Süddeutsche Zeitung

Tschechien:Auftanken

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In Prag kann man ein Vollbad in einer nicht nur hier besonders beliebten Flüssigkeit nehmen. Und dabei so viel davon zapfen und trinken, wie man schafft.

Von Margit Kohl

Die Deutschen sind in vielem Weltmeister, beim Reisen, beim Fußball, nicht aber beim Biertrinken. Da bringen sie es jährlich gerade mal auf 107 Liter pro Kopf. Dagegen sind ihre tschechischen Nachbarn unangefochten Weltspitze: 144 Liter pro Einwohner wurden laut Statistik der Europäischen Brauereien 2014 in Tschechien getrunken. Neben bekannten Marken wie Pilsner Urquell und Budweiser werden in Tschechien etwa 550 weitere Biersorten gebraut. Da ist es kaum verwunderlich, dass die Bierkultur des Landes eine Philosophie für sich ist und die Biertradition sogar Bier-Spas hervorgebracht hat.

Schon seit dem Mittelalter sagt man den Bier-Bädern entgiftende und durchblutungsfördernde Wirkungen nach. Die Familienbrauerei Bernard betreibt zwei der größten Bier-Spas in Prag. Eines in der Nähe der Teynkirche, eines am Fügnerovo-Platz. Dort führen einen die Treppen hinunter zu den Umkleideräumen in die steinernen Kellergewölbe. Den Baderaum betritt man nur in ein Bettlaken gehüllt, dort schlägt einem Dampf wie in einer Waschküche entgegen. Diffuses Licht von der Decke stammt von einem Kristalllüster, der mit elektrischen Kerzen bestückt ist. Über drei Holzwannen wacht ein mannshoher Mönch in Kapuzenkluft, der nur schemenhaft zu erkennen ist. Badefrau Ivana Janekova stellt den geschnitzten Kerl als Heiligen Bernard vor, er ist der Schutzpatron des gleichnamigen Bierherstellers.

An die 350 Liter fasst so eine Wanne, in der bereits 37 Grad heißes Wasser wie in einem Whirlpool sprudelt. Weil dem Badewasser eine geheime Rezeptur aus Bieröl-Extrakten zugegeben ist, haben sich bereits ein paar Schaumberge gebildet. Und wo bleibt jetzt das Bier, Ivana? "In reinem Bier zu baden, wäre bei der großen Füllmenge nicht nur zu kostspielig. Erwärmter Alkohol würde auch wertvolle Hefekulturen zerstören", sagt die Expertin. In einer Schale bringt die 33-Jährige dann aber eine grüne Paste aus Hopfen- und Hefe-Essenzen und rührt den Brei in die Wanne. So landen zumindest die Bestandteile, aus denen Bier gebraut wird, im Badewasser. Etwa eine halbe Stunde darf man nun ungestört im grünen Blubberbad sitzen, das durchblutungsfördernd und gesund für Haut und Haare sein soll.

Das Beste am Bierbad ist für viele Gäste dann aber vermutlich doch mehr das Bier als das Bad. Denn bei der Bier-Wellness gehört zur äußeren auch die innere Anwendung. Aus dem Zapfhahn neben der Wanne darf man sein Bierglas so oft füllen, wie man will. Weshalb ein Bier-Spa meist eine gesellige Angelegenheit ist. Die beiden Bäder haben pro Woche etwa 160 Gäste, ebenso viele Frauen wie Männer. Ein Grund dafür könnte sein, dass Prag sich in den vergangenen Jahren als Reiseziel für Junggesellen-Abschiede etabliert hat. Die meisten Besucher stammen aus Schweden, Norwegen, England und den USA, nur etwa 30 Prozent sind Prager.

Bei der Hitze lässt die Wirkung des Alkohols dann nicht allzu lange auf sich warten. Im Schnitt schafft jeder Gast deshalb auch nur zwei bis drei Bier. Ausreißer nach oben gibt es natürlich. Ivana erzählt von sechs Skandinaviern, die es in einer Stunde auf 25 Liter brachten.

Nach einer halben Stunde stoppt das Geblubber in der Wanne und man läutet mit einer gusseisernen Glocke Ivana herbei, die einen in Decken wickelt und in ein vorgeheiztes Bett verfrachtet, in dem man noch eine halbe Stunde lang ruhen soll. Wer nach ein paar Bierchen und der Ruhezeit dann direkt ins Hotelbett fallen will, kann in Prag sogar in einem Brauereihotel übernachten. U Medvídků heißt es, was übersetzt "Zum kleinen Bären" bedeutet; Teile davon sind eine umgebaute mittelalterliche Brauerei. Im "Kleinen Bären" kann man sogar lernen, wie man sein eigenes Bier braut. Das stärkste Bier der Welt zum Beispiel, das "X-Beer 33". Alkoholgehalt 12,6 Prozent. Na dann: Prost und gute Nacht!

Einstündige Bier-Spa-Anwendung ab 88 Euro, www.beerspabernard.com

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SZ vom 03.03.2016
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