Essen und Trinken in Österreich:Das Wirtshaus als Lebensform

Essen und Trinken in Österreich: Ein bisschen Kitsch darf sein: Wolfgang Gröller, Hotelier und Mitbegründer des Wirtshausfestivals am Traunsee.

Ein bisschen Kitsch darf sein: Wolfgang Gröller, Hotelier und Mitbegründer des Wirtshausfestivals am Traunsee.

(Foto: Johannes Kernmayer)

Zwischen Haute Cuisine und Bodenständigkeit: Das Festival Felix rund um den Traunsee im Salzkammergut ist ein guter Anlass, um jede Menge hervorragende Restaurants, Fischhütten und Konditoreien kennenzulernen. Eine kulinarische Entdeckungstour.

Von Franz Kotteder, Altmünster

Wenn man schon ins Krankenhaus müsste, dann hätte man gerne eine Krankenschwester wie Sabine Eisner: patent, zupackend, freundlich, gut gelaunt trotz mancher Widrigkeiten und mit einem sicheren Blick für die Wünsche des Gegenübers. Sabine Eisner ist inzwischen allerdings längst keine Krankenschwester mehr, sondern Wirtin (nebenbei managt sie allerdings noch einen Fitnessklub und einen Franchise-Vertrieb für Medizinprodukte). "Vor neun Jahren habe ich damit begonnen, hier auszuhelfen", erzählt sie, "und irgendwann kam dann die Frage, ob ich das Wirtshaus ganz übernehmen will."

Das Wirtshaus ist Die Stube im Maximilianhof von Altmünster am Traunsee, einem mehr als 150 Jahre altem Gasthof. Oder besser: dem Überbleibsel dieses Gasthofs, der viele Jahre von einem Neffen des ersten österreichischen Bundeskanzlers Leopold Figl geführt wurde, wie man in Altmünster noch immer stolz erzählt. Der Neffe aber blieb kinderlos, vor elf Jahren wurde das Anwesen dann verkauft. Aus den Fremdenzimmern machte man Mietwohnungen, aus dem großen Wirtshaussaal Büros. Die Stube blieb erhalten. "Der Boden ist noch original", sagt Eisner, "wenn der reden könnte, hätte er was zu erzählen."

Essen und Trinken in Österreich: Sabine Eisner, Wirtin im Wirtshaus Maximilianstube in Altmünster am Traunsee.

Sabine Eisner, Wirtin im Wirtshaus Maximilianstube in Altmünster am Traunsee.

(Foto: Art Redaktionsteam)

Die Stube ist inzwischen wieder schön herausgeputzt und hat eine hervorragende, traditionelle Wirtshausküche. Für die der Gourmetführer Gault&Millau dem Koch Florian Eckmair sogar eine seiner begehrten Hauben verliehen hat. Seine Küche ist sehr auf der Höhe der Zeit; "wir verwerten das ganze Tier", sagt die Wirtin. So gibt es beispielsweise schon als Amuse gueule eine gebackene Blunzn (Blutwurst) mit Kartoffelkernölsalat, und danach getrüffelte Krautfleckerl und gekochtes Rindfleisch mit Semmelkren und Kartoffelschmarrn, ein Klassiker der berühmten Wiener Rindfleischküche.

Der Traunsee ist so schön, als wäre das Attribut "malerisch" nur für ihn erfunden worden

So ist Die Stube ein Paradebeispiel, wenn auch ein gehobenes, für ein Wirtshaus, wie es sie immer weniger gibt. Dichter und Schriftsteller des Alpenraums, von Ödön von Horváth bis Gerhard Polt, haben dem Wirtshaus immer wieder als geistige Lebensform gehuldigt, es bisweilen auch geschmäht. Aber als wichtiges Zentrum des Geschehens ist es schlicht unverzichtbar. Und die Tourismusregion Traunsee widmet ihm nun schon zum dritten Mal eine ganze Veranstaltungsreihe: das "Wirtshausfestival Felix". Felix deshalb, weil die Römer den See "lacus felix" tauften, den glücklichen See.

Der Name ist angemessen; der Traunsee liegt zu Füßen des 1691 Meter hohen Traunsteins so unverschämt schön da, als wäre das Attribut "malerisch" nur für ihn erfunden worden. Die von Salzburg kommenden deutschen Touristen lassen ihn auf dem Weg gen Linz oder Wien leider oft rechts (beziehungsweise südlich) liegen, sie sind wohl schon von Mond- und Attersee, die auf der Wegstrecke westlicher liegen, erschöpft. Was man durchaus als Fehler werten darf.

Essen und Trinken in Österreich: Über dem See und im See: Der Gipfel des Traunstein bildet die Kulisse für eine gehobene Wirtshauskultur.

