Tourismus total:Zerstörung um jeden Preis

Weil Regionalpolitiker den Tourismus ankurbeln wollen, genehmigen sie ständig neue Bettenburgen und Golfplätze an Spaniens Küsten. Nur der Norden blieb bisher verschont.

Von Peter Burghardt

Es ist noch nicht sehr lange her, da waren Vera oder Mojecar bei Almeria Dörfer. Das hat sich erstaunlich schnell geändert, diese und andere Ortschaften in Spaniens Süden erleben eine beachtliche Verwandlung.

Tourismus total: Betonanlagen und Golfplätze verschandeln die spanische Mittelmeerküste.

Betonanlagen und Golfplätze verschandeln die spanische Mittelmeerküste.

(Foto: Foto: Reuters)

In der Umgebung sind 30.000 neue Wohnungen geplant, die sozialistische Regionalregierung segnete sogar ein Hotel im Nationalpark Cabo de Gata ab. Die rechtskonservative Volkspartei in der Nachbarprovinz Murcia wiederum wünscht sich eine Autobahn von Cartagena Richtung Vera, um auch diesen Abschnitt des Mittelmeers besser erreichen zu können.

Auf dem Weg dahin sind allein in Marina de Cope etwa 11.000 Wohnungen, 23.000 Hotelbetten und fünf Golfplätze vorgesehen. "Es werden die letzten Reste freier Küste verbaut", klagt Juan Lopez de Uralde, Direktor der spanischen Sektion von Greenpeace. Für ihn ist das kein Fortschritt, sondern eine Katastrophe.

Entsprechend fällt die Studie aus, die von den Naturschützern kürzlich veröffentlicht wurde. Sie trägt den Titel "Destruccion a toda costa 2005", Zerstörung um jeden Preis, und ist ein Wortspiel, das Wort "costa" bedeutet auch Küste.

Demnach haben die Verantwortlichen an Spaniens Ufern im vergangenen Jahr dem Neubau von weiteren 768.000 Wohnungen, 58 Golfplätzen und 77 Yachthäfen zugestimmt. Zusätzliche 2200 Hektar wurden dabei zu Bauland erklärt, und zwar "von den Stadtverwaltungen aller politischen Farben", wie Greenpeace erklärt.

Dazu kommen 44.900 illegale Konstruktionen und 88 Fälle von Umweltverschmutzung. Insgesamt habe die Urbanisierung an den Stränden und Klippen in fünf Jahren um 25 Prozent zugenommen. "Unhaltbar" sei dieses "touristische Modell", heißt es in der Untersuchung. Politiker benähmen sich wie Immobilienhaie, "um die letzten Meter jungfräulicher Küste zu verkaufen."

Es geht ja um ein gewaltiges Geschäft. Die Nachfrage wuchs stetig, seit die Urlauber dieser Welt vor vier Jahrzehnten begannen, Spanien zu entdecken. Inzwischen kommen jährlich ungefähr 55 Millionen Besucher, wie Regierungschef Jose Luis Rodriguez Zapatero gerade während der Madrider Olympia-Bewerbung in Singapur verkündete.

Vielen Ausländern gefällt es so gut, dass sie sich dauerhaft niederlassen - unter ihnen Zehntausende Deutsche und Engländer, die sich besonders gerne auf den Balearen, bei Alicante und Malaga versammeln.

Der Fremdenverkehr ist eine wesentliche Stütze der nationalen Wirtschaft und mit ihm ein Bauboom, wie ihn kein anderes europäisches Land kennt. Spanien baut mehr als Deutschland und Frankreich zusammen, die Immobilenpreise steigen und steigen, wobei die Spekulationsblase jederzeit platzen kann. Vielerorts wachsen Wälder von Kränen, und zurück bleibt mehr oder weniger ansehnlicher Beton.

Zerstörung um jeden Preis

Das ehemalige Fischerdorf Benidorm erinnert mit seinen Hochhäusern mittlerweile an Hongkong und ist im Sommer eine der größten Städte der Halbinsel.

An der Costa Blanca und der Costa del Sol sind laut Statistik jeweils die Hälfte des Küstenabschnitts besiedelt, in den traditionellen Hochburgen Terremolinos und Fuengirola ist kaum mehr ein Quadratmeter frei.

Besondere Erwähnung in der Greenpeace-Kritik findet Marbella, wo der frühere Bürgermeister und Baulöwe Jesus Gil y Gil und seine Nachfolger allerhand erlauben. Mehr als 20.000 Immobilien haben dort keine Genehmigung, gegen 270 Lizenzen klagt die andalusische Regionalregierung.

In dieser Gegend wird außerdem die Staatsanwaltschaft auf der Jagd nach Geldwäschern und Mafiosi regelmäßig fündig, die Sonne zieht auch die organisierte Kriminalität an. Den maßlosen Urbanismus nennt Greenpeace "einen Anschlag gegen die Umwelt, aber letzten Endes auch gegen den Tourismus". Der anspruchsvolle Gast sucht keine Betonburgen.

Zu lange haben die Gastgeber auf Quantität statt Qualität und mithin auf das schnelle Geld gesetzt, das ändert sich zögerlich. Luxus kann aber auch problematisch sein, wie das Beispiel der zunehmend beliebten Golfspieler zeigt.

58 Golfplätze stehen nun vor der Fertigstellung, 300 gibt es in Spanien schon, in zehn Jahren sollen es 500 sein. Teilweise sprießen die Anlagen auf wüstenartigem Boden, entsprechend gut will der mühsam gepflegte Rasen gegossen werden, was schlecht zur hartnäckigen Trockenheit passt. Auch mit diesem Argument weigern sich niederschlagsreichere Provinzen, dem darbenden Süden zu helfen.

Am besten gefällt Greenpeace alles in allem der grüne Norden. Galicien, Asturien und Kantabrien sind trotz ihrer traumhaften Buchten zwischen wilden Steilküsten noch vielfach zementfrei. Das hat auch damit zu tun, dass es da droben öfter mal regnet und stürmt.

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