Süddeutsche Zeitung

Tourismus in der Corona-Krise:Platz für Helfer

Die Corona-Krise trifft Hotels, Vermietungs-Plattformen und Reedereien hart. Einige haben kreative Ideen, wie der Leerstand sinnvoll genutzt werden kann - es geht auch ums eigene Image.

Von Ingrid Brunner und Monika Maier-Albang

Ob es auch in Deutschland funktionieren wird, weiß man noch nicht. Aber einen Versuch ist es wert: Seit kurzer Zeit bietet Airbnb eine Plattform an (airbnb.com/covid19relief), über die Gastgeber kostenlose Unterkünfte für medizinisches Personal und Hilfskräfte anbieten können. Das Unternehmen verzichtet auf Gebühren, die Gastgeber verzichten auf Miete. Weltweit haben sich dem Unternehmen zufolge bereits 40 000 Gastgeber bereit erklärt, Helfern eine Unterkunft anzubieten. Ganz uneigennützig ist das Angebot freilich nicht: Die zuvor so begehrten Ferienwohnungen und Zimmer stehen überall leer, was dem Unternehmen große Einbußen beschert.

"Viele Gastgeber sind auf uns zugegangen, sie wollen helfen", sagt Kirstin MacLeod, Sprecherin für Airbnb Deutschland. Verschiedene Szenarien, wer ein Appartement in Anspruch nehmen könnte, seien denkbar: Menschen, die in der Pflege tätig sind, ansonsten pendeln und nun vorübergehend eine Unterkunft in der Nähe ihrer Arbeitsstelle suchen. Ärztinnen, die mit infizierten Patienten Kontakt haben und ihre Familie daheim schützen wollen. Oder auch Pflegekräfte, die als Helfer fern ihres Wohnorts eingesetzt werden. In Italien und Frankreich ist die Aktion bereits angelaufen; in Frankreich hatte die Regierung die Plattform um Unterstützung gebeten. Die Gastgeber müssen eine Reihe Sicherheitsanforderungen erfüllen: Auf Social Distancing muss ebenso geachtet werden wie auf eine intensive Reinigung. Zudem darf, sobald ein Nutzer auszieht, die Wohnung erst nach Ablauf einer Frist von 72 Stunden neu besetzt werden. Trotz dieser Vorgaben nehme die Initiative "schnell Fahrt auf", sagt MacLeod.

Der Plattformbetreiber HRS hat nach eigenen Angaben in Deutschland 2000 Hotels ausfindig gemacht, die sich in einem Umkreis von 500 Metern eines Krankenhauses oder einer medizinischen Einrichtung befinden. Das Team prüfte nun in Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden, inwieweit diese Hotels als Unterkunft für Mitarbeiter im Gesundheitswesen zur Verfügung stehen können. Die Fleming's Hotels haben angekündigt, dass sie in München und Frankfurt, wo die Hotels zentral gelegen sind, Zimmer für Einsatzkräfte zur Verfügung stellen. In Spanien gibt es das bereits: Das Maria Cristina im baskischen Seebad San Sebastian hat 120 Betten für Corona-Patienten bereitgestellt. Gut fürs Image der Betreiber ist das allemal.

Einen anderen Weg gehen Betriebe wie die Achat-Gruppe, das Weserschlösschen in Nienburg oder das Hotel Cristal in Nürnberg: Sie bieten ihre Zimmer Home-Office- geschädigten Menschen an, denen daheim Platz oder Ruhe fehlen. Schreibtisch, High-Speed-Wlan, Laser-Drucker und Frühstück inklusive. Nur: Zahlen muss man hier natürlich.

Schwimmende Hotels zu schwimmenden Krankenhäusern? Micky Arison, CEO des weltweit größten Kreuzfahrtkonzerns Carnival, hat genau das dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump vorgeschlagen. Die Schiffe sind ja derzeit ungenutzt, und damit ließe sich Geld verdienen. Schon öfter kamen Carnival-Schiffe in Notsituationen zum Einsatz, etwa 2005 nach dem Hurrikan Katrina. Damals dienten etliche Schiffe auf dem Mississippi als Unterkünfte für Rettungsteams und technisches Hilfspersonal. Nun könnte man, so Arisons Idee, den dramatischen Bettenmangel in den Krankenhäusern lindern, indem man Patienten mit nicht infektiösen Erkrankungen auf Schiffe in den Häfen von New York, Los Angeles oder San Francisco verlegt.

Bilder von Hospital-Kreuzfahrtschiffen wären sicher auch gut fürs Image - nach den verstörenden Aufnahmen von der Diamond Princess vor Yokohama. Wie die New York Times berichtete, äußerte sich der Präsident nur vage, man diskutiere die Idee. Roger Frizzell, ein Sprecher der Carnival Corporation, erklärte hingegen, das Unternehmen sei schon mit einer Stadt im Gespräch. Welche das sei, wollte er aber nicht sagen.

Aber eignen sich Kreuzfahrtschiffe tatsächlich als Hospitäler? Kreuzfahrtexperten wie der Kieler Journalist Frank Behling bezweifeln das. Viele Kabinen seien baulich nicht geeignet: zu eng, die technische Ausstattung fehle, zudem seien zu viele Schaumstoffe und Textilien verbaut, die sich nur unter großem Aufwand desinfizieren ließen. Anders sieht das bei Fähren aus - in mehrerlei Hinsicht. Zum einen erlaubten deren Fahrzeugrampen und große Aufzüge den problemlosen An- und Abtransport von Patienten. Zum anderen sind die Kabinen nicht so aufwendig ausgestattet, die vielen glatten Flächen aus Metall und Kunststoff sind leichter zu reinigen.

Diese Idee wurde in Genua bereits umgesetzt. Dort hat das Fährunternehmen Grandi Navi Veloci, das zur MSC-Gruppe gehört, die Fähre Splendid umgerüstet. In Zusammenarbeit mit den italienischen Gesundheits- und Zivilschutzbehörden wurden zunächst 25 Kabinen in Krankenzimmer umgewandelt, die Kapazität könnte auf 400 erweitert werden. Auch Räume für das medizinische Personal sind an Bord. Man wolle damit die Versorgung in der Region Ligurien verbessern, hieß es dazu von MSC. Die Splendid hat einen Hubschrauberlandeplatz, erste Patienten sind bereits angekommen.

In den USA setzt man zunächst auf Lazarettschiffe der Navy. Die USNS Comfort liegt im Hafen von New York, das Schwesterschiff USNS Mercy vor Los Angeles. Die beiden umgebauten Tanker sind gigantische schwimmende Krankenhäuser, mit 1000 Betten, davon 80 für Intensivpatienten. Mercy und Comfort hatten bereits bei Erdbeben und anderen Naturkatastrophen in der Karibik zivile Einsätze. In Deutschland gebe es derzeit keine Pläne, Kreuzfahrtschiffe in Kliniken umzuwandeln, so der Reedereiverband Clia. Eher schon könnten auf den Marineschiffen Berlin und Frankfurt am Main Kranke behandelt werden. Beide Schiffe haben Lazarette - mit OP, Intensivstation, Platz für 45 Patienten - und sogar neun Isolierbetten.

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SZ vom 02.04.2020/ihe
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