Süddeutsche Zeitung

Unesco-Titel 2019:Neu im Welterbe-Club

Deutschland freut sich über zwei Titel, insgesamt gibt es 29 Neuzugänge: etwa auf Gran Canaria sowie nahe Lissabon, auch ein "Game-of-Thrones"-Drehort wird zum Welterbe.

Es gibt einzigartige Orte auf der Welt, die für eine Region stehen, für ihre Geschichte oder auch den Einfallsreichtum von Einzelnen. Diese Gebäude, Regionen oder ganze Landstriche sollen daher nicht nur gewürdigt, sondern für die ganze Menschheit als kulturelles Erbe erhalten bleiben. Daher verleiht die Unesco den begehrten Welterbe-Titel, der nicht nur Ruhm, Ehre und Touristen mit sich bringt, sondern auch Auflagen. Nun dürfen sich auch diese 29 Orte zum Welterbe zählen - darunter sind zwei deutsche Stätten. Auf den folgenden Seiten finden Sie eine Auswahl, von Spanien bis Irak. Jaipur in Indien Die "rosarote Stadt" ist bei Touristen bereits beliebt, sowohl indischen als auch ausländischen, die gemeinsam etwa die Amber-Festung (im Bild) besichtigen - nur eine der Palastanlagen in und nahe der Hauptstadt des nördlichen Bundesstaats Rajasthan. Erst 1727 wurde Jaipur als neue Kapitale angelegt - den rosaroten Anstrich erhielt die Altstadt gut 150 Jahre später als Willkommensgeste: Die traditionelle Farbe der Gastlichkeit wurde aufgetragen, um den damaligen Prinz von Wales, Albert Eduard, gebührend zu empfangen. Dass auch spätere, weniger adelige Besucher davon begeistert sein würden, war damals wohl nicht abzusehen. Doch nicht nur die Farbe sticht heraus, sondern vor allem die Mischung aus hinduistischen, mogulischen und zeitgenössisch westlichen Ideen, die in der Architektur aufgegriffen wurden.

Augsburger Wasserwerke und Montanregion Erzgebirge, Deutschland Schüler des Gymnasiums Marienberg freuen sich ordentlich über den Welterbetitel, den die Unesco dem sächsischen Erzgebirge (gemeinsam mit der Montanregion Krušnohoří in Tschechien) verliehen hat - und auch in Augsburg wird gefeiert: Es wurde für sein nachhaltiges Wassermanagement ausgezeichnet, das das Stadtbild nicht nur mit Prachtbrunnen schmückt, sondern auch vorbildlich durchdacht ist. So gab es bereits seit 1545 eine strikte Trennung von Brauch- und Trinkwasser - zu einer Zeit, als die Bedeutung dieser Hygiene für die Gesundheit der Stadtbevölkerung kaum bekannt war. Mehr zu den erfolgreichen neuen Welterbestätten in Deutschland und zum gescheiterten Antrag "Donaulimes" lesen Sie hier; alle 46 Unesco-Orte in Deutschland finden Sie hier auf der interaktiven Karte.

Architektur des 20. Jahrhunderts von Frank Lloyd Wright, USA Von Anerkennung und Ruhm träumt wohl jeder, der Gebäude entwirft. Aber dass er damit zum Welterbe der Menschheit beitragen würde, das hätte sich wohl nicht einmal Frank Lloyd Wright träumen lassen. Doch seine Werke haben die moderne Architektur in Europa so stark beeinflusst, dass die Unesco nun acht seiner Gebäude den Titel verlieh; darunter ist das Guggenheim-Museum in New York mit seiner berühmten Rotunde. Auch in den anderen Häusern ließ Frank Lloyd Wright (1867-1959) Stahl und Beton leicht und organisch wirken und verband zugleich das Innen mit dem Außen.

