Süddeutsche Zeitung

Tourismus:Wie Urlaub die Welt verbessern soll

Immer mehr Reiseveranstalter engagieren sich mit sozialen Projekten in Urlaubsländern - auch weil die Kunden es so wollen.

Von Ingrid Brunner

Es begann 1980 mit einem Wasserbüffel für ein Dorf auf der philippinischen Insel Luzon. Dann folgte eine Kaffeeschälmaschine für Bauern in Südamerika. 1996 schließlich gründete der Wanderreise-Spezialist Wikinger die Georg-Kraus-Stiftung, benannt nach dem Firmengründer, die vorwiegend Schulprojekte weltweit fördert. Das Motto "Der beste Weg aus der Armut ist der Schulweg" mag ein wenig altbacken klingen, ist aber heute noch gültig. Die Stiftung hält 20 Prozent der Unternehmensanteile von Wikinger. Entsprechend fließen jährlich 20 Prozent des Unternehmensgewinns in die Stiftung.

Auch Studiosus, Marktführer bei Studienreisen, engagiert sich sozial. Der Tsunami in Südostasien am zweiten Weihnachtsfeiertag 2004 gab den Ausschlag für die Gründung der Studiosus Foundation e. V. Durch die ersten Projekte wurden Fischer in Südindien mit neuen Booten und Netzen unterstützt. Die Studiosus Foundation förderte 2017 Projektmaßnahmen in Höhe von 290 000 Euro. Die touristische Branche, seien es nun Airlines, Hotels oder Reisekonzerne, engagiert sich gern sozial - und berichtet natürlich auch gerne darüber. CSR, Corporate Social Responsibility, also soziale Verantwortung in Unternehmen, ist im Tourismussegment ein wichtiger Imagefaktor. Denn die Reisenden erwarten mittlerweile, dass sich Touristiker in den Zielländern der Urlauber verantwortungsbewusst verhalten.

Im November vergangenen Jahres gab der Reisekonzern Tui bekannt, er tue nun Gutes - zusammen mit den Kunden. Per Mausklick können Urlauber nun gleich bei der Buchung für die Tui Care Foundation spenden. Es geht dabei um kleine Beträge von drei, fünf oder zehn Euro. Das Geld soll zu hundert Prozent Umwelt- und sozialen Projekten in Urlaubsländern weltweit zugutekommen. Tui finanziert lediglich die Verwaltung und direkte Verteilung der Spenden, das Geld kommt von den Kunden. Eingesetzt wird es dann unter anderem für Projekte, die etwa auf Kreta Tourismus, Weinbau und Landwirtschaft zusammenbringen wollen, die Berufsbildung junger Menschen in Marokko fördern, oder für den Elefantenschutz in Thailand.

17 Prozent der Deutschen buchen gezielt umweltfreundliche Hotels

Die Tourismusbranche reagiert damit darauf, dass Touristen immer öfter Wert legen auf fairen, umweltverträglichen Urlaub. Das hat auch eine repräsentative Befragung unter mehr als 3000 Urlaubern ergeben, die Tui 2017 durchgeführt hat. Reisende in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Schweden, Belgien und den Niederlanden wurden zu ihrer Einstellung zum nachhaltigen Reisen befragt. Demnach sind den Urlaubern Umweltschutz, Artenvielfalt und bessere soziale Standards für die lokale Bevölkerung wichtig. Elf Prozent der europäischen Urlauber buchten der Umfrage zufolge gezielt umweltfreundliche Hotels. Deutschland liegt dabei mit 17 Prozent sogar über dem europäischen Durchschnitt. 86 Prozent halten den Schutz der Natur in den Zielländern für wichtig, 84 Prozent finden es erforderlich, den CO₂-Fußabdruck beim Reisen zu reduzieren.

Doch zwischen der guten Absicht und der guten Tat gibt es oft eine Diskrepanz, wie sich an der zögerlichen Beteiligung von Flugreisenden an Ausgleichszahlungen zugunsten des Klimaschutzes zeigt. Die Seriosität einzelner Projekte ist schwer zu überprüfen. Stiftung Warentest hat dem Thema noch kein Heft gewidmet. Christiane Lang, Pressereferentin bei Stiftung Warentest, rät im Zweifel, auf Spendensiegel wie dem des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) oder der Initiative Transparente Zivilgesellschaft (ITZ) von Transparency International zu achten.

Wenn es zu humanitären Katastrophen in Urlaubsländern kommt, ruft auch der Deutsche Reiseverband DRV seine Mitglieder zu Spendenaktionen auf. Seit 2002 gibt es den Verein Hilfe ohne Grenzen. Dieser hat bis jetzt 1,5 Millionen Euro eingesammelt, sagt Torsten Schäfer von der DRV-Pressestelle. Unter anderem wurden nach dem schweren Erdbeben in Nepal 2015 ein Waisenhaus und Schulen bei Kathmandu gebaut und es wurde Geld für den Wiederaufbau nach dem Taifun Haiyan im Jahr 2013 auf den Philippinen gespendet.

Je nach Reiseart und Ziel wählen die Veranstalter zu ihnen passende Hilfsprojekte aus. Vamos Familienreisen unterstützt zum Beispiel den Verein Odysseas, der auf Lesbos Flüchtlingen hilft. Die Shangri-La-Hotelgruppe fördert Schul- und Gesundheitsprojekte für Kinder und ist für ihr Engagement für die Umwelt auf dem Dow Jones Sustainability Index gelistet. Was einst als Sozialklimbim abgetan wurde, ist nun zum Wettbewerbsfaktor geworden.

Dass es dem Image sogar schaden kann, sich aus einem Hilfsprojekt zurückzuziehen, hat im vergangenen September Lufthansa erlebt. Als die Kranich-Linie den Rückzug als Sponsor von "Kranichschutz Deutschland" bekannt gab, kam das in der Öffentlichkeit nicht gut an. Zwar wurde dies mit einer Neuausrichtung des sozialen Engagements begründete. Man wolle sich künftig um benachteiligte Kinder in Südafrika und Thailand kümmern. Doch nun bewegt sich Lufthansa: "Aktuell sind wir wieder in Gesprächen zum Thema Kranich", so eine Sprecherin.

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SZ vom 11.01.2018/lia
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