Tourismus:Ärger im Urlaubsparadies

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Ein leerer Strand im türkischen Urlaubsort Antalya (Foto: Marius Becker/dpa)

Die türkische Wirtschaft ist auf viele Touristen aus Deutschland angewiesen. Die Regierung ärgert es deshalb sehr, dass die Corona-Reisewarnung für sie länger gilt als für EU-Länder.

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Obwohl die Bundesregierung die Reisewarnung für mehr als 160 Nicht-EU-Staaten bis Ende August verlängert hat, hofft das Urlaubsland Türkei ab Mitte Juni - und damit bereits in wenigen Tagen - schon wieder auf deutsche Besucher. Staatschef Recep Tayyip Erdoğan wollte wegen der Reisewarnungen, unter die das Nicht-EU-Land fällt, sogar persönlich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonieren. Er sagte: "Ich gehe davon aus, dass Deutschland den Touristen, die in die Türkei kommen wollen, den Weg nicht versperren kann." Außenminister Heiko Maas hatte zuvor deutlich gewarnt: "Wir können, und wir werden nicht riskieren, dass im Sommer erneut Deutsche in aller Welt stranden oder Urlaubsrückkehrer das Virus unentdeckt nach Deutschland tragen."

Maas hatte bei der Ankündigung der verlängerten Reisewarnungen für Nicht-EU-Staaten hinzugefügt, dass man die Situation in den einzelnen Urlaubsstaaten permanent "auf den Prüfstand" stelle. "Dort - und nur dort - wo das Gesamtpaket aus positiver Pandemieentwicklung, einem stabilen Gesundheitssystem, stimmigen Sicherheitsmaßnahmen für den Tourismus und verlässlichen Hin- und auch Rückreisemöglichkeiten das zulässt, können wir möglicherweise früher von einer Reisewarnung zu Reisehinweisen zurückkehren."

Berlin hatte jüngst die Reisewarnung für 31 europäische Staaten aufgehoben. Neben den 26 EU-Staaten zählen dazu das aus der EU ausscheidende Großbritannien und die Schengenstaaten, die nicht zur EU gehören: Island, Norwegen, die Schweiz und Lichtenstein. Für diese Staaten gibt es nur noch "Reisehinweise". In diesen wird auf spezifische Risiken wie etwa Quarantäneregelungen verwiesen und von der Einreise möglicherweise abgeraten. Dies gilt zum Beispiel für Großbritannien.

Unterdessen zeichnet sich ab, dass die wegen der Corona-Krise eingeführten Grenzkontrollen innerhalb der EU bald ganz aufgehoben werden könnten. Nach Ansicht der EU-Kommission könnte dies schon bis Montag geschehen. Man sei in der vorteilhaften Situation, dass die Corona-Situation sich in allen Staaten stark verbessert habe, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson an die Adresse der EU- und Schengenstaaten.

Dies dürfte die Nicht-EU-Staaten zusätzlich irritieren. Die Ankündigung Erdoğans, bei Merkel anzurufen, ist dann auch Ausdruck der Enttäuschung des klassischen Urlaubslands, das bei den Deutschen in der Beliebtheitsskala an dritter Stelle steht, und in dem Tourismus ein bedeutender Wirtschaftsfaktor sowie eine der wichtigsten Devisenquellen ist. Die Türkei selbst ist bereits weitgehend zur Post-Corona-Normalisierung übergegangen. Alle Ein- und Ausreisebeschränkungen wurde aufgehoben, außer für Iran. Gesundheitsminister Fahrettin Koca hatte die Bürger aber aufgefordert, Vorsichtsmaßnahmen weiter einzuhalten: "Unsere schützenden Waffen sind Masken, Social Distancing und Handwaschhygiene."

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Der türkische Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy sagte, "was den Tourismus angeht, so gibt es kein Land, dass die Zertifizierung besser und zuverlässiger organisiert hat als die Türkei." Ersoy sagte weiter, Ankara habe das türkische Corona-Schutzkonzept in Briefen an die Regierungen der mehr als 60 Staaten, die die meisten Türkei-Touristen stellten, detailliert dargestellt. Am wichtigsten für die Türkei sei es nun, den Luftverkehr wieder zu normalisieren. Er solle im Juli stark ansteigen.

Kritik an der fortbestehenden Reisewarnung der Bundesregierung für Länder außerhalb der EU gab es von der deutschen Tourismusbranche. Diese kritisierte die Entscheidung als "nicht verhältnismäßig". Der Tourismus-politische Sprecher der FDP-Fraktion, Marcel Klinge, nannte die verlängerte Reisewarnung einen "Todesstoß für die deutsche Reisewirtschaft".

© SZ vom 12.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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