Unterwegssein als Alltag:Der Weltrentner

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Vom Kamelrennen in Abu Dhabi zum Strand von Bora Bora: Peter Schiffer reist mit seiner Frau seit drei Jahren um die Erde. Dabei versucht er, dem Alltag der Einheimischen so nahe wie möglich zu kommen.

Interview von Stefan Fischer

Mit 63 Jahren ist Peter Schiffer in den Ruhestand gegangen. Seither bereist der 66-jährige Rheinländer, der zuletzt eine eigene PR-Agentur hatte, mehrere Monate im Jahr die Welt. Seine Frau Andrea, 61, begleitet ihn. Sie arbeitet noch - auch von unterwegs. Schiffer betreibt den Blog weltrentner.com, eine Mischung aus Reisebericht und Ratgeber. Ein Gespräch über das Unterwegssein als Alltag.

SZ: Herr Schiffer, seit mehr als drei Jahren sind Sie als Weltrentner unterwegs, gemeinsam mit Ihrer Frau. Wie haben sich Ihre Reisen dadurch verändert?

Früher bin ich mit dem Rucksack losgezogen, inzwischen habe ich einen Koffer dabei. Aber der entscheidende Unterschied ist, dass wir länger an einem Ort bleiben. Die Reisen sind jetzt Teil unseres Alltags. Meine Frau arbeitet von unterwegs, sie ist Online-Business-Coach für Kosmetikerinnen. Das heißt, sie braucht stabiles Wlan und ein Zuhause auf Zeit, in dem sie sich wohlfühlt. Man kann nicht in einer Dunkelkammer übernachten und von dort aus Kundinnen in Deutschland coachen.

Sie erkunden die Städte tagsüber also oft alleine?

Wenn meine Frau arbeitet, mache ich meine Recherchen für den Blog. Ich möchte aber auch nicht jeden Tag unterwegs sein. In den meisten Quartieren haben wir einen Pool oder auch ein Fitnessstudio. An manchen Tagen setze ich mich bloß ins Café oder trinke im Pub ein Bier und komme mit den Leuten ins Gespräch. Wir gehen einkaufen, treffen Freunde. Deshalb suchen wir uns in der Regel eine Unterkunft über Airbnb, in einer Wohnung haben wir mehr Platz und können auch mal jemanden einladen. Es geht uns nicht darum, Sehenswürdigkeiten abzuhaken, sondern uns in den jeweiligen Städten zu sozialisieren. Und das zu machen, worauf wir Lust haben.

Was wäre das?

In Abu Dhabi bin ich in die Welt der Kamelrennen eingetaucht. Ich war der einzige Ausländer auf der Rennbahn. In Sydney wollte ich unbedingt mehrmals ins Opernhaus, um Aufführungen zu sehen. Dafür habe ich die klassische Führung auf die Bögen der Harbour Bridge ausgelassen. Das hat einige Freunde irritiert. Ich habe aber nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben.

Wie lange bleiben Sie in einer Stadt?

Kapstadt ist seit mehr als 20 Jahren meine Lieblingsstadt, auch meine Frau hat ihren persönlichen Draht gefunden. Im ersten Weltrentnerjahr waren wir drei Monate dort, 2017 weitere sechs Wochen und soeben noch einmal für fünf Wochen. Sehr oft bleiben wir einen Monat: in Lissabon und Porto, in Melbourne und Montreal. In Französisch-Polynesien waren wir indes immer nur ein paar Tage auf einer Insel.

Weil es dort zu schnell eintönig wird?

Vier Wochen auf Bora Bora wären eine Herausforderung. Im Auto sind Sie in einer reichlichen Stunde um die Insel rum. Sie haben das Wasser, die Strände und ein paar Restaurants. Mehr ist da nicht.

Aber Sie haben doch ein Faible fürs Meer?

Städte am Wasser sind einfach schön, weil sie dieses Element der Weite haben. Auch an Flüssen entlang spaziere und jogge ich unglaublich gerne. Diese Verbundenheit mit dem Wasser ist für mich eine hohe Lebensqualität. Wir machen aber auch Ausnahmen: In diesem Jahr wollen wir nach Madrid und Santiago de Chile.

Wie schnell können Sie sich auf eine neue Stadt einstellen?

