Umstrittener Walfang:Strandschlachten auf den Färöern

Färöer, Nordatlantik, Atlantik

Die Färöer - eine ihrer Traditionen sorgt für viel Protest.

(Foto: Jonathan Nackstrand/AFP)

Die Färöer sind ein beliebtes Ziel für Kreuzfahrtschiffe, obwohl die Bewohner an einer umstrittenen Tradition aus der Zeit der Wikinger festhalten. Jedes Jahr werden auf den Inseln Grindwale getötet - dabei wird vom Verzehr des Fleisches abgeraten.

Von Eva Thöne

Die Klippen an der Nordküste der Insel Eysturoy heben sich als wild gezackte Scherenschnitte in den klaren Abend. Und dann lösen sie sich langsam in einer Nacht auf, die so klar und tief ist, dass einem ganz schwindlig wird bei der Suche nach immer neuen Sternen. Bis zur isländischen Küste sind es 500 Kilometer. Und weil auf den 18 Inseln im nordatlantischen Niemandsland nur knapp 50 000 Menschen leben, bleibt der Nachthimmel dunkel genug.

Wenige Menschen und unberührte Natur. Eigentlich müssten die Färöer die Erwartungen jedes skandinaviensehnsüchtigen Urlaubers mehr als erfüllen. Aber wer "Färöer" googelt, findet unter den ersten Treffern nur wenige naturselige Bilder von Papageitauchern, die in den Sommermonaten zu Hunderttausenden auf den Inseln nisten. Zu sehen sind vor allem Bilder, auf denen tote Grindwale am Strand liegen. Und Fotos von Männern, die bis zu den Knien durch blutgefärbtes Meerwasser waten. Ungefähr 800 Tiere der schwarzen Delfinart töten die Färinger jedes Jahr, im Kampf Mann gegen Tier. Die färöische Busfahrerin, mit der man sich unterhält, sieht das ganz nüchtern: "So ist das Leben: Wenn du etwas essen willst, musst du es töten."

Grindadráp heißt der traditionelle Grindwalfang, den die Färinger noch heute betreiben - und gegen den Tierschützer regelmäßig protestieren. Manche mit Appellen, andere mit Aktionen. Vor zwei Wochen wurden auf der Insel Sandoy 14 Aktivisten der Tierschutzorganisation Sea Shepherd festgenommen und eine Nacht lang inhaftiert, weil sie versucht hatten, die Färinger an der Jagd zu hindern. Die 33 Grindwale, die sie retten wollten, wurden getötet.

In Deutschland fordern Walschützer schon länger von Kreuzfahrtunternehmen, die Färöer zu boykottieren. Hapag-Lloyd löschte vor Kurzem kritische Kommentare von einer eigenen Facebook-Seite, diese hätten wüste Beschimpfungen gegenüber den Färingern und dem Unternehmen enthalten. Tui Cruises, Hapag-Lloyd und Aida fahren die Inseln in diesem Jahr je zweimal an. Keines der Unternehmen will auf den Halt verzichten, trotzdem beziehen sie Stellung gegen die Waljagd, vor allem aus Imagegründen. Hapag-Lloyd Kreuzfahrten sprach sich in einem offenen Brief an den färöischen Premier, Kaj Leo Johannesen, gegen den Walfang aus. Schon im vergangenen Jahr schrieb auch Monika Griefahn, die bei Aida den Bereich Umweltschutz und Nachhaltigkeit leitet, an Johannesen. "Seitdem stehe ich in Kontakt mit führenden Regierungsvertretern", sagt Griefahn. "Im Moment können wir uns leider nur darauf einigen, dass wir uns nicht einig sind."

