Overtourism:Wo Urlauber gar nicht mehr so erwünscht sind

Aussperren, lenken, kassieren - wie lässt sich Massentourismus in verträgliche Bahnen lenken? Immer mehr Reiseziele sind auf der Suche nach der richtigen Strategie - manche greifen zu rigiden Maßnahmen.

Von Eva Dignös

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Tourists Enjoying The Turquoise Waters Of Famous Pelosa Beach; Stintino, Sardinia, Italy PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONL

Quelle: imago images/Design Pics

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Was tun, wenn Schönheit vom Segen zum Fluch wird? Immer mehr Orte - die lange Zeit gut und gern vom Tourismus gelebt haben - fühlen sich überfordert vom Ansturm der Reiselustigen aus aller Welt. Gefragt sind Strategien, um den Andrang in geordnete Bahnen zu lenken, um die Urlauber nicht ganz zu vertreiben, aber ihre Zahl so zu begrenzen, dass das Alltagsleben der Einheimischen nicht über die Maßen beeinträchtigt wird. Getestet werden ganz unterschiedliche Maßnahmen, vom Eintrittsgeld bis zur Vollsperrung.

Sardinien

Schneeweißer Sand, türkisblaues Wasser: "La Pelosa" auf Sardinien ist ein Bilderbuchstrand. Ober besser gesagt, der Küstenabschnitt im Nordwesten der Insel wäre ein Bilderbuchstrand, wenn er nicht so voll wäre. Im kommenden Sommer soll deshalb eine Eintrittsgebühr erhoben und die Zahl der Strandbesucher auf 1500 beschränkt werden. Die Begrenzungen werden erst einmal auf Probe eingeführt und sollen unter anderem dazu beitragen, dass der Sand am Strand bleibt. Davon geht nämlich immer mehr verloren, weil er an Touristenfüßen und an Handtüchern klebt. Das Handtuch ohne Strohmatte auf den Strand zu legen, ist deshalb schon länger verboten - und wer Sand gar als Souvenir abfüllt, muss überall auf Sardinien mit harten Strafen rechnen.

FILE PHOTO: Uluru is lit by the setting sun in the Northern Territory in central Australia

Quelle: REUTERS

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Australien

400 000 Touristen zieht es im Jahr zum roten Felsklotz im Outback, die Tour gehört zum Pflichtprogramm einer Australien-Rundreise. Trotz der Bitte, es nicht zu tun, stiegen viele hinauf. Doch für die Angehörigen des Aborigines-Stamm der Anangu ist der knapp 350 Meter hohe Berg viel mehr als ein atemberaubender Anblick - er ist Heiligtum und Daseinsort. Jahrelang hatten sie für ein Kletterverbot gekämpft, seit Ende Oktober ist es in Kraft. Wer dagegen verstößt, muss mit einer Geldbuße von umgerechnet knapp 400 Euro rechnen. Still wird es rund um den Berg trotzdem nicht: Statt im Gänsemarsch hinaufzukraxeln, können Touristen dort jetzt Segway-Touren machen oder auf Kamelen reiten.

Touristen auf der Karlsbrücke in Prag

Quelle: Anthony Delanoix/Unsplash

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Prag

Dass der Magistrat der tschechischen Hauptstadt überlebensgroße Pandabären und sonstiges Getier aus Plüsch aus dem Zentrum der Stadt verbannt hat, wird an der Anziehungskraft Prags auf Touristen vermutlich wenig ändern. Aber zumindest verhindet es in der ohnehin schon überfüllten Altstadt zusätzliche Menschenansammlungen rund um die Gaukler im Fellkostüm. Außerdem störten sie die "ästhetische Ansicht" des Altstädter Rings, wurde die Maßnahme begründet. Auch die ästhetisch ähnlich zweifelhaften Bier-Bikes würde man gern verbieten. Das allerdings scheiterte bislang an einem Streit um Zuständigkeiten.

