren nicht sattelfest in Fremdsprachen und fuhren deshalb zunächst ins deutschsprachige Ausland nach Österreich und in die Schweiz, auch nach Mallorca.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich in der Leipziger Volkszeitung jedes österreichische Bundesland auf einer eigenen Seite vorgestellt habe. Und weil viele das Reisen vornehmlich als Gemeinschaftserlebnis kannten, fühlten sie sich dann besonders auf Busreisen heimelig.

Die Ostdeutschen haben sich nach dem Mauerfall vorgetastet, und die Reiseteile haben das begleitet.

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