TranzAlpine:Aufregend langsam

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Von Christchurch nach Greymouth: Ein Panoramazug durchquert ganz gemächlich die Südinsel - und bietet unterwegs jede Menge Fotomotive.

Von Stefan Spath

Mit einem lang gezogenen Pfiff setzt sich der Zug in Bewegung. Ein Cappuccino aus dem Büffetwaggon, den Audioguide aktiviert - und schon ist alles bereit für die wohl schönste Bahnfahrt, die Neuseeland zu bieten hat: den TranzAlpine-Panoramazug. Von Christchurch fährt er in viereinhalb Stunden quer durch die Südinsel und überwindet dabei das höchste Gebirge des Landes.

In einem Land, das sich gern als Hotspot von Action, Abenteuer und Adrenalin vermarktet, steht der TranzAlpine für eine meditative Art des Reisens. Die Diesellok beschleunigt die Zuggarnitur auf höchstens 90 Kilometer in der Stunde - da kommen Augen und Seele gut mit. Die Sitze sind bequem, die Beine finden genügend Platz, und Panoramafenster mit entspiegeltem Glas sowie Skylights an der Decke sorgen für ein ungestörtes Landschaftserlebnis. Die 223 Kilometer lange Strecke gehört zu den "Great Journeys of New Zealand".

Als Mosaik von Wiesen und Weiden ziehen die Canterbury Plains vorbei, eine ländliche Idylle, in der Abertausende Schafe ihr Rupf- und Fresswerk verrichten. Dann taucht der Zug in langen Kurven in den Vorhof der Alpen ein. Die Landschaft schlüpft in ein Kleid aus goldgelben Tussock-Feldern. Am westlichen Horizont füllt ein Meer von Gipfeln das Bild aus, manche davon sind schneebedeckt. "Ladies und Gentlemen, die ersten Foto-Gelegenheiten sind nur noch wenige Minuten entfernt", ertönt es aus den Bordlautsprechern.

Die Geschicklichkeit der Keas, Rucksäcke und Scheibenwischer zu zerlegen, ist legendär

Um die neuseeländischen Alpen zu bezwingen, war Ingenieurskunst der robusten Art gefragt. Als massive Eisenkonstruktion schwingt sich etwa der Staircase-Viadukt in 72 Meter Höhe über den Waimakariri. Ihm folgt eine Brücke, die das gut ein Kilometer breite Schotterbett des Flusses auf 17 dicken Pfeilern überwindet. Waimakariri bedeutet "kaltes, rauschendes Wasser" in der Sprache der Maoris. Sie waren die ersten, die über die Southern Alps an die Westküste der Südinsel vorstießen - und damit die Trasse der Midland Line vorzeichneten. 1886 verlegte man die ersten Gleise. Nur zäh ging es voran, erst 37 Jahre später rollte die erste Dampflok vom Pazifik zur Tasman-See.

Gerade so lange, um sich die Füße zu vertreten, dauert der Stopp im Dörfchen Arthur's Pass. Der Scheitelpunkt der Strecke in 739 Meter Höhe liegt an der Knautschzone der Kontinentalplatten, die die Alpen Neuseelands aufgetürmt haben. Wo sich aus geologischer Sicht Dramatisches zugetragen hat, regiert im Alltag Beschaulichkeit. Eine Handvoll Häuser im Alpinstil verteilt sich über den Sattel. Unsichtbar bleiben dieses Mal die berühmtesten Bewohner des gleichnamigen Nationalparks: die Keas. Die Geschicklichkeit der kleinen Papageien beim Zerlegen von Rucksäcken oder von Scheibenwischern abgestellter Autos ist legendär. Doch an diesem Tag lässt sich kein Kea-Rowdy blicken.

Einen großen Teil des Gefälles hinab an die Westküste überwindet der Zug im 8,5 Kilometer langen Otira-Tunnel. 1923 fertiggestellt, hielt er drei Jahrzehnte lang den Rekord als längster Bahntunnel der südlichen Hemisphäre. Wenn das schwarze Loch den Zug wieder ausspuckt, ist die Szenerie wie ausgewechselt. In allen Grüntönen bietet sich die Westküste auf der Regenseite der Berge dar. Bedeckten einst dichte Steineiben-Wälder die gletschergekerbten Täler des Otira und des Taramakau River, so haben diese an vielen Stellen Farmland Platz gemacht. Üppig bewachsene Hügel und die blitzblauen Fluten des Lake Brunner bleiben von der zweiten Etappe der Coast-to-Coast-Reise im Gedächtnis. Goldsucher, Kohlekumpel und Abenteurer haben die Geschicke der Westcoast geprägt.

Bei der Ankunft im verschlafenen Greymouth scheint man endgültig in der Pionier-Vergangenheit Neuseelands angekommen zu sein. Und während sich die einen nach einem flotten Stadtrundgang oder einem Besuch in der traditionsreichen Monteith's Brauerei wieder auf die Rückreise machen, sitzen die anderen bereits im Mietwagen, um diesen Teil des Landes zu erkunden.

© SZ vom 14.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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