Unsichere Pools in Hotels:Baden unter Lebensgefahr

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Ansaugpumpen in Hotelpools können einen tödlichen Sog entwickeln, mehrere Kinder starben bereits. Nun schult der Deutsche Reiseverband eilig Pooltester, die in Ferienhotels nach dem Rechten schauen sollen - mit Meterstab und einem Stück Teichfolie.

Monika Maier-Albang

Sie tragen ihn jetzt immer bei sich, in Gedanken ohnehin, aber auch für alle sichtbar. An ihrer Umhängetasche hat Ulrike Göb einen Sticker mit dem Namen ihres Sohnes befestigt. Und der Vater, Alexander Göb, hat sich den Namen seines toten Kindes auf den linken Arm tätowieren lassen: Lucas.

Pumpen im Schwimmbecken werden lebensgefährlich, wenn ihr Sog zu stark ist oder die Schutzgitter locker sind. (Foto: mediawuke - Fotolia)

Lucas Göb starb am 13. Oktober vergangenen Jahres auf Fuerteventura; die Ansaugpumpe im Pool des Hotels Sunrise Monica Beach hatte den Achtjährigen unter Wasser gehalten. Ein Gast war ihm noch zur Hilfe gekommen, doch allein gelang es dem Mann nicht, den Jungen von dem Rohr wegzuziehen - so stark war der Sog.

Das Ehepaar aus Hessen klagt nun gegen den Betreiber des Hotels, das Reiseveranstaltern längst negativ aufgefallen war. Zwei Pool-Unfälle hatten sich dort ereignet, bevor Lucas verunglückte. Geändert hatte das nichts. Und Lucas' Schicksal ist kein Einzelfall. 2011 ertranken zwei weitere Kinder aus Deutschland in Hotel-Pools mit defekten Pump-Anlagen: im Juli eine 13-Jährige in einem bulgarischen Ferienort, im August eine Elfjährige in der Türkei.

Und nun stehen die Göbs wieder an einem Pool, auf Mallorca diesmal. Das Ehepaar hat nach Lucas' Tod den Verein "Sicherheit in Hotelpools" gegründet, der vom Fernsehsender RTL unterstützt wird ( www.sichererpool.de). Poolsicherheit sei ein Ziel, das der Deutsche Reiseverband (DRV) teile, sagt DRV-Geschäftsführer Hans-Gustav Koch. In der Anlage auf Mallorca sollen deshalb heute Pooltester geschult werden, im Auftrag des DRV. Die Göbs hatten gebeten, dabei sein zu dürfen.

Ein halber Schulungstag soll genügen

Eine Handvoll Männer und Frauen nehmen an der Schulung teil. Die meisten arbeiten schon im Tourismusgeschäft. Aber es hätten sich auch Bäcker oder Ingenieure auf die Ausschreibung gemeldet, sagt Koch. Viele haben Berichte über Lucas gelesen. Auch sie wolle helfen, dass so etwas nicht noch einmal passiert, sagt Petra Lohowski. Sie hat einen Sohn und arbeitet ehrenamtlich im Sterbehospiz. Nun will sie Pooltesterin werden.

Ein halber Schulungstag, dann sollen die Tester die verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen, in der Türkei, in Spanien, in Ägypten. Zunächst will der DRV in diesem Sommer 400 Familienhotels in Spanien testen, dazu 700 in der Türkei. Dass das nur ein Bruchteil der Pools ist, die es allein in den Haupturlaubsorten gibt, weiß auch Koch. Aber es sei, sagt er, zumindest "ein Anfang".

Bislang nämlich gibt es kein effektives Kontrollsystem für Pool-Anlagen in Ferienorten. Zwar halten die meisten Reiseveranstalter ihre Reiseleiter an, die Pools in den Anlagen zu inspizieren. Allerdings kann ein Reiseleiter einen Pool nur von außen in Augenschein nehmen. Ob der Sog einer Ansaugpumpe zu stark ist, ob das Gitter über den Absaugrohren fehlt, verbogen ist, lose sitzt, lässt sich so nicht feststellen. Die neuen Pooltester müssen deshalb tauchen können.

Im Grunde klingt es einfach, was sie prüfen sollen: Sitzt das Gitter fest oder ist es locker? Ist es aus Kunststoff und schon porös? Kann ein Kinderfinger durch die Ritzen greifen und sich möglicherweise so im Gitter verfangen oder es lösen? Sind genügend Ansaugrohre vorhanden? Denn ein zu starker Sog kann auch dadurch entstehen, dass über ein einzelnes Rohr zu viel Wasser aus dem Pool entnommen wird.