Über dem See und im See: Der Gipfel des Traunstein bildet die Kulisse für eine gehobene Wirtshauskultur.

(Foto: Rudolf Gigler/imago images)

Den würden die Gastronomen und Hoteliers rund um den Traunsee schon gerne beheben, und deshalb haben sie sich vor einigen Jahren Gedanken gemacht, wie man etwas mehr Aufmerksamkeit erheischen könnte. "Gourmetfeste gibt es schon wie Sand am Meer", sagt Wolfgang Gröller, einer von ihnen, "deshalb haben wir uns gesagt: Wir machen ein Wirtshausfestival, das passt bestens in unsere Region." Es hat auch ein bisschen mit Understatement zu tun. Gröller ist der größte Hotelier am See, eine quirlige Unternehmerpersönlichkeit, die gerne was anpackt und sich damit gewiss nicht nur Freunde macht, sondern auch Neider. Seine Familie hat vor langer Zeit das Hotel zur Post in Traunkirchen übernommen - die dort befindliche Poststube 1327 ist ebenfalls ein schönes Wirtshaus mit modernisierter und doch traditioneller Wirtshausküche, das ausgelöste Backhendl ist der Renner auf der Karte.

Die Gröllers aber haben sich damit nicht begnügt, es kam das Vier-Sterne-Resort "Das Traunsee" direkt am Ufer hinzu, mit Spa und dem Vier-Hauben-Restaurant Bootshaus, in dem der Chefkoch Lukas Nagl vor allem für seine Fischgerichte bekannt ist. Ein "Wirtshaus" ist das sicher nicht mehr. Und Nagl hat seit einigen Jahren mit seiner Hausmarke Luvi die japanische Kunst der Fermentation auf Österreichisch abgewandelt und produziert nun auch hochwertige regionale Sojasaucen und Miso.

Essen und Trinken in Österreich: Im Restaurant Bootshaus kocht Küchenchef Lukas Nagl auf Vier-Hauben-Niveau.

Im Restaurant Bootshaus kocht Küchenchef Lukas Nagl auf Vier-Hauben-Niveau.

(Foto: Christof Wagner)

Beim Wirtshausfestival ist Traunkirchen folgerichtig eher für die Gourmetschiene zuständig; im prächtigen barocken Festsaal des örtlichen Jesuitenklosters, das jetzt der Gemeinde gehört, war zum Beispiel Ende März der vegetarische Sternekoch Paul Ivic vom Wiener Tian zu Gast. Und am 16. April wird die israelische Gastronomin Haya Molcho, die mit ihren Neni-Restaurants die Küche der Levante im deutschsprachigen Raum populär machte, hier groß aufkochen und tags darauf in der Poststube dann zum Osterbrunch laden.

Wie vielfältig die Wirtshauskultur am See sein kann, kann man während des Festivals noch bis zum 1. Mai erleben. Die Knödlschifffahrt am 22. April und die "Knödlroas" mit dem Omnibus eine Woche später wirken zwar auf den ersten Blick eher monothematisch, aber das täuscht. Rund um den See gibt es auch jede Menge Fischhütten - fast noch ein Geheimtipp: Trawöger am See bei Altmünster. Für zehn Euro gibt es perfekt gegrillten Zuchtsaibling mit Knoblauchöl und Zitrone. Wanderer peilen gern die Wurzenhütte bei Gschwandt an, der Wirt hat eine eigene Zucht von Galloway-Rindern und legt großen Wert auf Klassiker der Wirtshausküche. Und einen traumhaften Blick auf den See bietet der Berggasthof Urzn, neun Kilometer hinter Gmunden. Hier gibt es außer dem Ausblick flott zubereitete Standards der Ausflugsgastronomie, empfehlenswert sind Hascheeknödel (Kartoffelknödel mit Fleischfüllung) mit Sauerkraut und, selbstredend, der Kaiserschmarrn.

Wer es mit der originalen oberösterreichischen Küche hat, der ist auf der Nordseite des Sees, im Landhotel Grünberg am See, richtig. Eigentümer Franz Pernkopf hat der Legende nach mit Gröller das Wirtshausfestival erfunden, und sein Hotelrestaurant mit bestem Seeblick hält die heimische Küche sehr hoch. Kein Wunder, Pernkopfs 2016 verstorbene Ehefrau Ingrid war die bekannteste österreichische Kochbuchautorin und eine ganz hervorragende Köchin. Ihre Kochschule im Hotel wird in ihrem Sinne fortgeführt. Während des Festivals, aber auch danach, kann man hier Kurse belegen, vom Strudel übers Junglamm bis zu Knödeln aller Art ist da vieles drin.