Bei mir geht das ganz rasch, meine Frau braucht ein bisschen länger. Wobei die Unterschiede schon gravierend sein können. In islamischen Ländern gibt es zum Beispiel nicht diese Outdoor-Kultur wie in der westlichen Welt - auch wegen des Klimas. Sie bewegen sich eigentlich nur in Hotels und Malls und kommen mit den Einwohnern nur schwer ins Gespräch. Davor waren wir in Kapstadt, das war ein vollkommen anderes Leben.

Fällt es Ihnen leicht, Bekanntschaften zu schließen?

Über den Lions Club und die Expat-Organisation Inter Nations knüpfen wir schnell Kontakte. Das ist die schönste und beste Art, Leute kennenzulernen. Wir suchen auch immer nach einer Wohnung im Zentrum. Dadurch sind wir direkt im Leben, gehen öfter aus.

Auf gute Unterkünfte legen Sie viel Wert?

Ja, dementsprechend strapazieren sie unser Budget auch sehr. Die Lebenshaltungskosten fallen nicht ins Gewicht, die sind mal höher, mal niedriger als in Deutschland. Auch die Reisekosten tun nicht richtig weh. Wir haben ein kleines Reisebüro, die haben für uns tolle Flüge bei der Weltreise rausgesucht. Die Unterkünfte sind das Teuerste. Aber das ist eine Stellschraube, an der man je nach Budget drehen kann. Um die Welt zu reisen, ist primär eine Frage der Persönlichkeit, nicht des Budgets. Das hat so viele Variablen, je nachdem, wo in einer Stadt Sie wohnen, ob Sie sich einen Mietwagen nehmen, wie oft Sie ins Restaurants gehen.

Kochen Sie gerne?

Nein, eigentlich nicht. Restaurantbesuche sind bequemer, es geht auch schneller, als sich selbst in die Küche zu stellen und dann auch noch abzuwaschen.

Wie finanzieren Sie die Reisen?

Wir haben das Einkommen meiner Frau, meine Rente und Vermögensanlagen.

Lässt sich das soziale Netz zu Hause aufrechterhalten, wenn man so viel unterwegs ist?

Das geht ganz gut. Wir verbringen ja etliche Wochen im Jahr in Düsseldorf. Auf Reisen halten wir über soziale Medien den Kontakt, und wir ermuntern Freunde auch, uns unterwegs zu besuchen.

Wie rasch werden Sie sich einig mit Ihrer Frau, wo es als Nächstes hingehen soll?

Erstaunlich schnell. Im Grunde genommen überlässt sie mir die Planung. Bei der Weltreise wollte sie lediglich unbedingt, wenn wir schon über Ozeanien fliegen, nach Französisch-Polynesien - Bora Bora ist ein Traum von ihr. Das Einzige, dem sie sich bislang noch verweigert, ist Indien. Das ist verständlich, Frauen und Indien ist ein Thema, Sauberkeit auch. Ich würde gerne einmal hin.

Gibt es umgekehrt Ziele, die Sie nicht reizen?

Mich zieht nichts in den zentralen Bereich von Afrika. Ich wüsste nicht, was ich in Kongo oder Mali oder Sudan machen sollte. China ist sehr interessant, womöglich kann meine Frau dort aber nicht arbeiten wegen der Einschränkungen des Internets und der sozialen Medien. Dann fiele das raus.

Bedauern Sie es manchmal, nach vier Wochen wieder abzureisen?

Manchmal schon, aber wir können ja zurückkehren. Auf unserer Weltreise waren wir nur zehn Tage auf Tasmanien, haben bloß den Süden gesehen. Dort ist es so schön, und wir haben uns so wohlgefühlt, dass ich zu meiner Frau gesagt habe: Lass uns mal für drei Monate nach Hobart. Montreal, wo wir zur Herbstzeit waren, würden wir gerne mal im Winter erleben. Wir haben viel darüber gehört, was da los ist, trotz minus 30 Grad.

Sie müssen also keineswegs nach einem Monat durch sein mit einer Stadt?

Überhaupt nicht. Und in die Zukunft gedacht: Irgendwann können wir vielleicht nicht mehr acht Monate permanent reisen, auch wenn wir jeweils vier Wochen an einem Ort bleiben. Vielleicht bietet sich dann an, dass wir für längere Zeit in die Orte zurückkehren, die wir besonders schätzen: Kapstadt, Montreal, Lissa- bon. Mal sehen. Im Moment haben wir noch einen dynamischeren Lebensstil.

© SZ vom 30.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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