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Vor allem bei Pools mit hohen Rutschen müssen die Pumpen eine enorme Leistung erbringen. Sind hier zu wenig Ansaugstellen vorhanden oder in Betrieb, wird es gefährlich. Lebensbedrohlich ist ein Pool auch, wenn das Gitter über einer Ansaugstelle fehlt - wie bei dem Jungen aus Großbritannien, der in Tunesien ertrank. Der Zwölfjährige hatte mit der Hand in ein offenes Ansaugrohr gefasst; seine Taucherbrille war wohl hineingezogen worden. In der Panik konnte der Junge seinen Unterarm nicht mehr aus dem Rohr befreien.

Geschult werden die ersten Pool-Tester von dem Hannoveraner Bauinspektor Peter Gansloser, dessen Ingenieurbüro spezialisiert ist auf Bäder-Sicherheit. Gansloser bildet zudem Trainer aus, die später im Schneeballsystem weitere Tester anlernen sollen. Wie viele es einmal geben wird, ist noch offen.

Nach einer theoretischen Einführung geht es an den Übungspool, wo die künftigen Tester sich zunächst von außen einen Überblick über die Ansaugstellen verschaffen. Im Wasser bestimmen sie dann mit einem Meterstab Schlitz- beziehungsweise Lochgröße der Gitter. Und sie prüfen mit reißfester Teichfolie, wie stark das Wasser angesogen wird - die Folie müsse sich leicht wieder abziehen lassen, erklärt Gansloser. Bei der Übung ist die Folie stets mühelos zu entfernen, obwohl der Hotel-Techniker versucht, den Ernstfall zu simulieren. Man ist halt in einem Vorzeige-Pool.

"Ausbaufähig" nennt denn auch Alexander Göb die Ausbildung, die tatsächlich ein bisschen den Eindruck hinterlässt, als würden die Tester ins kalte Wasser gestoßen. Die Ausrüstung sei "mager", sagt Göb; er habe Zweifel daran, dass die Tester "im Ernstfall sicher Leben retten können". Was Gansloser anders sieht. Sobald die Tester einmal unterwegs seien, sagt er, würden sie ja rasch Erfahrungen sammeln.

Entscheidung gegen TÜV-Kontrolle aus Kostengründen

Allerdings hat Olaf Seiche vom TÜV Rheinland den Eindruck, dass der DRV es sich ein bisschen zu einfach macht. Wenn Seiche Pools kontrolliert, deren Betreiber sich freiwillig einem Test unterziehen, hat er ein Volumenstrommessgerät dabei, eine Sonde, die die Ansauggeschwindigkeit exakt bestimmen kann. Und er macht den "Haarfangtest": Er bringt ein Büschel Naturhaar an die Ansaugdüse und prüft, ob sich offenes langes Haar so verheddern kann, dass ein Kind unter Wasser gehalten wird. Die Ansauggeschwindigkeit lasse sich nicht erfühlen, nur ausrechnen oder mitmilfe der Sonde messen, sagt Seiche. Der TÜV Rheinland hatte dem DRV angeboten, im Auftrag des Verbandes Familienhotels zu testen - mehr als 100.000 wären es, weltweit. Aus Kostengründen habe sich der DRV gegen den TÜV entschieden, sagt Seiche. Was Koch bestätigt.

Seiche fordert schon lange, Schwimmbecken in Hotel- und Ferienanlagen nach dem in Deutschland geltenden Standard zu zertifizieren und ein Gütesiegel zu vergeben. Bislang schrecken die Reiseveranstalter davor zurück - wohl aus Angst vor Klagen. In dem Moment nämlich, in dem ein Hotel bei der Zertifizierung durchfiele, müssten die Veranstalter sofort ihre Kunden in andere Hotels bringen.Die Pooltester-Initiative könnte zwar ein Schritt in Richtung Zertifizierung sein, sagt DRV-Geschäftsführer Koch. Noch aber sei man nicht so weit.

Also jetzt die Light-Variante. Die Tester werden ihre Ergebnisse in eine Checkliste eintragen, die sie vom Hotelier abzeichnen lassen. Werden Mängel festgestellt, die die Tester mit einer kleinen Unterwasserkamera festhalten, soll der Hotelier aufgefordert werden, sie zu beheben. Die Verantwortung liege jedoch letztlich beim Hotelier, sagt Koch. Ändert er nichts, können die Veranstalter Druck ausüben, indem sie ihre Buchungen zurückziehen. Das könnte, wenn die Veranstalter es denn tatsächlich tun, auch Wirkung zeigen. Immerhin unterstützen die vier großen deutschen Veranstalter - Tui, Thomas Cook, Rewe-Reisen und FTI - die Pooltester-Initiative.

Er freue sich, sagt denn auch Alexander Göb, "dass sich jetzt endlich etwas bewegt und die Reiseveranstalter das Thema offenbar ernst nehmen". Nur noch etwas ernster, wäre ihm lieber. Die Göbs arbeiten gerade an einem eigenen Prüfsiegel. Wenn der Reiseverband keines vergeben will, haben sich Lucas' Eltern gesagt, dann tun sie es eben.

© SZ vom 21.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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