Trend:Ab in die Stadt

Immer mehr Kommunen bieten im Zentrum günstige Übernachtungsplätze für Wohnmobil-Fahrer an. Die Investition lohnt sich für beide Seiten.

Von Karl Forster

Im Stau vor Hannover. Das Bild am Heck des Wohnmobils ist bunt und lustig, die Aufschrift ist es auch: "Wir verjubeln das Erbe unserer Kinder!" Der Rentner hat ja längst den Zauber des Dauerreisens entdeckt. Und er steigt immer öfter in ein Gefährt, das groß ist wie ein mittlerer Reisebus und bei dessen Anschaffung man schnell im sechsstelligen Bereich liegt. Wer mit dem "Womo" reist, hat Geld - und er gibt es gern in Städten aus: 40 Euro pro Person und Tag lassen Wohnmobilbesitzer laut einer Studie des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) in der besuchten Stadt. Deutschlands Kommunen haben deshalb begonnen, die Klientel zu umwerben: mit Wohnmobilstellplätzen mitten in der Stadt.

Mittlerweile gibt es bundesweit mehr als 3000 solcher Parkplätze, Tendenz: stark steigend. Die meisten innerstädtischen Wohnmobilstellplätze bieten oft nur den Minimalservice: "Landstromanschluss" zum Laden der Batterien und für den 220-Volt-Betrieb, eine Entsorgungsstelle für Schmutz-und Toilettenwasser und eine Versorgungsstelle für Trinkwasser, in Fachkreisen kurz E+V-Station genannt. Die hören dann auf so poetische Namen wie Hygienja, Holiday Clean oder Sani-Station. Für einen Euro, der in einen Schlitz geworfen wird, bekommt man Trinkwasser. Die Entsorgung ist meist kostenfrei, das heißt in der Übernachtungsgebühr enthalten, die irgendwo zwischen fünf und 15 Euro liegt und damit sehr viel günstiger ist als der gute alte Campingplatz, auf dem man in der Regel gut 30 Euro pro Nacht für zwei Personen plus Auto bezahlt, Hund extra. Der Wohnmobilist aber braucht ja keine Dusche, keine Toilette, kein Abspülbecken am Platz, er hat alles dabei.

Vorzug Nummer zwei: die Fußläufigkeit zum Zentrum. Die Campingplätze liegen meist kilometerweit außerhalb der Stadt. Nehmen wir zum Beispiel Göttingen. Dort hat man in den vergangenen Jahren neben dem riesigen Schwimmbadgelände einen großzügigen Wohnmobilstellplatz eingerichtet. Wer abends beim Bullerjahn im Ratskeller speisen möchte, erreicht ihn zu Fuß in zehn Minuten. Oder Wismar: Die Hansestadt an der Ostsee ist nicht nur fantastisch saniert und renoviert worden seit der Wende, sondern hat unweit der Altstadt einen großen runden Wohnmobilstellplatz errichtet, in dem es sogar Frühstücksbrötchen-Service gibt. Da bleibt man dann gerne etwas länger, zumal es sich lohnt, die Gegend zu erforschen.

Anders ist die Strategie derer, die in Oranienburg nördlich von Berlin landen. Die fahren von hier aus mit der S-Bahn in die nahe Hauptstadt und können abends wieder ins eher Kleinstädtische entfliehen. Die Gäste lernen zudem einen echten Hafenmeister mit Hanseatenbart und -mütze kennen, der hier und im benachbarten Hafen für Ordnung und den richtigen Gebrauch der Bezahlkarte sorgt. Von der Schlossgaststätte "Lieschen & Louise" rät er ab, weil er die nicht mag. Eine Nicht-Empfehlung, die man ignorieren sollte. Von hier aus lässt es sich dann prächtig in die Mecklenburgische Seenplatte gondeln.

