Wintertourismus:Wenn nur Größe zählt

Kaprun THEMENBILD - frischer Schnee im Gletscherskigebiet Kitzsteinhorn. Verschneite Bergspitzen der umliegenden Berge r

Blick auf das Gletscherskigebiet Kitzsteinhorn.

(Foto: imago images/Eibner Europa)

Was man im Wintertourismus der Alpen in immer absurderen Dimensionen sieht, ist ein Verteilungskampf - wie im Ötz- und im Pitztal. Aber was ökonomisch für manche Sinn ergibt, kann gesellschaftlich unsinnig sein.

Kommentar von Hans Gasser

Im Spätherbst ist Selbstbeweihräucherung angesagt: Da lassen uns die Seilbahnen und Skigebiete stets wissen, was sie den Sommer über für uns, die Skifahrer und Winterurlauber, investiert haben: 83 Millionen für die neue "3K-Konnection" von Kaprun bis aufs Kitzsteinhorn, 73 Millionen in der Skiwelt Wilder Kaiser für mehrere neue Bahnen mit Sitzheizung, Wetterschutzhauben und "Komfortaufhängung", zehn Millionen für die "derzeit windstabilste" Bahn aufs 3000 Meter hohe Falginjoch im Kaunertal. Es schwingt einiges an Stolz mit bei solchen Verlautbarungen. 1,2 Milliarden an Investitionen sollen es laut Seilbahnverbänden 2019 in Österreich, der Schweiz und Deutschland gewesen sein.

Einer Branche, die so viel investiert, der muss es gut gehen - möchte man meinen. Doch das stimmt nicht. Alpenweit stagnieren die Skifahrerzahlen seit vielen Jahren, wie der Schweizer Experte Laurent Vanat in seiner jährlichen Datenerhebung der Skigebiete feststellt. Es geht also für die Skigebiete und Seilbahnbarone darum, von dem gleichbleibenden Kuchen ein möglichst großes Stück abzubekommen.

Was man zurzeit in immer absurderen Dimensionen sieht, ist ein Verteilungskampf. Und der rechnet sich meistens nur für die Platzhirsche, also die großen und hoch gelegenen Skistationen. Laut der Alpenschutzkommission Cipra arbeitet mindestens ein Viertel aller Skigebiete defizitär. So gesehen ist es verständlich, dass kleinere Gebiete sich bei den größeren dranhängen wollen, so wie dies etwa Warth-Schröcken mit dem Arlberg-Skizirkus gemacht hat. Oder was nun das viel kleinere Pitztal mit einer Verbindung über die Gletscher hinweg zum Platzhirsch Sölden versucht.

Aber was ökonomisch für einige wenige Akteure Sinn ergibt, kann gesellschaftlich unsinnig sein. Das zeigen auch die knapp 150 000 Unterschriften gegen die Pitztal-Sölden-Verbindung. Viele alpine Täler leiden bereits massiv unter einem Verkehrsproblem. Solange die Mobilitätskonzepte für die Anreise durch die schmalen Täler nicht genauso schnell weiterentwickelt werden wie die Liftverbindungen, kann noch so viel von Nachhaltigkeit schwadroniert werden - es ist dann nicht glaubwürdig.

Die zwei Hauptargumente der Skigebietserweiterer sind: Die Mehrheit der Gäste will möglichst große Skigebiete. Und, davon abgeleitet: Wenn wir das nicht bieten können, verlieren wir Jobs im Tal. Dabei ist es längst so, dass es einen immensen Fachkräftemangel gibt, weil viele Einheimische nicht mehr in der Hotellerie und Gastronomie arbeiten wollen. Und die Fixierung auf Skifahrer, die in ihrem Urlaub jeden Tag von früh bis spät auf der Piste sind und möglichst große Gebiete abfahren wollen, geht an der Nachfrage vorbei.

Denn während die Skifahrerzahlen aus demographischen und anderen Gründen nicht mehr steigen, liegt das größte Wachstumspotenzial laut Österreich Werbung bei den "Wintererholungsurlaubern". Diese wollen von Schneeschuhwandern über Wellness und Shopping bis hin zu Kultur verschiedenste Dinge unternehmen. Für sie müsste man sich wirklich zukunftsträchtige Urlaubskonzepte überlegen und sein Angebot auch wegen der in den Alpen besonders stark ausfallenden Klimaerwärmung diversifizieren. Stattdessen erscheint es vielen Tourismusakteuren einfacher, die schmelzenden Gletscher mit neuen Pisten und Liften zu bedecken und weiterzumachen wie bisher. Hauptsache, die nächsten 20, 25 Jahre rechnen sich noch. Nach uns die Sintflut!

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