Gefahren beim Freeriden:Darauf sollten Skifahrer abseits achten

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Den Umgang mit Lawinensuchgerät, Sonde und Schaufel und die richtige Fahrtechnik lernen Skifahrer in Kursen oder mit einem Ski-Guide. (Foto: Lisa Fail/Women's Progression Days by Lorraine Huber)

Selbst bei niedriger Lawinenwarnstufe kann das Vergnügen im Pulverschnee gefährlich sein. Wie sich Freerider vorbereiten und warum sie sich nicht vom "todgeilen Dreier" verführen lassen sollten.

Von Carolin Gasteiger

Mit diesen Tipps wollen wir Skifahren abseits nicht empfehlen, sondern auf die dort drohenden Risiken hinweisen. Bevor sich Wintersportler ins Gelände wagen, sollten sie die folgenden Punkte mit einem Ski-Guide, in einem Lawinenkurs oder Freeride-Camp unter Anleitung lernen und immer wieder auffrischen. Und im Zweifelsfall lieber auf eine Abfahrt verzichten, als das Leben zu riskieren.

Lawinenlagebericht prüfen

Im Lawinenlagebericht ( hier online vom DAV) finden Skifahrer wichtige Informationen über die Schneeverhältnisse und Lawinenwarnstufen. Die meisten tödlichen Unfälle passieren schon bei Lawinenwarnstufe 3, die oft nach üppigem Schneefall herrscht. Der Schweizer Lawinenforscher Werner Munter erfand dafür sogar einen eigenen Ausdruck. "Todgeiler Dreier" heißt, bei Lawinenwarnstufe drei einen Nordhang mit mehr als 35 Grad Neigung zu befahren. Auch bei Wetterumschwüngen kann die Lawinengefahr steigen, wenn es bei Föhnwetter plötzlich warm wird und der Schnee taut. Dann können sich Schneebretter leichter lösen. Bei schlechter Sicht ist ohnehin erhebliche Vorsicht geboten. Den Lawinenlagebericht können sich Smartphone-Besitzer auf ihr Handy herunterladen.

Sicherheitsausrüstung tragen ...

Ohne Lawinensuchgerät (Pieps), Sonde und Schaufel sollten sich Skifahrer nie ins Gelände wagen. Nach einem Lawinenabgang sind die ersten 15 Minuten lebensentscheidend, danach sinken die Überlebenschancen rapide. Wichtig ist zudem, dass alle in einer Gruppe komplett ausgestattet sind.

Viele tragen zusätzlich zu Pieps, Schaufel und Sonde einen Lawinen- oder ABS-Rucksack, aus dem beim Auslösen ein Airbag aufgeht, der den Skifahrer über der Lawine hält. Auch mit Lawinen-Airbag sind Sonde, Pieps und Schaufel unverzichtbar. Ein Handy sollten Skifahrer ebenfalls abseits bei sich tragen, aber nach einem Notfallanruf so weit weg wie möglich vom Lawinensuchgerät verstauen, etwa in der Deckeltasche des Rucksacks: Die Funkwellen stören die Signale des LVS-Geräts.

... und damit umgehen können

Der Pieps dient zur Ortung Verschütteter, man kann ihn von Senden auf Suchen umstellen und ein Pfeil gibt die Richtung an, aus der die Signale kommen. Die Modelle haben inzwischen zwei oder drei Antennen, die horizontal, vertikal oder zusätzlich in die Tiefe ausstrahlen. Je mehr Antennen, desto mehr Funkwellen - und desto größer die Chance, Verschüttete zu finden und das so schnell wie möglich.

Ist der Skifahrer mit dem Pieps grob ausgemacht, sucht man ihn genauer mit der Sonde, die man im 90-Grad-Winkel zur Schneedecke einsticht. In Lawinenkursen lernt man, auf unterschiedlichem Untergrund zu sondieren und entwickelt ein Gefühl für die verschiedenen Materialien.

Zuletzt wird mit der Schaufel der Schnee so weggeräumt, dass sich der Verschüttete wie aus einer Schublade herausziehen lässt. Das Schneeschaufeln kann sehr ermüdend sein, weshalb man sich dabei oft abwechseln sollte.

Faszination Freeriden
:Trend im Abseits

Skifahrer verlassen die präparierten Pisten und drängen ins Gelände. Auch wenn, wie in diesem Jahr, wenig Schnee liegt. Viele halten Freerider für Adrenalinjunkies, die sich leichtfertig in Gefahr begeben. Was macht das Freeriden so schön?

Eine Reportage von Carolin Gasteiger, Lech am Arlberg

Die genaue Handhabe von Pieps, Sonde und Schaufel sowie den Ablauf einer Notfallsituation können Skifahrer in Lawinenkursen üben. Es ist empfehlenswert, solche Sicherheitstrainings im Idealfall vor jeder Saison oder zumindest alle paar Jahre aufzufrischen. Je größer die Übung, desto schneller werden Verschüttete geborgen.

Gelände vorher anschauen

Auch wenn bereits Spuren in einen Hang führen, bedeutet das nicht, dass er sicher ist ( weitere Ski-Irrtümer finden Sie hier). Besonders gefährlich ist steiles, windausgesetztes Gelände, da sich hier Triebschneepakete bilden können. In diesen Paketen hält der vom Wind verblasene Schnee fest zusammen, ist aber mit der Schneedecke darunter kaum verbunden - und kann sich als Schneebrett leicht lösen. Wellenmuster auf der Schnee-Oberfläche weisen darauf hin. Außerdem sollten Skifahrer sich ansehen, wo eventuell verborgene Steine oder Felsen im Hang liegen und die eigene Fahrweise entsprechend anpassen. Wenn möglich, kann man schon vom Lift aus den Hang von unten begutachten und sich brenzlige Stellen einprägen.

Nie allein abseits fahren

"Man ist nicht alleine unterwegs im Gelände. Bei einem Problem kann der Zweite helfen oder zumindest Hilfe holen", rät Robert Schilling vom Deutschen Skiverband. Auch bei der Ortung von Lawinenverschütteten helfen weitere Personen. Umgekehrt können aber zu viele Skifahrer an einem Hang durch ihre Belastung leichter Schneebretter auslösen. Ideal sind etwa sieben Personen.

Besonders in steilen Passagen sollten sie ausreichend Abstand, etwa 30 bis 50 Meter, zum Vordermann lassen - sonst werden im Falle eines Lawinenabgangs gleich mehrere mitgerissen. Im Zweifel können die Skifahrer auch den ganzen Hang einzeln befahren und sich erst ganz unten treffen. Mehrere Gruppen in einem Hang sollten aufeinander Rücksicht nehmen und ausreichend Abstand lassen.

Etappen einteilen

Je länger eine Abfahrt, desto unsicherer wird es. Also ist es angebracht, sich die Abfahrt in Etappen einzuteilen und an möglichst sicheren, flacheren Stellen aufeinander zu warten.

Gesunde Selbsteinschätzung

Lockt der frische Pulverschnee auch noch so sehr: Zur eigenen Sicherheit müssen Skifahrer auch mal "Nein" sagen und auf eine Tour verzichten, wenn sie den Hang und die Schneelage nicht überblicken können. Selbstkritik ist auch bei der persönlichen Fitness angebracht: Hält man einen Tiefschneehang oder eine ganze Skitour durch? Im Zweifel raten Experten dazu, auf das Bauchgefühl zu hören. In seinen Freeride-Tipps erklärt Profifahrer Tom Kuster: "Sobald ich nur den kleinsten Zweifel habe, fahre ich auf Nummer sicher."

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