Tibet:Hohes Ziel

Samuel Zuder porträtiert in Tibet den Mount Kailash und die Pilger, die den unbestiegenen Berg umrunden.

Von Monika Maier-Albang

Sehen alle gleich aus, denkt man im ersten Moment. Wettergegerbte Gesichter, selten ein Lächeln, gehüllt in dickes Tuch. Muss ein entbehrungsreiches Leben sein, dort oben in Tibet. Aber dann, beim zweiten Hinsehen, erkennt man, dass jeder der Porträtierten seine Eigenheit hat. Und die Menschen gar nicht abweisend in die Kamera blicken, eher überrascht. Als fragten sie sich, was dieser Fremde da will, der mit seiner Großformatkamera vor ihnen steht und sie bittet, ein Bild von ihnen machen zu dürfen. So ganz unspirituell. Am heiligen Berg.

Der Hamburger Fotograf Samuel Zuder reiste 2012 nach Tibet, um sich dem Mount Kailash anzunähern. Und den Menschen, die ihn verehren. Ein einfaches Unterfangen war das nicht: Die chinesischen Behörden sperren die Region immer wieder für ausländische Besucher. Ohne chinesischen Begleiter, der gern mal als Aufpasser fungiert, darf dort kein Fremder hin. Zuder jedoch konnte sich von Tibetern führen lassen, was ihm sicher einen anderen Zugang zu den Menschen verschaffte.

Entstanden ist aus der Reise der Bildband "Face to Faith". Die Menschen, die Zuder abbildet, sind ja wegen ihres Glaubens hier. Der Berg ist Hindus und Buddhisten, aber auch Anhängern des Jainismus und des Bön (eine alte, lange unterdrückte tibetische Religion) wichtig. Wer woran glaubt, erkennt der Laie nicht. Aber dass diese Menschen mit einer Mission unterwegs sind, das schon. 54 Kilometer lang ist der Pfad, die Kora, auf dem sie den Kailash umrunden. Sie erhoffen sich Vergebung der Sünden. Einen Beichtvater braucht es nicht. Es reicht die Schinderei, aufzusteigen auf 5700 Meter. Manche gehen die Strecke in Tagen, andere wählen die noch härtere Tour: Sie werfen sich nieder.

Die Pilger sind Farbtupfen in karger Landschaft, mal zwischen braunem Fels, mal auf Schnee. Zu Fuß, allein, in kleinen Gruppen, in Begleitung eines Yak oder eines zotteligen Ponys, das solche Strapazen aushält. Mal sieht man sie aus der Nähe. Mal sind sie nur Punkte in einer Kulisse. Und die ist so gewaltig, dass sie wohl selbst Menschen, die an keinen irgendwie gearteten Gott glauben, ein Gefühl davon vermittelt, dass es jenseits der sichtbarer Grenzen doch etwas geben könnte.

Samuel Zuder: Face to Faith. Mount Kailash - Tibet. Hatje Cantz Verlag, Berlin 2016. 192 Seiten, 58 Euro.

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