Kolumne "Ende der Reise":Urlaub am Drehort

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Die Serie "Lupin" macht derzeit viele neugierig auf die Küste bei Étretat in der Normandie. (Foto: Charly Triballeau/AFP)

Streamingserien sind die neuen Reisekataloge: Die Zuschauer von heute sind die Besucher von morgen.

Glosse von Stefan Fischer

Nehmen wir das Nord-Pas-de-Calais - welch eine Entdeckung! Lange haben viele Franzosen die Region auf der erdabgewandten Seite des Mondes verortet und die Sprache der Bewohner gar für einen marsianischen Dialekt gehalten. Bis der Film "Willkommen bei den Sch'tis" sie und ein internationales Publikum eines Besseren belehrt hat. Seither erlebt der Tourismus im strukturschwachen Norden Frankreichs einen spürbaren Aufschwung. Beliebte Souvenirs sind neben einem Sch'ti-Bier offenbar die Ortsschilder des Drehortes Bergues.

Der positive Effekt von Filmen auf den Tourismus ist so alt wie das Kino selbst: Die Beliebtheit Heidelbergs bei Amerikanern geht nicht zuletzt auf expressionistische Stummfilme zurück, der Musicalfilm "The Sound of Music" wiederum beschert Salzburg bis in die Gegenwart Besucher aus den USA, obwohl er gefühlt bereits zu Lebzeiten Mozarts in die Kinos gekommen ist. Dass die Schweizer Alpen seit Jahrzehnten in Bollywood-Produktionen auftreten in der Rolle des Himalaya, macht sie attraktiv für indische Touristen.

Inzwischen sind anstelle der Filme die Serien der Streamingdienste getreten. Dubrovnik wurde überrannt, seit Zuschauer von "Game of Thrones" die Stadt in der Fantasy-Saga für sich entdeckt haben. Insofern muss dem Tourismus nicht bange sein, trotz der coronabedingt nach wie vor sehr kritischen Lage. Denn solange die Menschen nicht so viel reisen können wie gewohnt, schauen sie die Mediatheken leer. Und dieses Serienpublikum von heute ist der Touristenstrom von morgen.

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In Frankreich macht sich dieser Mechanismus jetzt schon bemerkbar: Sowohl "Emily in Paris" als auch "Lupin" - beide Serien sind während der Corona-Krise gestartet - locken ausländische Urlauber an ihre Schauplätze. In der Hauptstadt profitieren davon vor allem ein Restaurant und eine Buchhandlung. Das Seebad Étretat in der Normandie wiederum verbucht so viele zusätzliche Gäste, dass Umweltschützer bereits vor einer Überlastung der nahen Kreidefelsen warnen.

Beide Orte sind prädestiniert für Tourismus. Wie sieht es aber hierzulande aus? Die Serie "Katakomben" zeigt weder idyllische Stadtansichten noch Strände, sondern die abstoßende Welt unter Münchens Hauptbahnhof. Mal wieder alles falsch gemacht? Wohl kaum, schließlich ist die Stadt auch bislang schon exzellent damit gefahren, als Ort des Totalabsturzes für sich zu werben - der Wiesn sei's gedankt.

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