Die Farbenpracht ist groß, die Aromenvielfalt ebenso. Man fühlt sich fast in einen kleinen Garten Eden versetzt, sitzt realiter aber ganz wo anders. In einem Restaurant, das es den Beteuerungen der Besitzerfamilie zufolge schon seit fast einem halben, nein, nicht Jahrhundert, sondern Jahrtausend gibt.
"Osteria Von Eggen Le Due Spade" hieß das Etablissement dermaleinst, anno 1545, zur Zeit jenes kirchlichen Konzils, das Luther und seine Reformen einbremsen wollte. Direkt beim Dom liegt es, in Trient (it.: Trento), der größten Stadt des Trentino, in der jenes Tridentinische Konzil tagte. Wegen dieser, salopp ausgedrückt, internationalen katholischen Kirchenversammlung - die übrigens über fast 20 Jahre hinweg in mehreren Etappen stattfand - erhielt das stark romanisch geprägte "Tridentum" ein Renaissance-Outfit allererster Güte. Dem kann man sich nicht entziehen - und sollte es auch nicht.
Doch zurück zur zeitgenössischen "Osteria a le Due Spade". Den Wirt von 1545 hatte ein weiters nicht bekannter Reisender als "gutmütig, freundlich und auf gebührende Weise diskret" charakterisiert. Das scheint beim Personal bis zum heutigen Tag überlebt zu haben, und nur mit dürren Worten wird die zeitgenössische Atzung kredenzt.
Blumen allenthalben
So ist man denn der eingangs erwähnten Attacke auf die Sinne mehr oder weniger sprachlos ausgesetzt, und konstatiert: Blumen allenthalben. Auf den Tellern. Mohnblumenrot, dottergelb, violett, himmelblau, zartrosa. Vertreter der durchaus heimischen Flora, vor deren Genuss uns Eltern und andere Erzieher wiederholt und eindringlich gewarnt haben. Und jetzt: zum Verzehr freigegeben.
Das Erstaunlichste: Es schmeckt auch noch. Mal zart-süßlich, mal herb, mal richtig scharf. Das Geheimnis liege in der Auswahl, weiß der Jetzt-Wirt, und natürlich in der Zubereitung für die verschiedenen Gänge (nicht dass Sie jetzt glauben, wir seien hier mit einer einzigen Platte abgespeist worden - es handelt sich um ein richtiges mehrgängiges "florales" Menü, samt Gemischter Blumen-Terrine und Löwenzahn-Parfait). Und selbstverständlich sei auch die richtige Auswahl der sekundierenden Weine von eminenter Bedeutung. Vermutlich keine leichte Aufgabe angesichts der exotischen Speisenfolge.
Weine auch noch
Stichwort Weine / Schnitt. Auf dem Weingut ("Azienda Agricola") der Familie de Tarczal. Mit-Inhaber Ruggero, ein drahtiger Frühfünfziger mit ausgezeichnetem Deutsch, führt uns ein wenig ein ins Weinland Trentino. Rund 9500 Hektar Anbaufläche hierfür gebe es in dem vergleichsweise engen Tal der Etsch (it.: Fiume Adige), dreieinhalb Prozent der gesamten italienischen Anbaufläche. Die wichtigsten Traubensorten seien Chardonnay (davon geht viel in den Spumante der Region, zum Beispiel den von Ferrari), Pinot Grigio, Müller-Thurgau, aber auch Cabernet Sauvignon und Riesling. Etwa eine Million Hektoliter Wein im Jahr ergibt das.
Bekannte Weine des Trentino sind: der rote Teroldego, der in Richtung Gardasee angebaut wird, der weiße Nosiola, und ein viel geliebter Star, der wiederum rote Marzemino. Der macht denn auch rund 15 Prozent der Weinproduktion des Gutes de Tarczal aus und ist sozusagen sein Aushängeschild.
"Etwa ein Jahr lang liegt er im Fass", verrät Ruggero inmitten der imposanten Reihen übermannshoher Fässer. "Das reicht, der Trend geht momentan zum frühen Trinken der Weine." Auf das sensible, gleichwohl virulente Thema des Ausbaus in Barrique-Fässern aus französischer Limousin-Eiche angesprochen, winkt er ab. "Wir machen das auch, aber nur ganz wenig. Wein soll nicht nach Holz schmecken!" Basta.
Beim Baron
Nächste Azienda Agricola: im Gut der Barone von Cles in Mezzolombardo. Leonardo Cles ist ein veritabler Nachfahre jenes Fürstbischofs Bernardo von Cles, der das Konzil im 16. Jahrhundert hatte ausrichten lassen. Der Baron hat ein bisschen was von einer Bulldogge an sich, wartet aber umgehend mit grimmig-gutmütigem Charme auf - und großem Mitteilungsbedürfnis. In italienischer Zunge.
Hier dürfen wir die Keller teilweise selbständig besichtigen. Das Gut mit seinen rund 30 Hektar Rebfläche hat sich vor allem auf Teroldego spezialisiert. Barrique ist ebenfalls nicht dominant.
Wasser des Lebens
Distilleria Pilzer führt vor Augen (und irgendwann in den Schlund), dass man aus Trauben nicht nur Wein machen kann. Der Familienbetrieb in Faver stellt Grappa und zudem Obstbrände her. In dem großzügig verglasten und entsprechend freundlich hellen Brennraum offenbart sich ein verwirrendes Konglomerat aus Brennblasen und Destilliersäulen in glänzendem Kupfer und Edelstahl, miteinander verwoben durch eine Vielzahl von Rohren unterschiedlichster Stärke.
Damit könne man eine Menge unterschiedlicher Destillate fabrizieren, sagt Ivano Pilzer, mit verschiedensten Vor- und Nachläufen und Herzstücken. Das sei nun mal nötig, ergänzt Bruder Bruno. Die Zeiten, in denen man lediglich die Schiava-Traube gebrannt hat, sind vorbei, man destilliert jetzt eben auch die anderen Rebsorten: Nosiola, Müller-Thurgau, Chardonnay, Pinot Nero und natürlich Teroldego. Trauben aus anderen Gegenden des Stiefels bleiben mittlerweile ebenfalls nicht verschont. so etwa die Syraz. Und dann gibt es da noch die zarte, anspruchsvolle Moscato Rosa, "die uns wegen ihrer Fragilität beim Destillieren manches Mal bis an die Grenze des Wahnsinns gebracht hat."
Ganz dem Motto verpflichtet, wonach Stillstand Rückschritt ist, hat sich die Familie dann auch noch das Formen von Obstbränden - vor allem Apfel, Birnen und Quitten - "draufgeschafft". Mit jener ausdauernden Gründlichkeit, die hier, im verschwiegenen Cembra-Tal, noch nicht von moderner Effizienz und dem Dogma der Ertragsstärke bedroht ist. Wie eigentlich vieles im Trentino.