Tipps für Zürich:Mehr als Banken und Bahnhofstrasse

Warum die Friedhöfe von Zürich einen Besuch wert sind, eine Schiffsrundfahrt sich hier gleich dreifach lohnt und mit welchem Satz Sie Zürcher glücklich machen:

Wolfgang Koydl

Städtereisende wollen vieles erleben, am besten aber Orte entdecken, die nicht in jedem Reiseführer oder jeder App zu finden sind. Wer könnte besser durch die Stadt führen als jemand, der dort wohnt oder zumindest eine ganze Weile gelebt hat? Süddeutsche.de hat SZ-Korrespondenten in europäischen Metropolen gebeten, "ihre" Stadt anhand eines Fragebogens zu präsentieren. Wolfgang Koydl weiß, wo man den besten Blick über die Stadt hat, wo es die beste Zuger Kirschtorte der ganzen Eidgenossenschaft gibt und mit welchen Worten man einen Satz in Zürich keinesfalls beginnen sollte.

Städtetipps von SZ-Korrespondenten Zürich

Vom Wasser aus gesehen, entfaltet Zürich seinen ganzen Charme.

(Foto: Fedor Selivanov/iStockphoto)

Was macht Zürich als Stadt aus?

Zürich ist mehr als die üblichen Klischees von Banken, Geld und Bahnhofstrasse. Die gibt es zwar wirklich, aber die Stadt ist ein Potpourri aus mehreren europäischen Städten - und das auf engstem Raum: Im Niederdorf fühlt man sich in eine mittelalterliche deutsche Stadt versetzt, dann gibt es Anklänge an Wiens Ringstraßen-Architektur und an Pariser Flair; an der Sihl atmet man ein wenig Amsterdam und selbst osteuropäischen Brutalo-Baustil à la Minsk hat die Stadt zu bieten: am Helvetia-Platz. Die Atmosphäre freilich, besonders im Sommer mit den Straßencafés, ist südlich - französisch oder gar italienisch. Oder wie die Zürcher es nennen würden: Welsch.

Was unterscheidet Zürich von anderen Städten?

Zum einen die Lage: eingebettet zwischen grünen Hügeln, gelegen an einem lieblichen Fluss und an einem See, mit einem Blick bis hin zu Alpengipfeln. Zum zweiten die Größe: kompakt, überschaubar und zu Fuß erlaufbar. Zum dritten ihr Geist: Obschon klein, ist sie eine echte Weltstadt - mit einem intellektuellen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Horizont, der weit über diese Berggipfel hinaus reicht.

Diese Sehenswürdigkeit dürfen Sie nicht verpassen:

Die beiden Kirchen Großmünster und Fraumünster. Selten ist die Kombination aus Romanik und Gotik mit der Moderne so perfekt gelungen - dank der Fenster von Marc Chagall, Augusto Giacometti und Sigmar Polke. Und welche andere Kirche hat schon eine ähnlich abenteuerliche Gründungslegende wie das Großmünster, wo der Reformer Ulrich Zwingli predigte? An dieser Stelle soll das Pferd Kaiser Karls des Großen zusammengebrochen sein, als er einen Hirschen verfolgte - von Aachen aus bis an die Limmat.

Was ist noch sehenswerter, doch nur wenige Urlauber wissen davon?

Wer mal etwas ganz anderes will, sollte über Zürichs Friedhöfe wandern, in Fluntern etwa oder in Sihlfeld. August Bebel und James Joyce, Elias Canetti und Alfred Polgar - berühmte Emigranten sind hier begraben und nicht minder berühmte Schweizer wie Henry Dunant, der Gründer des Roten Kreuzes, der Schriftsteller Gottfried Keller ("Kleider machen Leute") oder Johanna Spyri, die Schöpferin von "Heidi".

Welches Viertel sollte man unbedingt besuchen?

Die beiden Teile der Altstadt östlich und westlich der Limmat. Hier kann man sich in einem Gewirr kleiner Gassen verlaufen, von Schaufenster zu Schaufenster, von Kaffeehaus zu Wirtshaus treiben lassen. Eine Oase der Stille in der Nähe des Hauptbahnhofs ist der Lindenhof, eine mit alten Linden bepflanzte Terrasse mit schönem Blick über die Dächer des alten Stadtkerns. Schon Casanova, Goethe, Richard Wagner und Johannes Brahms haben die Ruhe dieses Platzes genossen und gelobt.