Wobei man bei einem ernsthaften Nachteil des innerstädtischen Stellplatzes angelangt wäre: die Beschränkung auf gewisse Fahrzeug-Typen. Im regelwütigen Deutschland nämlich ist es so, dass eigentlich nur der, dessen Urlaubsgefährt das Schlüsselkriterium "selbstangetriebenes Freizeitfahrzeug" erfüllt, auf einen Womo-Stellplatz darf. Also kein normal gezogener Camper. Das hat zum einen hygienische Gründe, normale Wohnwagen sind nicht immer mit einer richtigen Toilette ausgestattet. Eine größere Rolle jedoch spielt der Neid der Campingplatzbetreiber, denen diese Klientel abhandenkommt - was auch daran liegt, dass die dicken Wohnbusse bei ihnen oft keinen Platz finden. Es soll sogar Campingplatzbetreiber geben, die mit der Kamera auf die Pirsch zum Stellplatz gehen und schauen, ob da nicht verbotenerweise ein nicht selbstangetriebenes Freizeitfahrzeug herumsteht.

In Freyburg an der Unstrut hat die Winzervereinigung Platz für Wohnmobile. Wie praktisch

Erlaubt ist indes eine wunderbare Womo-Idee aus den USA: der Fifth Wheeler. Das ist ein Anhänger, dessen Kupplung auf der Ladefläche eines Pick-ups montiert ist. Das Gefährt hat zwei Vorteile: Der Sattelauflieger ist mindestens so groß und so perfekt ausgestattet wie ein Wohnmobil. Und der Pick-up ist in fünf Minuten abgehängt, somit bereit für Rundfahrten ohne Gehänge. Er hat allerdings auch zwei Nachteile: Während des Fahrens darf und kann man als Beifahrer nicht in die Kabine. Und der TÜV Süd und viele Dependancen des TÜV Nord lehnen eine Abnahme solch eines Gespanns ab. Hauptgrund: Dieser Anhänger hat eine eigene, vom Zugfahrzeug gesteuerte elektrische Bremsanlage. Gingen die Bremsen während der Fahrt kaputt, schöbe der tonnenschwere Anhänger das Gespann ungebremst in die Katastrophe. Wer dann aber den TÜV-Wahnsinn durchlaufen hat und mit dem Gespann unterwegs und zum Beispiel in Wismar gelandet ist, kann mit dem Pick-up die Gegend erkunden und muss nicht abspülen vor jedem Kurztrip. "Ihr müsst unbedingt zur Insel Poel", sagt der freundliche Nachbar, angereist aus Rostock.

Sollte sich eine Kommune für einen Stellplatz entscheiden, gibt der Tourismusverband mit seiner Abteilung Caravaning zahlreiche Empfehlungen, was zu beachten ist - angefangen bei der Zufahrt, die 24 Stunden gewährleistet sein sollte, über die erwünschte gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel bis hin zur Gestaltung der Beschilderung. Ausgewiesen werden soll der Stellplatz demnach mit dem Parkplatzzeichen 314 der StVO in Verbindung mit dem Straßenverkehrszusatzzeichen 1048/17: ein blaues Schild mit weißem P und ein Schild mit dem Wohnmobilsignet darauf.

Doch auch in Deutschland gibt es Wohnmobilstellplätze, die DIN DIN sein lassen und stattdessen mit anderen Annehmlichkeiten aufwarten. Wen es zum Beispiel in den Burgenlandkreis verschlägt, also ins schönste Sachsen-Anhalt, der findet sich vielleicht in Freyburg an der Unstrut wieder. Und fährt, den Anweisungen des Womo-Stellplatzführers "Landvergnügen - Der andere Stellplatzführer" folgend, durch die Stadt ans westliche Ende und findet dort die ortsansässige Winzervereinigung. Die bietet einen kleinen, kostenfreien Stellplatz ohne irgendwelche Einrichtungen, dafür kann man einkaufen, köstlichste Ergebnisse der Rebenbearbeitung, vom Silvaner über den Kerner bis zum Traminer. Und man kann das alles gefahrlos verkosten. Muss ja nicht mehr fahren.

Und München? Hat keinen richtigen Wohnmobilstellplatz. Sicher, am Stadionparkplatz in Fröttmaning gibt es ein paar, aber die dürfen an Spieltagen nicht benützt werden. Und die draußen auf dem Messegelände? Die gelten nur zur Wiesnzeit, und das ist dann kein Spaß. München hat es offenbar nicht nötig, das Geld der Wohnmobiltouristen.

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