"Unsere Vorfahren haben sich selbst versorgt"

Grindwale gelten als nicht vom Aussterben bedroht, der Bestand der Art wird im nördlichen Atlantik zwischen Island und den Färöern auf mehr als 100 000 Tiere geschätzt. Gegner kritisieren am Grindadráp dann auch vor allem die Art der Tötung. Die soll für die Tiere qualvoll sein. Wenn eine Gruppe von Grindwalen in Nähe der Küste gesichtet wird, werden sie mit Motorbooten in einer Bucht zusammengetrieben. Die dort wartenden Männer versuchen, die bis zu acht Meter langen Tiere zu fangen, indem sie ihnen Metallhaken ins Blasloch stoßen. Am Strand wird die Halsschlagader mit einem Messer durchtrennt.

Die Jagd und ihre Methode geht auf den Färöern zurück in die Zeit, als Wikinger die Inseln besiedelten, Orangen und Erdbeeren noch nicht aus Südeuropa importiert wurden und es keinen Supermarkt gab. "Unsere Vorfahren haben sich selbst versorgt", sagt Bergur Samuelsen, der als Lehrer in der färöischen Hauptstadt Tórshavn arbeitet. Die Färöer entstanden vor 60 Millionen Jahren aus vulkanischem Gestein. Bäume können in dem Basaltboden kaum wurzeln; außer Rhabarber und Kartoffeln lässt sich kaum etwas anbauen. Das vitaminreiche Fleisch der Wale war früher notwendige Nahrung. "Autarkie hat für uns bis heute eine besondere Bedeutung", sagt Bergur Samuelsen. "In Spanien werden bei Stierkämpfen Tiere der Ehre wegen getötet. Die Grindwaljagd ist anders. Wir nutzen die Natur."

Bis heute wird das Fleisch nach einem alten Verteilungsschlüssel unter den Färingern aufgeteilt. Jedoch warnt selbst die färöische Gesundheitsbehörde die Einwohner davor, es dann auch zu essen. Durch die Verschmutzung der Meere haben sich Quecksilber und PCB in den Walen festgesetzt. Trotzdem behaupten noch immer manche Färinger, dass das Fleisch so nahrhaft sei, dass es die Gifte ausgleiche. "Das Grindadráp wird aussterben", prophezeit Samuelsen.

"Nur Hiphop haben wir bislang nicht"

Immer mehr Färinger ziehen aus den kleinen Siedlungen in die Hauptstadt Tórshavn, wo es einen Burger King gibt, eine Shoppingmall und ein Sushi-Restaurant. Und eine besonders lebendige Musikszene: Jeden Sommer veranstalten die Inseln das Summartónar, ein großes Festival mit klassischer und moderner Musik. Im Laden der Plattenfirma "Tutl Records" in der Innenstadt von Tórshavn stapeln sich CDs mit färöischem Balladengesang, der von alten Mythen und Volksmärchen erzählt. Dazu wird auf den Färöern bis heute der Kettentanz getanzt, ein Reigen, der im restlichen Europa im Mittelalter ausstarb. "Viele Färinger sind hauptberuflich Fischer und nebenberuflich Musiker", sagt die Verkäuferin. Auch Death-Metal-Platten und Indie-Songwriting mit färöischem Text gibt es. "Nur Hip-Hop haben wir bislang nicht."

In der Nähe von Tórshavn bietet Óli Rubeksen färöische Küche an. Seine Fischbouillon schmeckt fabelhaft, das gesottene Hummerfleisch darin ist so leicht, als würde man eine Meeresbrise löffeln. "Vorhin frisch gefangen", sagt Rubeksen. Die Kartoffeln sind von seinem Land, die Lammblutwurst aus eigener Schlachtung. Das schwarze Grindwalfleisch, das ähnlich schmecken soll wie Rind, hat er nicht da. Aber er holt Speck vom Wal aus dem Kühlschrank, er schimmert rosa wie frischer Lachs. Rubeksen kaut und blickt dabei selig. Dabei schmeckt er für den Neuling eher unangenehm: gummiartig-fischig.

