Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Ende der Reise":Darf's ein bisschen mehr sein?

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Unbedingt geizen oder lieber protzen: Die Touristen stehen in dieser Saison vor einer schwierigen Entscheidung.

Glosse von Stefan Fischer

Was stimmt denn nun? Das fragt man sich ja ständig in diesen verwirrenden Zeiten. Geizen die deutschen Urlauber also in diesem Jahr oder protzen sie? Die Sachlage ist kompliziert, denn beides scheint wahr zu sein. Obwohl das eine das Gegenteil des anderen ist. Es macht eben mal wieder jeder, was er will.

Sehr schön kann man das ablesen an einer Prognose von Jürgen Schmude, der Professor für Tourismuswirtschaft und Nachhaltigkeit ist: Maximal ein Viertel der Deutschen werde in Zukunft nachhaltig reisen, meinte er unlängst. Das wären immerhin deutlich mehr als vor der Pandemie. Insofern wäre die Behauptung - wenn es denn so kommt -, dass die Deutschen in sozialer und ökologischer Hinsicht bewusster Urlaub machen als früher, allemal korrekt. Richtig ist aber genauso, dass sich die große Mehrheit der Menschen hierzulande, sobald sie sich in Touristen verwandeln, dieser Entwicklung verweigert.

Oder sollte es selbst unter denen, die bislang für all zu kleines Geld in den Badeurlaub geflogen sind und an den All-inclusive-Büfetts die Kosten-Nutzen-Kalkulation ihres Ferienaufenthalts weiter optimiert haben, ein Umdenken geben? Große Reiseveranstalter berichten jedenfalls, dass die Deutschen in diesem Jahr deutlich mehr Geld für den Urlaub ausgeben. Angeblich nicht, weil es saftige Preiserhöhungen gegeben hat. Nein, die Deutschen gönnen sich wohl längere Aufenthalte, schönere Hotels und höhere Zimmerkategorien als in der Vergangenheit. Wenn es gut läuft, kommt das über bessere Gehälter, den bewussteren Einkauf von Lebensmitteln und grundsätzlich verantwortungsvoller geführte Hotels der einheimischen Bevölkerung und der Umwelt zugute.

Aber natürlich gilt auch hier das Gegenteil genauso: Frohgemut hat ein österreichisches Start-up soeben verkündet, seine Dienste nun auch den nördlichen Nachbarn anzubieten. Auf dessen Buchungsplattform sollen die Urlauber den Preis für ein Quartier selbst festlegen können. Es ist ein wenig wie bei einer Auktion, nur dass niemand weiß, wie viel der andere bietet. Die Hoteliers entscheiden schließlich, ob und wie billig sie ein Zimmer weggeben möchten, ehe es leer bleibt. Auch die Schnäppchenjäger sind also zurück. Bekommen sie einen Zuschlag, müssen sie sich nur noch um einen Flug für 29 Euro kümmern.

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