Tourismusprognose:Hauptsache gemütlich

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Von wegen Krisenstimmung! Die Deutschen wollen 2006 wieder mehr und länger verreisen, so das Ergebnis einer Umfrage. Dabei könnte Italien heuer Spanien in der Urlaubergunst wieder abhängen.

Teutonengrill" contra "Ballermann", ausgiebiger Jahresurlaub statt Kurzreisen und erst WM- dann Reisefieber: Nach jüngsten Tourismusprognosen packt die Deutschen in diesem Jahr die Reiselust und könnte sie erstmals stärker gen Italien denn nach Spanien ziehen.

Selbst die Fußball-Weltmeisterschaft wird die Urlaubswilligen nur kurzzeitig stoppen, wie die in Hamburg vorgestellte 22. Deutsche Tourismusanalyse des B.A.T.- Freizeitforschungsinstituts ergab. Liebste Reiseziele der Deutschen bleiben zwar nach wie vor heimische Gefilde, die sich aber immer schwerer gegen die Wärme, Ferne und Weite behaupten können.

"Die Deutschen wollen wieder mehr verreisen, die Krisenstimmung ist überwunden", sagte B.A.T.-Leiter Horst Opaschowski. Weder eine schwache Binnenkonjunktur und steigende Energiekosten noch die Erinnerungen an den Tsunami halten sie auf: "Die Touristen haben ein chronisches Kurzzeitgedächtnis - vor allem bei Einmalereignissen und Naturkatastrophen", sagte er.

Urlaube werden wieder länger

Gut zwei Drittel der Bundesbürger (68 Prozent) haben für 2006 feste Reiseabsichten. Die "schönsten Wochen des Jahres" sollen zudem wieder länger werden: Der in den 80er Jahren begonnene Trend zu immer kürzerem Urlaub sei beendet worden: Die Reisedauer lag 2005 bei 13,3 Tagen (2004: 12,8). Vor allem Großstädter entdeckten den Wert einer längeren Urlaubsreise wieder.

Etwa jeder vierte Befragte mit festen Reiseabsichten (23,8 Prozent) will die Ferien in der Heimat genießen. Alle anderen zieht es vorrangig ins europäische Ausland (48,1 Prozent). Lag 2005 noch Spanien (10,6 Prozent) in der Urlaubergunst vor Italien (7,7), Österreich (6,1) und der Türkei (5,1), scheinen die Deutschen wieder ihre Liebe für das "dolce vita" zwischen Gardasee und Sizilien zu entdecken: Nach den derzeitigen Plänen überholt Italien (8,4) diesmal Spanien (8,2). "Der Teutonengrill zwischen Adria und Riviera der fünfziger und sechziger Jahre kommt wieder, aber auch die nostalgische Sehnsucht nach Ischia und Capri schwingt mit", sagte Opaschowski zur Italien-Renaissance.

In Deutschland - nach wie vor Urlaubsziel Nummer eins - bleiben Bayern und die Ostseeküste die Lieblinge der Urlauber. Allerdings verliert das Inland permanent an Attraktivität und Marktanteilen - von ehemals 69 Prozent (1961) über 35 (1999) auf 32 Prozent (2005). Opaschowski: "Insbesondere Küste und Berge konkurrieren um die Gunst der Urlauber, die schneller mit dem Billigflieger in Palma de Mallorca als mit dem Auto auf Rügen oder in den bayerischen Bergen sind." Im Ausland gehören Griechenland, Frankreich, Kroatien und Slowenien zu den Gewinnern, aber auch Fernreiseziele wie die Karibik einschließlich Kuba und Dominikanische Republik sowie Asien, die USA und Kanada.

"Fernreiseziele befinden sich im Aufwind, was auch erklärt, warum die durchschnittliche Reisedauer plötzlich wieder zunimmt", erläuterte der Forscher. Vor allem Singles (16,8 Prozent) und kinderlose Paare (16,1) nehmen sich im Vergleich zur übrigen Bevölkerung (10,9) mehr Zeit dafür.

Seniorenreisen - die neue S-Klasse

Zugleich gewinnt der Analyse zufolge die Urlaubsqualität immer mehr an Bedeutung: Gastfreundschaft (92 Prozent) und eine gemütliche Atmosphäre (91) stehen ganz oben auf der Wunschliste. Gerade Seniorenreisen entwickelten sich "zur neuen S-Klasse": "Senioren wollen, dass man ihnen im Urlaub Zeit schenkt und das Gefühl vermittelt, nur für sie da zu sein", erklärte Opaschowski.

Die Auswirkungen der Fußball-WM in Deutschland auf das Reiseverhalten bezeichnete der Wissenschaftler als "Null-Summen- Spiel". Zwar will bislang nur knapp jeder Zehnte (9,7 Prozent) während des Turniers vom 9. Juni bis 9. Juli verreisen. Doch: "Was der Branche während der WM an Urlaubsgästen verloren geht, wird danach in einer Art Aufholjagd schnell wieder ausgeglichen", erläuterte Opaschowski. "Und falls die deutsche Mannschaft frühzeitig ausscheidet, ist Schlangestehen angesagt - in Reisebüros und auf Autobahnen." Für die repräsentative Tourismusanalyse waren im Januar 4000 Menschen im Alter ab 14 Jahren zu ihren Reisen im vergangenen Jahr und zu ihren Plänen für 2006 befragt worden.

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