Anders als Samuelsen glaubt Rubeksen, dass es den Grindadráp noch lange geben wird. "Mein Sohn gehört zu der Café-Latte-Internet-Generation. Er kennt aber auch noch den alten Lebensstil und könnte sich selbst versorgen, wenn er müsste." Auch Rubeksen selbst lebt in beiden Welten: Sein Holzhaus mit den Panoramascheiben sieht auf zeitlose Art modern aus. Das Dach ist aus dämmendem Gras, wie bei vielen Häusern, die im alten Viertel von Tórshavn stehen. Touristen fahren auf die Inseln, um zu wandern. Aber auch Rennradfahrer haben die bergigen Inseln entdeckt.

Wenige Kilometer hinter Tórshavn beginnt eine buckelige Mondlandschaft mit vereinzelten Moosnestern. Und mit vielen Schafen. Auf den Färöern, den "Schafsinseln", soll es doppelt so viele Schafe wie Menschen geben. Die Einheimischen essen selbst gern Schaffleisch: als Braten an brauner Soße mit Blaukraut und Kartoffeln, als würziger Lammschinken, der durchzogen von weißen Fettbahnen auf dem Frühstückstisch wartet. "Wir importieren sogar Fleisch aus Neuseeland", sagt Bergur Samuelsen, der uns als Wanderführer begleitet. "Heute kann man nicht mehr überleben als Schäfer, aber viele Färinger halten sich Schafherden als Hobby und schlachten selbst." Die Wolle der färöischen Schafe ist kratzig, schützt aber besonders gut gegen Kälte und Feuchtigkeit.

Am Tag nach der Grindwaljagd auf Sandoy sitzen vier junge Menschen als letzte Gäste an einer Hotelbar in Tórshavn. "Ich kann nicht mitansehen, wenn sozial hochintelligente Tiere wie die Grindwale abgeschlachtet werden", sagt Erwin Vermeulen, schulterlange Locken, Müdigkeit im Blick nach einem anstrengenden Tag. Der Niederländer war schon zweimal mit Sea Shepherd auf den Inseln, um gegen die Grindwaljagd zu kämpfen. Seit mehr als zwei Monaten läuft die diesjährige Sea-Shepherd-Kampagne; zeitweise seien an die 100 Aktivisten auf den Inseln, sagt Vermeulen. Jeden Tag überwachen sie die 23 Buchten, in denen der Grindwalfang erlaubt ist. Früher wurde im Radio durchgesagt, wenn eine Grindwalschule gesichtet wurde. Heute verständigen sich die Färinger übers Handy. "Damit keine ungebetenen Gäste auftauchen", erklärt Samuelsen.

"Tradition endet da, wo Tiere oder Menschen leiden", sagt Erwin Vermeulen. Ein Mann, der an der Rezeption arbeitet, hat von Weitem mitgehört. Jetzt hält er es nicht mehr aus: "Die Grindwale haben in Freiheit gelebt und sterben in Sekunden. In anderen Ländern werden Hühner das ganze Leben in engen Legebatterien gehalten." Sei das etwa ein gutes Leben, fragt er. "Das ist auch schlimm", antwortet ein anderer Sea-Shepherd-Aktivist. "Es macht den Mord hier aber nicht besser." Der Rezeptionist zieht sich wieder hinter seinen Empfangstresen zurück. Die Spannung bleibt im Raum.

Informationen

Anreise: Mit dem Flugzeug ab Kopenhagen mit Atlantic Airways ab 270 Euro für Hin- und Rückflug, www.atlantic.fo; die Autofähre der färöischen Reederei Smyril Line fährt von Hirtshals in Dänemark nach Tórshavn, www.smyrilline.de.

Unterkunft: DZ im Gästehaus Gjáargarður in Gjógv auf Eysturoy gibt es ab 100 Euro/Nacht, www.gjaargardur.fo; DZ im Hotel Føroyar in der Hauptstadt Tórshavn ab 100 Euro, www.hotelforoyar.com.

Weitere Auskünfte: Offizielle Seite der Touristinformation: www.visitfaroeislands.com; Statistiken zum Grindwalfang veröffentlicht die färöische Regierung unter www.whaling.fo; Infos zum Schutz von Walen und Delfinen bietet z. B. die Wal- und Delfinschutzorganisation WDC unter www.whales.org.

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