Timberline Lodge:Spurensuche im Horror-Hotel

Die Timberline Lodge in Oregon ist der Schauplatz des Grusel-Klassikers "The Shining" mit Jack Nicholson. Wer das Hotel betritt, erlebt allerdings eine Überraschung.

Tom Noga

Der Weg zur Timberline Lodge führt durch dichten Nadelwald, flankiert von Mount Jefferson und Mount Hood, den höchsten Bergen des amerikanischen Bundesstaats Oregon. Rechts und links des Highways türmt sich der Schnee meterhoch. An einer Kreuzung mitten im Nichts zweigt die Timberline Road ab.

Sie windet sich in engen Serpentinen bergauf und endet nach zwölf Kilometern an einer zu groß geratenen Berghütte, die in den Schneemassen versinkt.

Das soll es sein, das Hotel aus "The Shining", Stanley Kubricks Gruselfilm, der auf dem gleichnamigen Roman von Stephen King basiert?

Der Eingang ist ein Wellblechtunnel in Form einer Ziehharmonika. Auch drinnen kein Wiedererkennen. Das "Overlook-Hotel", wie es im Film heißt, ist weitläufig und kühl, die Timberline Lodge dagegen eng und gemütlich. Böden, Decken, Wände und Möbel sind aus Holz, mitten in der Lobby lodert das Feuer in einem riesigen sechseckigen Kamin.

"Das Hauptgebäude, von dem zwei dreistöckige Flügel abgehen, ist sechseckig", sagt Linny Adamson. "Dieses architektonische Muster wird überall im Gebäude aufgenommen. Alles ist Schneekristallen nachempfunden: die Säulen, Tische, Lampenschirme."

Linny Adamson ist eine kleine Frau mit viel zu großer Brille. Ihre Visitenkarte weist sie als Kuratorin aus. Das Hotel steht unter Denkmalschutz, sie ist dafür zuständig, das alles so bleibt, wie es ist.

"Die Couch, auf der wir sitzen, war schon hier, als das Haus gebaut wurde. Alle Lampen und Eisenbeschläge sind original. Und wenn wir einen Lampenschirm auswechseln müssen, verwenden wir nur rohes Leder - kein Glas."

Die Timberline Lodge ist Linny Adamsons Leben. Seit 28 Jahren ist sie hier Kuratorin, davor war sie Buchhalterin. 70 Jahre ist das Hotel alt. Erbaut wurde es während des New Deal, als Präsident Roosevelt die Wirtschaft mit einem breit angelegten Investitionsprogramm aus der Weltwirtschaftskrise der frühen 30er Jahre führte.

Weil Holz knapp war, wurden Telegrafenmasten verbaut und Teppiche aus Armeedecken genäht.

Linny Adamson war hier, als Stephen King die Timberline Lodge im Herbst 1978 auf der Suche nach einem geeigneten Drehort besuchte, ebenso während der Dreharbeiten im Jahr darauf. Und zur Premiere des Films in Oregons Hauptstadt Portland am 18. Mai 1980 war sie als VIP geladen.

Während der Vorstellung brach Mount Saint Helens aus, der Vulkan auf der anderen Seite des Columbia Rivers im Staat Washington. "Wir kamen aus dem Kino, noch ganz verschreckt, und es regnete Asche - das werde ich nie vergessen."

Spurensuche in der Timberline Lodge.

Spurensuche im Horror-Hotel

Im zweiten Stock knarren die Holzdielen bei jedem Schritt. Zimmer 237 existiert nicht. Im Film war es Schauplatz eines Doppelmordes, der den Schriftsteller Jack Torrance, gespielt von Jack Nicholson, mehr und mehr in seinen Bann zieht. In der Romanvorlage hat das Zimmer die Nummer 217. Angeblich setzte Richard Kohnstamm, der Betreiber der Timberline Lodge, diese Änderung durch - ein Spukzimmer glaubte er seinen Gästen nicht zumuten zu können.

In der Lobby kann man den verstorbenen Hausherren auf einem kitschigen Ölgemälde bewundern: Richard Kohnstamm im Norwegerpullover, Lodge und Mount Hood im Hintergrund. Zu seinen Füßen Heidi.

Die Bernhardinerhündin ist unsterblich - segnet eine Heidi das Zeitliche, wird sie durch eine neue ersetzt.

Im Film stellt Jack Torrance seine Schreibmaschine in der Lobby auf. Er hat als Hausmeister im Overlook-Hotel angeheuert. In der winterlichen Abgeschiedenheit hofft er, Inspiration für ein neues Buch zu finden.

Stattdessen driftet er immer mehr in eine Phantasiewelt ab. Als seine Frau einen Blick auf das neue Manuskript wirft, erkennt sie das Ausmaß von Jacks Besessenheit. Auf 500 Seiten hat er immer nur einen Satz wiederholt: "All work and no play makes Jack a dull boy." Frei übersetzt: So viel Arbeit, und das Stück wird nicht fertig, das macht Jack ungenießbar.