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Quelle: AFP

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Komodo

Die Attraktion von Komodo ist bis zu drei Meter lang, mehr als 70 Kilo schwer und eine beeindruckende Erscheinung mit grimmigem Blick: Komodowarane sind die größten Echsen, die es auf der Erde gibt, die "letzten Drachen". 5000 von ihnen leben auf der indonesischen Insel, etwa 175 000 Besucher pro Jahr setzen deshalb meist als Tagestouristen von Flores oder Sumbawa über. Auch Kreuzfahrtschiffe gehen neuerdings vor Anker. Zu viel Belastung für ein fragiles Ökosystem? 2018 überlegte man, die Zahl der Besucher zu halbieren, zwischenzeitlich gab es auch den Beschluss, die Insel vom 1. Januar 2020 an für ein Jahr zu sperren. Davon ist nun nicht mehr die Rede, stattdessen soll es jetzt das Geld richten. Ab Januar 2021 muss für den Komodo-Nationalpark eine Jahresgebühr von 1000 US-Dollar (umgerechnet 900 Euro) bezahlt werden - derzeit sind es maximal 18 Euro.

Touristen drängen sich auf einer Brücke in Venedig.

Quelle: REUTERS

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Venedig

Die ganze Stadt ein einziges Museum - dafür soll künftig ein Eintrittsgeld fällig sein. Beschlossen wurde es bereits im Februar, die Einführung aber immer wieder verschoben. Nun soll es vom 1. Juli 2020 an so weit sein. Mindestens drei Euro müssen Tagesbesucher dann zahlen, je nach Saison und Gedränge können es auch bis zu zehn Euro werden. Von 2022 an soll es möglich sein, einen Venedig-Besuch online zu buchen. Touristen, die in Venedig übernachten, bezahlen bereits jetzt - wie an vielen anderen Urlaubsorten in aller Welt auch - eine Ortstaxe. Mit dem Geld will Bürgermeister Luigi Brugnaro Instandhaltung und Reinigung finanzieren. Wie bedroht die einzigartige Lagunenstadt ist, hat ein Rekordhochwasser Mitte November einmal mehr deutlich gemacht.

Deutlich teurer als ein Tagesausflug ist bereits jetzt schlechtes Benehmen in Venedig. Ein deutsches Paar, das sich im Schatten der Rialtobrücke auf seinem Gaskocher einen Kakao kochen wollte, musste 950 Euro Strafe entrichten. "Venedig muss respektiert werden. Und diese Schlechterzogenen, die denken, sie können in die Stadt kommen und machen, was sie wollen, müssen kapieren, dass sie gestellt, bestraft und verbannt werden", erklärte der Bürgermeister.

Ein Strand auf der philippinischen Insel Boracay

Quelle: dpa

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Boracay

Als Paradies auf Erden verkaufte sich die philippinische Insel Boracay: Palmen, weißer Sandstrand, türkisfarbenes Meer. 2,1 Millionen Besucher kamen im Jahr 2017, im Paradies sammelte sich irdischer Müll. Hotels leiteten Abwasser ungeklärt ins Meer, von einer "Jauchegrube" sprach der philippinische Präsident Rodrigo Duterte. Er ordnete die Schließung der Insel an, mitsamt den Hotels, Restaurants und Vergnügungsparks. Sechs Monate lang wurde aufgeräumt, seit Oktober 2018 sind die Strände wieder geöffnet - Partys am Strand allerdings sind nun verboten.

Nach wie vor geschlossen ist ein anderer asiatischer Traumstrand: Seit Juni 2018 dürfen Thailandurlauber die Maya Bay auf Kho Phi Phi, Kulisse für den Hollywood-Film "The Beach", nicht mehr betreten, damit sich die schwer geschädigten Korallenriffe erholen können. Als Termin für die Wiedereröffnung ist derzeit das Jahr 2021 im Gespräch. Dann soll die Besucherzahl über ein Ticket-System reguliert werden.