Den schönsten Blick hat man ...

... trotz einiger Konkurrenz eindeutig doch vom Uetliberg, Zürichs 871 Meter hohem Hausberg. Hier liegt Ihnen nicht nur die Stadt zu Füßen, sondern bei gutem Wetter können Sie die Walliser, die Berner und die Glarner Alpen sowie im Norden den Schwarzwald erkennen.

Das können Sie sich in Zürich sparen...

Die viel gerühmte Bahnhofstrasse. Teuer und touristisch, seitdem wegen der astronomisch hohen Mieten immer mehr der alteingesessenen Geschäfte internationalen Ketten weichen müssen. Die Luxus-Boutiquen finden sich verstärkt am unteren Ende am See. Das obere Drittel am Hauptbahnhof unterscheidet sich kaum von der Fußgängerzone einer beliebigen deutschen Stadt.

Transport, Essen und Trinken

Hier finden Sie Wolfgang Koydls Empfehlungen für Essen und Trinken, für den kleinen Imbiss zwischendurch und für Ihren Weg durch die Stadt.

Städtetipps von SZ-Korrespondenten Zürich

Die Bahnhofstraße in Zürich ist eine der teuersten Einkaufsstraßen der Welt.

(Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

So kommen Sie durch die Stadt:

Zu Fuß oder mit der Straßenbahn - auf Schweizerdeutsch nicht die, sondern das Tram genannt. Die Zürich Card der Zürcher Verkehrsbetriebe (ZVV) gibt's für einen oder für drei Tage. Sie reduziert nicht nur die happigen Preise für Einzelfahrscheine, sie berechtigt auch zum kostenlosen Eintritt in die Museen.

Damit sollten sie unbedingt fahren:

Putzig ist die Polybahn, eine altmodische Standseilbahn, die Sie vom Central gegenüber dem Hauptbahnhof 41 Meter hoch zum Hauptgebäude der Eidgenössischen Technischen Hochschule bringt. Der Lohn: die Aussicht von der Poly-Terrasse. Außerdem: eine Rundfahrt mit einem der Schiffe der Zürichsee Schifffahrt & Gastro (ZSG) auf dem Zürichsee. Erstens gilt hier Ihre ZVV-Card, zweitens wirken alle Städte vom Wasser aus noch bezaubernder, und drittens gibt es auf diesen Schiffen die mit Abstand beste Zuger Kirschtorte der ganzen Eidgenossenschaft.

Steigen Sie bloß nicht ...

... in ein Taxi. Nicht, dass die Fahrer unehrlich wären und Sie übers Ohr hauen wollen, auch wenn der geforderte Preis diesen Schluss nahelegt. Aber es handelt sich um den amtlichen Tarif. Zürichs Taxen gehören zu den teuersten der Welt.

Wenn Sie hungrig sind, sollten Sie auf jeden Fall...

... Zürcher Gschnetzeltes essen. Auch wenn man das Gericht inzwischen weltweit bekommt, in seiner Heimatstadt schmeckt es noch immer am besten. Und die dazu gehörenden Rösti gelingen Nicht-Zürcher Köchen selten wirklich gut.

Das schönste Café:

Wien gilt zwar als Europas Kaffeehaus-Metropole, aber die Auswahl in Zürich ist nicht weniger umfangreich: Klassiker sind die Confiserie Sprüngli (unbedingt die leckeren Luxemburgerli probieren, die gibt's nur hier) oder das Jugendstil-Café Odeon am Limmatquai, wo schon Thomas Mann, Wladimir Lenin und Franz Léhar ihren Café Crème tranken. Generell gilt: Es ist in Zürich fast unmöglich, irgendwo schlechten Kaffee zu bekommen.

Das beste Restaurant:

Wer's gediegen, schweizerisch, historisch - und auch teuer - mag, der wird an der Kronenhalle nicht vorbei kommen. Hier verzehrten vor allem Künstler wie Picasso, Kokoschka und Andy Warhol ihren Rinderbraten oder die legendäre Mousse au chocolat. Max Frisch, James Joyce und Friedrich Dürrenmatt waren Stammgäste. Uriger, billiger und nicht weniger schweizerisch ist der Eisenhof nördlich vom Hauptbahnhof. Das Haus liegt in der Gasometer-Straße - ein Indiz, dass es hier noch nie schick, sondern eher deftig zuging.