Draußen beginnt es zu schneien. Oben im dritten Stock findet gerade eine Hochzeit statt. "Wie schön!", jubiliert Linny, "wir hatten jedes Jahr im Schnitt fünf oder sechs Hochzeiten, aber letztes Jahr waren es unglaubliche hundert."

Auf zwei Millionen Besucher kommt die Timberline Lodge jährlich, Tagesausflügler mitgezählt. Das Restaurant zieht Gourmets aus ganz Oregon an, die meisten aber kommen zum Skifahren, von Oktober bis Mai auf den Pisten um die Lodge, im Sommer weiter oben auf dem Palmer Snowfield.

Dann fallen Nationalteams aus aller Welt ein, stecken Bahnen ab und testen neues Material. Und dann ist da der "Shining"-Tourismus, der auch 27 Jahre nach der Premiere des Films nicht abreißt.

Ein Bild hier oben zeigt die Timberline Lodge, wie man sie aus Kubricks Meisterwerk kennt: eingeschneit zwischen zwei Tannen, dahinter Mount Hood, im Nebel nur schemenhaft zu erkennen. Gespenstisch sieht das aus - genau die richtige Kulisse für einen Gruselfilm. Wer die Lodge aus dieser Perspektive sehen will, den schickt Linny die Piste hinab, zu Fuß oder auf Skiern. Die meisten aber wollen das Labyrinth sehen, durch das Jack Torrance seinen Sohn hetzt und in dem er schließlich selbst erfriert.

Spurensuche im Horror-Hotel

Linny seufzt. Wie oft muss sie das erklären: Timberline war lediglich Kulisse für die Außenaufnahmen. Alles andere wurde in London gedreht, inklusive Verfolgungsjagd durch den Irrgarten. "The Shining" kann man in der Timberline Lodge nicht entgehen.

Im Souvenirshop gibt es Tassen und T-Shirts mit der berühmten Aufnahme von Jack Nicholson: unrasiert, mit fettigen Haaren, die Augen zu Schlitzen verengt, die Zähne gefletscht - ein Mann mit der Mission, seine Familie auszulöschen. Stephen King, damals ein nur Insidern bekannter Schriftsteller, war gegen Nicholson als Hauptdarsteller - schon in der Eröffnungsszene, als Torrance sich als Hausmeister im Overlook-Hotel bewirbt, lasse der irre Blick des Schauspielers keinen Zweifel, wohin die Handlung sich entwickle, wandte er ein.

Doch Regisseur Kubrick hielt an Nicholson fest. Ein von King verfasstes Drehbuch warf er ungelesen in den Papierkorb. Einmal rief er den Schriftsteller nachts an, um mit ihm über das Leben nach dem Tod zu diskutieren. Als King sich als gläubiger Christ zu erkennen gab, legte Kubrick mit den Worten "es gibt keinen Gott" auf.

Es wird Abend in der Timberline Lodge. Seit Stunden schneit es ohne Unterlass. Wie im Film, wo das Verhängnis beginnt, als der Kontakt zur Außenwelt abreißt. Um Punkt elf Uhr nachts schließt die Bar - Nachtruhe wie in einer Jugendherberge.

Die Zimmer sind klein, die Möbel alt, die Fenster lassen sich auch im ersten Stock nicht öffnen - so hoch türmt sich der Schnee an der Fassade. Immerhin, jedes Zimmer verfügt über einen Fernseher.

Und auf Kanal 24 läuft "The Shining". Hier muss der Schriftsteller Jack Torrance nach und nach erkennen, dass er nicht Autor eines Stücks, sondern sein Hauptdarsteller ist. Und dass seine Rolle verlangt, den Mord in Zimmer 237 zu wiederholen. Pünktlich zur Mitternacht dann Geräusche auf dem Flur. Was ist das für ein Schaben?

Und dann dieses Quietschen . . . Mit einem Schlag zersplittert die Tür.

Gott sei Dank nur im Film.

Informationen

Anreise: Hin- und Rückflug mit Lufthansa von München und Frankfurt aus nach Portland ab 750 Euro. www.lufthansa.com

Von dort dauert es eine gute Autostunde bis Timberline.

Unterkunft: Timberline Lodge, Timberline, OR 97028, USA, Tel.: 001/ 503 622 7979, www.timberlinelodge.com, E-Mail: reservations@timberlinelodge.com, DZ ab 105 Dollar.

Skigebiet: Puderschnee wie in den Rocky Mountains darf man in den Cascade Mountains nicht erwarten, der Schnee ist dennoch leicht und locker. Ski-Verleih ab 25 Dollar pro Tag, High-Performance-Skier ab 38 Dollar. Die Pisten sind leicht und beginnen und enden an der Lodge. Tagespass ab 28 Dollar im Winter. Mount Good Meadows bietet Pisten für jeden Geschmack, Mount Bachelor ein sonniges Skigebiet mit langen, abwechslungsreichen Abfahrten.

Weitere Auskünfte: Travel Oregon, Scheidswaldstr. 73, 60385 Frankfurt am Main, Tel.: 069/ 255 38 240, www.traveloregon.de

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