Der Ort Hallstatt liegt in Österreich am Hallstätter See

Quelle: Ramida Made/Unsplash

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Hallstatt

779 Einwohner, eine Million Besucher - das Dorf im Salzkammergut, nicht weit von Salzburg, ist besonders bei Busreisenden aus Asien beliebt, erst recht, seit es 2012 in China nachgebaut wurde. Einmal die Hauptstraße rauf und runter, ein paar Selfies mit den pastellfarbenen Häusern, dem Hallstätter See, den umliegenden Bergen, so sieht ein typischer Hallstatt-Besuch aus. Belastend ist vor allem der nicht endende Strom an Bussen. Ihre Zahl soll nun deutlich reduziert werden: Veranstalter müssen, wie im nahe gelegenen Salzburg bereits üblich, vorab ein Zugangsticket buchen, das für ein bestimmtes Zeitfenster und eine Mindestdauer von zweieinhalb Stunden gültig ist. Auch die Gebühren sollen von jetzt 40 Euro auf einen noch nicht festgelegten Betrag angehoben werden.

Touristen stehen auf der Stadtmauer in Dubrovnik in Kroatien.

Quelle: AFP

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Dubrovnik

Gerade einmal 400 mal 300 Meter misst die Altstadt von Dubrovnik. Enge Gassen wie aus einer anderen Zeit, vielleicht sogar aus einer anderen Welt: Dubrovnik war Drehort der Fantasy-Serie "Game of Thrones". Seitdem drängen neben den Kreuzfahrtpassagieren - die kroatische Küstenstadt ist Pflichtprogramm der meisten Mittelmeer-Routen - auch Filmtouristen zu Tausenden durch die Tore der mittelalterlichen Stadtmauer. Aussperren will man die Touristen trotzdem nicht, aber den Andrang in Bahnen lenken. Nur noch zwei Kreuzfahrtschiffe dürfen pro Tag anlegen, früher waren es bis zu zehn. Gerade wird diskutiert, ob die Eröffnung neuer Restaurants in der überfüllten Altstadt verboten werden soll. Die Zahl der Tische im Freien wurde bereits reduziert. Wer nicht nur andere Menschen, sondern auch die Stadt sehen möchte, bekommt mit der Webseite dubrovnik-visitors.hr ein hilfreiches Instrument an die Hand: Sie liefert Prognosen, wann wie viele Besucher zu erwarten sind.

Der Strand Playa de las Catedrales oder Praia as Catedrais in Galizien in Spanien.

Quelle: Pau Casals/Unsplah

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Galicien

Steil ragen Felswände in die Höhe, Wasser und Wind haben Bögen, Fenster und Tore geformt, als seien die Steine die Wände einer gotischen Kirche. Playa de las Catedrales, auf Galicisch Praia as Catedrais, heißt der Strand an der spanischen Nordküste, nur bei Ebbe kommt der helle Sand zwischen den Schieferfelsen zum Vorschein. Ein spontaner Besuch ist im Sommer jedoch nicht nur wegen der Gezeiten schwierig. Von Juli bis September sowie zu Ostern und an einigen Feiertagen muss der Platz am Strand vorab online gebucht werden. Früher kamen bis zu 20 000 Menschen am Tag, jetzt sind maximal an die 5000 Besucher erlaubt. Tröstlich für alle, die keinen Platz mehr bekommen haben: In der Nachbarschaft gibt es noch mehr Strände.

Der Ort Manarola in der Region Cinque Terre in Italien

Quelle: Linh Nguyen/Unsplah

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Cinque Terre

Fünf malerische Orte kleben an der ligurischen Steilküste, bunte Häuser ziehen sich die Hänge hinauf. Schmale Wanderwege verbinden die Dörfer der Cinque-Terre-Region an der italienischen Riviera - in der Hauptsaison herrscht dort gern auch mal Fußgänger-Stau. Das liegt nicht nur am großen Andrang, sondern manchmal auch an der falschen Ausrüstung: Immer wieder mussten überforderte Flip-Flop-Träger mit dem Hubschrauber ausgeflogen werden, deshalb wurde für Wanderer in Gummischlappen ein Bußgeld von 50 bis 2500 Euro eingeführt. Das Ziel sei allerdings nicht, Strafen zu verhängen und daran zu verdienen, betonte ein Nationalpark-Sprecher. Es gehe um die Sicherheit der Wanderer. Nun kontrollieren Carabinieri das Schuhwerk. Offenbar mit Erfolg: Die Zahl der Verletzten sei drastisch gesunken, sagte der Sprecher.

