Überleben bei Schiffsunglücken:Jeder ist sich selbst der Nächste

Frauen haben bei Schiffskatastrophen schlechtere Überlebenschancen als Männer, dies haben schwedische Forscher herausgefunden. Statt ritterlich zu helfen, dächten die meisten nur an sich selbst - allen voran die Crew.

"Jeder ist sich selbst der Nächste" statt "Frauen und Kinder zuerst" - so ließe sich das menschliche Verhalten bei Schiffskatastrophen umschreiben. Wie eine Untersuchung bei insgesamt 18 untergegangenen Schiffen zeigt, haben Frauen grundsätzlich schlechtere Überlebenschancen als Männer, Kinder gar die schlechtesten. Die Untersuchung lässt an einem weiteren beliebten Glauben zweifeln: dass Kapitän und Besatzung das sinkende Schiff zuletzt verlassen. Crewmitglieder überleben deutlich häufiger als Passagiere, berichten schwedische Forscher in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).

Der Glaube an die männliche Ritterlichkeit auf See wird vor allem durch den Untergang der Titanic gestärkt. Bei der Katastrophe starben mehr als dreimal so viele Männer wie Frauen. Einige Männer, die sich dem "Frauen und Kinder zuerst"-Befehl des Kapitäns widersetzten, sollen von der Crew erschossen worden sein. Ob das Titanic-Unglück 1912 eine Ausnahme oder die Regel war, ist kaum untersucht. Nur bei einem weiteren Schiffsunglück, dem Untergang der Lusitania im Jahr 1915, wurde bisher ermittelt, ob das Geschlecht die Überlebenschancen beeinflusste.

Mikael Elinder und Oscar Erixson von der Universität Uppsala werteten Daten von insgesamt 18 Schiffsunglücken aus, an denen mehr als 15.000 Menschen aus 30 Nationen beteiligt waren. Das Ergebnis ist eindeutig: Frauen haben bei maritimen Katastrophen nicht bessere, sondern schlechtere Überlebenschancen als Männer. Nur beim Titanic- und einem weiteren Untergang wurden anteilig mehr Frauen gerettet als Männer, bei elf Katastrophen war es genau andersherum.

Auf den Befehl des Kapitäns kommt es an

Die Überlebenschancen der Frauen stiegen, wenn der Kapitän den ausdrücklichen Befehl "Frauen und Kinder zuerst" ausgesprochen hatte. Dies war bei fünf Untergängen der Fall. Seit dem Ersten Weltkrieg schrumpft der Abstand bei den Überlebenschancen zwischen Frauen und Männern, berichten die Forscher weiter. Sie führen das auf das gestiegene soziale Ansehen der Frauen zurück und auf deren größere Selbständigkeit.

Die Geschwindigkeit des Untergangs oder die vorherige Länge der Reise beeinflussten die Überlebenschancen nicht. Schließlich räumt die Untersuchung noch mit einem weiteren Irrglauben auf - dem, dass vor allem die Briten auf See den galanten Retter geben. Tatsächlich sterben auf britischen Schiffen, die von einem britischen Kapitän und überwiegend britischer Besatzung geführt werden, besonders viele Frauen im Vergleich zu Männern. "Auf Grundlage unserer Analyse wird deutlich, dass der Untergang der Titanic außergewöhnlich in vielerlei Hinsicht war und dass das, was auf der Titanic geschah, eine Reihe von falschen Vorstellungen des menschlichen Verhaltens in Katastrophenfällen befeuert zu haben scheint", schließen die Wissenschaftler.

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