Nationalpark Vatnajökull, Island Der Titel des Unesco-Antrags kommt Game of Thrones-Fans schon sehr bekannt vor: "Vatnajökull - dynamische Natur von Feuer und Eis". Tatsächlich wurden einige Szenen mit Jon Snow auf dem Eis des Nationalparks gedreht, etwa am See Mývatn (wie dies aussieht, zeigt Reisefotografin Andrea David). Dies aber nur am Rande, denn den Unesco-Titel hat sich das gigantische Schutzgebiet, das etwa 14 Prozent von Island einnimmt, natürlich unabhängig von GoT verdient. In der Vulkanregion liegen acht Hauptkrater unterhalb von Gletschern und sorgen für ein durchaus gefährliches Naturspektakel: Vor einem "Jökulhlaup" (Gletscherlauf) hat sich Schmelzwasser nahe einem Vulkan unter dem Eis gesammelt. Beim nächsten Ausbruch stürzt der Stausee in einer Flutwelle hervor, ergießt sich in Täler und formt so die Landschaft.

Königliche Palastanlage von Mafra sowie das Heiligtum des Bom Jesus do Monte in Brage, Portugal Auch in Portugal darf man sich wie in Deutschland über zwei neue Welterbe-Titel freuen. Nur 30 Kilometer nordwestlich von Lissabon liegt der royale Gebäudekomplex von Mafra (im Bild), den João V. im Jahr 1711 im Barockstil entwerfen ließ. Er brachte dort unter, was man als König eben so braucht: einen Palast, Basilika und Kloster, den geometrisch angelegten Cerco-Garten zum lustwandeln und das Jagdrevier, die Tapada, für noch mehr Abwechslung. Eine riesige Bibliothek darf auch nicht fehlen, schließlich wollte König Johann mit dem Bau seine Vorstellung von Monarchie und Staat begreifbar machen. Weder Staat noch Königreich, jedenfalls kein wirklich irdisches, war das Vorbild für das Heiligtum des Bom Jesus do Monte in Nordportugal. Das ebenfalls barocke Heiligtum ist im Stil der "Sacri Monti" angelegt. Wie eine Nachbildung des heiligen Berges samt Kirche in Jerusalem erhebt es sich über der Stadt Braga. In sechs Jahrhunderten wurde unter anderem der Kreuzweg hinauf zur Anhöhe von Espinho mit imposanten Monumentaltreppen gestaltet. Kapellen zeigen die Passion Christi, dazwischen erfreuen sich die Besucher an Springbrunnen und Barockgärten.

Risco Caído und die Kulturlandschaft der heiligen Berge von Gran Canaria, Spanien Klippen, Schluchten und von Vulkanen geformtes Gelände prägen den Risco Caído im Zentrum der Insel. Hier entwickelte sich abgeschieden in Höhlensiedlungen eine Kultur, die vor 2000 Jahren mit der Ankunft der nordafrikanischen Berber begann und mit der Besiedlung durch Spanier im 15. Jahrhundert endete. Heute sind in den Höhlen unter anderem noch Getreidespeicher und Zisternen zu sehen, aber auch zwei als heilig geltende Tempel, die Almogarenes: Historiker vermuten, dass den Sternen und "Mutter Erde" gehuldigt wurde - was Wanderer nicht überrascht, wenn sie einmal den klaren Blick auf die Milchstraße von hier aus genießen durften.

Hyrkanische Wälder, Iran Märchenhaft klingt der Name dieser Laubwälder, die sich 850 Kilometer an der Südküste des Kaspischen Meeres entlangziehen. Hier streift der Persische Leopard umher, doch ist vor allem die Pflanzenvielfalt bemerkenswert: Mehr als 40 Prozent aller iranischen Gefäßpflanzen (wie etwa Farne) wachsen in den Hyrkanischen Wäldern, die nur sieben Prozent des Landes bedecken. 180 Vogelarten leben hier sowie knapp 60 Säugetierarten.