Touristen feiern am Ballermann auf Mallorca.

Quelle: Getty Images

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Mallorca

Der Strandabschnitt "Balneario 6" in Palma de Mallorca, besser bekannt als Ballermann, ist - je nach Sichtweise - Party-Himmel oder Sauf-Hölle. Mit einer Reihe von Benimmregeln geht die Stadtverwaltung schon seit Jahren gegen Alkohol-Exzesse vor, zum Schutz der Anwohner und wohl auch mit Blick auf das Image der Ferieninsel, die der Sauf-Gäste ein wenig überdrüssig geworden ist. Deshalb wurden die Vorschriften verschärft: An der legendären Schinkenstraße darf seit 1. April nur noch im Lokal und nicht mehr auf der Straße getrunken werden. Entlang der gesamten Playa de Palma gilt ein Werbeverbot für Alkohol, die "Happy Hour" mit Billig-Drinks ist untersagt. Strafen von bis zu 3000 Euro können verhängt werden - man werde "mit Augenmaß vorgehen", erklärte ein Sprecher der Stadt.

Das Alkoholverbot richtet sich vor allem gegen eine ganz bestimmte Urlaubergruppe, doch mit weiteren Maßnahmen senden Insel-Politiker das Signal, dass der Massentourismus Natur, Landschaft und Sozialstruktur nicht weiter zerstören darf: Seit 2016 zahlen Urlauber eine Nachhaltigkeitsabgabe, die in Umweltprojekte fließt. Und seit 2018 ist in der Hauptstadt Palma die Vermietung von Privatwohnungen an Touristen nicht mehr erlaubt.

Ein Schiff fährt auf einer Gracht in Amsterdam

Quelle: dpa-tmn

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Amsterdam

Bierbikes sind schon verboten, ebenso Alkohol auf der Straße, Wildpinkeln und lautes Grölen - und von 2020 an auch Gruppenführungen durchs Rotlichtviertel. Die Strafen kassieren Ordnungshüter an Ort und Stelle per Kartenlesegerät. Amsterdam reagiert rigide auf die Respektlosigkeiten des Massentourismus. Ein bisschen erziehen und vor allem besser verteilen will man die Touristen. Deshalb wurde aus dem Strand der Stadt Zandvoort der "Amsterdam Beach"; Kastell Muiderslot, ein mittelalterliches Schloss 15 Kilometer südöstlich der Stadt, heißt nun "Amsterdam Castle". Und der besonders selfietaugliche "I amsterdam"-Schriftzug, der Slogan der Kampagne, die den Run auf Amsterdam in Bewegung setzte, steht nicht mehr vor dem Rijksmuseum, sondern wandert durch die ganze Stadt.

Island Schlucht Fjaðrárgljúfur

Quelle: Martin Sanchez/Unsplash

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Island

Der Name der Schlucht klingt so verwunschen, wie sie aussieht: Fjaðrárgljúfur heißt der rund zwei Kilometer lange Canyon im Süden von Island. Moos und Flechten hüllen die Felsen in einen grünen Pelz, für Touristen ein attraktives und fotogenes Ziel. 2015 ließ sich Popstar Justin Bieber dort für das Video für seinen Song "I'll Show You" in Szene setzen. Seit seinem Tanz über die grünen Felsen verdoppelte sich die Zahl der Besucher in der Schlucht auf fast 300 000 im Jahr. Solange sie auf den Wegen bleiben, ist das für das Ökosystem gerade noch verkraftbar. Im Frühjahr allerdings, wenn der Schnee taut, aber das Wasser noch nicht abfließt, wenn die Schuhe tief im Matsch versinken, dann zerstören die Besucher das Grün abseits der Wege - die Schlucht wurde deshalb in diesem Jahr erstmals für mehrere Monate geschlossen. Grundsätzlich setzt das Tourismusmanagement der Insel mehr auf Lenkung als auf Verbote: In einigen Straßen der Hauptstadt ist die Zahl der Restaurants und Bars begrenzt, Museen und Galerien wurden aus dem Zentrum in andere Viertel verlagert, um den Andrang zu entzerren.

© SZ.de/kaeb
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