In Gmunden wirkt manches wie eine prächtige Filmkulisse: Peter Alexander lässt grüßen

Das Landhotel Grünberg gehört zu Gmunden, dem Hauptort am See mit einer großen Vergangenheit. Zur K.-u.-k.-Zeit war Gmunden ein beliebter Kurort, wie man an der Seepromenade sieht. Sie verleiht der Kleinstadt mit ihren gut 13 000 Einwohnern einen Hauch von Cannes oder Nizza. Auch wenn statt Grace Kelly und Gary Grant nur Peter Alexander zum Filmen kam. Immerhin entstand hier zwischen 1996 und 2004 auch die deutsch-österreichische Fernsehserie "Schlosshotel Orth" (wenigstens mit Klaus Wildbolz und Jenny Jürgens). Das Seeschloss Orth am Westufer ist noch immer ein Pilgerziel von Fans, aber kein Hotel, und die großen ovalen, grünen Hinweisschilder auf die Originalschauplätze der Familienserie findet man am Traunsee an allen möglichen Ecken: Bei 144 Folgen kommt schon was zusammen.

Wie eine prächtige Filmkulisse wirkt hier manches, das Art-déco-Strandbad am südwestlichen Ortsrand etwa. Oder die wunderbare Konditorei Grellinger am Franz-Josef-Platz, die zugleich ein kleines Kaffeehaus-Museum ist, weil sie seit 1878 besteht. Seniorchef Wolfgang Brenner erklärt Gästen gerne die leicht verblichenen Schwarz-Weiß-Fotos an den Wänden. "Des worn olles unsre Lehrling", sagt er und lacht dann: "Naa! Der Kaiser net!" Denn natürlich war auch Kaiser Franz Joseph mal zu Gast, wie ein historisches Lichtbild beweist.

Essen und Trinken in Österreich: Mehlspeisen wie aus dem Bilderbuch: die Konditorei Grellinger in Gmunden.

Mehlspeisen wie aus dem Bilderbuch: die Konditorei Grellinger in Gmunden.

(Foto: Viktoria Brenner)

Ja, Kaffee und Gebäck aller Art sind am See natürlich ein wichtiger Bestandteil der kulinarischen Kultur. In der Kaffeerösterei Nussbaumer wird seit mehr als 80 Jahren Kaffee hergestellt, heute macht das Österreichs jüngste Kaffeerösterin Marlene Drack. Die 23-Jährige führt den Familienbetrieb mit großem Einsatz weiter und setzt dabei auf fairen Handel, auch mit Frauenkooperativen aus Guatemala. Dienstags und samstags kann man während des Wirtshausfestivals eine Führung durch die Rösterei mit anschließender Verkostung mitmachen, und den Nussbaumer-Kaffee findet man in der besseren Gastronomie rund um den See recht häufig.

Aber auch sonst sind Entdeckungen zu machen. Im eher touristischen Kaffeehaus Kandur am See stehen etwa noch Raritäten wie Bananen- und Eierlikörschnitte auf der Karte. Aus dem Rathauscafé Brandl, einst gerne von dem Dichter und Dramatiker Thomas Bernhard besucht, der nur acht Kilometer entfernt in Obernathal lebte, ist hingegen mehr so eine Bar geworden. Immerhin: "Lärmen, Singen, Schreien ist im Gastgarten verboten", verkündet ein Schild am Eingang. Dem leidenschaftlichen Wirtshaushocker Bernhard hätte das wohl sehr gefallen.

Reiseinformationen

Anreise: Vom Flughafen Salzburg mit dem Auto über die A1 in 50 Minuten (81 Kilometer) nach Gmunden, von München aus in zwei Stunden 20 Minuten (215 Kilometer). Mit der Bahn von München über Salzburg und Attnang nach Gmunden in etwa drei Stunden. Am See selbst verkehren hauptsächlich Busse.

Übernachten: Seehotel Das Traunsee, Klosterplatz 4 in Traunkirchen, Tel. 0043-7617-2216, 16 Suiten, 12 DZ, 16 Suiten, DZ ab 82 Euro pro Person, Nebensaison, 157 Euro in der Hauptsaison. Landhotel Grünberg am See, Traunsteinstraße 109, Gmunden, Tel. 0043-7612-777 00, DZ ab 95 Euro. Seehotel Schwan, Rathausplatz 8, Gmunden, DZ ab 70-90 Euro.

Wirtshausfestival Felix: Noch bis zum 1. Mai, zahlreiche Veranstaltungen, am Wochenende vor Ostern z. B. Ostermarkt am Rathausplatz Gmunden vom 8.-10. April. Das gesamte Programm findet man im Netz unter wirtshausfestival.at

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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