Babylon, Irak Zwei der sieben Weltwunder der Antike waren hier zu finden: die Hängenden Gärten und die Festungsmauern von Babylon. Wer zwischen 626 und 539 vor Christus ins Zentrum des Neubabylonischen Reiches wollte, an den Euphrat, wo Herrscher wie Nebukadnezar regierten, der musste nach Babylon. Heute geben die Überreste von Stadt und Paläste nur einen Eindruck davon, wie glorreich die Vergangenheit dieser ältesten Metropole der Welt war. Vom legendären Turm zu Babel ist nur noch das Fundament erhalten. Und das 2600 Jahre alte, blaue Ischtar-Tor ist nicht im Irak, sondern auf der Berliner Museumsinsel zu bewundern - es war 1927 vom deutschen Archäologen Robert Koldewey dorthin transportiert worden.

Jodrell-Bank-Observatorium, Großbritannien Nicht das Idyll mit Schafen, sondern tatsächlich die weiße Riesenschüssel zählt nun zum Welterbe der Menschheit. Denn diese blickt beziehungsweise horcht damit über ihren eigenen Tellerrand hinaus: Jodrell Bank im ländlichen Nordwesten Englands bietet dafür beste Voraussetzungen, da es hier kaum Störgeräusche gibt. Von 1945 an wurde in dem Observatorium für Radioastronomie kosmische Strahlung erforscht, und auch heute noch sind die Radioteleskope in Betrieb. Erforscht werden etwa Meteoriten, der Mond und Quasare - also die aktiven Kerne einer Galaxie. Mit dem Übergang von der traditionellen optischen Astronomie zur Radioastronomie verstanden die Menschen den Kosmos ein wenig besser.

Bagan, Myanmar Wenn es in einem Reich besonders fromm zugeht, profitieren oft nachfolgende Generationen. So auch in Bagan, das als heilige Landschaft gilt. Auf jeden Fall ist am Fluss Ayeyarwady eine außergewöhnliche Bandbreite an buddhistischer Kunst und Architektur zu bewundern. Diese ist vor allem in der Hochzeit der Bagan-Zivilisation vom 11. bis 13. Jahrhundert entstanden: In acht Teilgebieten sind Stupas und Skulpturen, Tempel und Klöster und Fresken zu sehen.

Kulturlandschaft Budj Bim, Australien Mit dem Welterbe-Titel dürfte sich die Zahl derjenigen erhöhen, die wissen, dass eines der ältesten Aquakultursysteme der Welt in Australien von einer Gruppe der Aborigines errichtet wurde: den Gunditjmara. Mit dem Lavagestein des Budj-Bim-Vulkans legten diese Einwohner Australiens Deiche sowie Kanäle an und züchteten in Teichen den Kurzflossenaal, den sie mit Reusen fingen. Diese Wasserwirtschaft sichert den Menschen seit 6000 Jahren Lebensraum und -grundlage.

Die Hügel des Prosecco zwischen Conegliano und Valdobbiadene, Italien Dass Prosecco ein für die Menschheit bewahrenswertes Gut ist, war für etliche Genusstrinker schon lange klar. Bei dem Welterbe-Titel geht es aber mehr um die Kulturlandschaft im Nordosten Italiens: Über Jahrhunderte formten Menschen die Natur, um sie bewirtschaften zu können. Vom 17. Jahrhundert an legten sie enge Terrassen an, die Ciglioni. Darüber und über die steilen Hänge der Hügel ziehen sich die Weinreben mal parallel, mal vertikal.

Die weiteren Stätten der weltweit 29 Neuzugänge auf der Welterbe-Liste finden Sie hier - darunter Hügelgräber in Alt-Japan, Steininschriften in Kanada, russische Kirchen, ein Watt-Schutzgebiet für Zugvögel am Gelben Meer in China. Und das einst kaiserliche Gestüt für Kladruber in der Tschechischen Republik, die bei den Habsburgern besonders als Kutschpferde beliebt waren. Diese "Landschaft für die Zucht und Dressur von zeremoniellen Wagenpferden in Kladruby nad Labem" ist die 1111. Welterbestätte weltweit.

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