Der Imbiss für unterwegs:

Brezen - entweder nur gebuttert oder belegt mit allem, was das Herz begehrt. Und im Winter Raclette mit heißen Pellkartoffeln und süßsauren Gurken.

Nachtleben und Kniggefragen

Städtetipps von SZ-Korrespondenten Zürich

Das Zentrum des Zürcher Nachtlebens ist der Kreis Fünf, das ehemalige Industrierevier im Westen der Innenstadt.

(Foto: © swisshippo - Fotolia.com)

Wo Sie sich in Zürich ins Nachtleben stürzen können und mit welchem Satz Sie jedem Zürcher eine Freude machen.

Typisch für das Nachtleben in Zürich ist:

Vor 30 Jahren noch war Zürich eine der verschlafensten Metropolen Europas - und das war durchaus wörtlich zu verstehen. Das Nachtleben schloss, bevor es anderswo überhaupt begann. Heute gilt Zürich als eine der coolsten und hipsten Party-Städte Europas. Das Zentrum ist der Kreis Fünf, das ehemalige Industrierevier im Westen der Innenstadt, das eine erstaunliche Transformation erfahren hat. Lokalitäten und Orte wechseln häufig - was heute in ist, kann nächsten Monat schon wieder super-out sein. Aktuelle Tipps gibt der Züri-Tipp, die freitägliche Veranstaltungsbeilage des Zürcher Tages-Anzeiger, auch online. Ansonsten gilt: Go with the flow - mittreiben lassen.

Mit diesem Satz kommen Sie überall zurecht:

"Sie können ruhig Schweizerdeutsch sprechen". Schweizer verfallen meist reflexhaft in Hochdeutsch, wenn sie Deutschen gegenüber stehen - und sind darüber todunglücklich. Denn wohl fühlen sie sich nur in ihrer Muttersprache. Und die ist in ihrer Zürcher Ausprägung durchaus auch für deutsche Ohren verständlich.

Darüber spricht man in Zürich:

Der knappe Wohnraum und die daraus resultierenden astronomisch hohen Mieten, die den Bereich der Stratosphäre bereits hinter sich gelassen zu haben scheinen und dennoch unaufhörlich weiter steigen.

Vorsicht, Fettnäpfchen! Das sagen Sie besser nicht:

Sätze aus deutschem Mund, die mit den beiden Wörtchen "Bei uns..." beginnen, kommen nicht wirklich gut an.

Näheres zu Wolfgang Koydl, dem Autor der Zürich-Tipps:

Wirklich exotisch ist eigentlich nur Deutschland für ihn, denn nach all den Auslandsstationen ist dies das Land, das er am wenigsten kennt. Für die SZ war Wolfgang Koydl sechs Jahre in London, davor fünf Jahre in Washington und ebenso lange in Istanbul, wo er über die Türkei, Griechenland und den Kaukasus berichtete. Bevor Koydl Anfang der 90er Jahre zur SZ stieß, wo er zunächst stellvertretender Ressortleiter Außenpolitik war, berichtete er für andere aus dem Ausland: Für die Deutsche Presse-Agentur (dpa) schrieb er über Perestroika und Glasnost in Moskau und über den Nahostkonflikt aus Kairo. Zwischendurch leitete er in Wien das außenpolitische Ressort der Presse und sendete für den damals noch existierenden deutschen Dienst der BBC aus London. Dieses bewegte Leben hat sich in einer Reihe populärer Bücher niedergeschlagen, zuletzt "Fish and Fritz" und "Bitte ein Brit" über seine Erlebnisse in Großbritannien. Seit dem Sommer 2011 berichtet Wolfgang Koydl für die SZ aus der Schweiz.

Lesen Sie auch die anderen Städtetipps von SZ-Korrespondenten für Istanbul, Paris, Tel Aviv, Stockholm, Moskau, Warschau und Madrid. In der nächsten Woche wird die Italien-Korrespondentin Andrea Bachstein Ihnen Empfehlungen für Rom geben.

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