Thüringen:Wartburg, Festung für Heilige und Gejagte

Die Wartburg in Thüringen ist eine Burg wie aus dem Bilderbuch, mit Martin Luther ist sie berühmt geworden. Erbaut aber wurde sie dank eines dreisten Betrugs.

Von Eva Dignös

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Illuminierte Wartburg

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Die Wartburg, im Nordwestlichen Thüringer Wald hoch über Eisenach gelegen, sieht aus, wie Kinder eine Burg malen: Ein Turm mit Zinnen und wehender Fahne, dicke Mauern, Rundbogenfenster, ein bisschen Fachwerk.

Sie sei tatsächlich die "ideale Burg", begründete das Welterbekomitee im Jahr 1999 die Aufnahme ins Unesco-Kulturerbe - als bislang einzige Burg in Deutschland. Diese Ehre wurde ihr natürlich nicht nur wegen ihrer Bilderbuch-Optik zuteil: Fast 1000 Jahre deutsche Geschichte sind mit diesen alten Mauern verbunden. Der berühmteste Bewohner auf Zeit war Martin Luther, der sich in der Burg vor den Getreuen des Kaisers versteckte. Doch auch Fürsten wirkten hier, ebenso wie eine asketische Heilige, ein großer Dichter und Denker war zu Gast - und ein berühmter Bayer.

Wartburg in Eisenach; Wartburg

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Schon um die Gründung der Wartburg rankt sich eine Legende: Graf Ludwig der Springer wollte im 11. Jahrhundert auf dem strategisch günstigen Felsen 200 Meter über der Ebene unbedingt eine Burg bauen, nur: Das Land gehörte ihm nicht. Kurzerhand sorgte er dafür, dass Erde aus seinem eigenen Gebiet auf den Berg gekarrt wurde - damit stand sie auf seinem Grund und Boden. 1067 wird als Gründungsjahr der Burg genannt, historisch belegt ist das nicht. Immerhin steht geschrieben, dass sie 1080 schon stand. Damals war es durchaus üblich, Land, das niemandem eindeutig gehörte, einfach mit einer Burg zu besetzen.

Die Ur-Wartburg war aus Holz und noch ziemlich schlicht. Ab Mitte des 12. Jahrhunderts ersetzten die Burgherren die Holzwände durch steinerne Mauern. Eine Holzburg bot nicht mehr ausreichend Schutz vor den neuen Kriegswaffen. Der Aufwand lohnte sich: Eingenommen wurde die Burg nie, denn ihr Standort auf einem damals noch nicht bewaldeten Felsen bot freie Sicht übers ganze Land.

Festakt auf der Wartburg eröffnet Thüringer Lutherjahr

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Der Palas, das Hauptgebäude der Burg (im Bild links), stammt aus jener Zeit: Die Eichenholzdecken im Keller datieren aus dem Jahr 1157. Die Arbeit an den insgesamt vier Stockwerken mit ihren romanischen Bögen war mühsam: Vier Jahre brauchte man für den Bau - pro Etage. Einige Jahrzehnte später sollte das repräsentative Gebäude Schauplatz eines legendären Musikspektakels werden.

Wartburg in Eisenach; Wartburg

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Landgraf Hermann I. lud Anfang des 13. Jahrhunderts die berühmtesten Minnesänger seiner Zeit an seinen Hof oben auf der Wartburg. Mittelalter-Stars wie Walther von der Vogelweide war darunter, ebenso Wolfram von Eschenbach.

Das Musikfest mit Staraufgebot wurde - zumindest in der Legende - zum "Sängerkrieg auf der Wartburg" (im Bild eine Darstellung auf einem Fresko in der Burg): Weil einer der Darbietenden beim Sängerwettstreit dem Herrscher nicht huldigte, drohte ihm der Tod. Ein Zauberer aus Ungarn musste schlichten. Richard Wagners Oper "Tannhäuser" beruht auf der mittelhochdeutschen Dichtung vom Sängerkrieg, in dem auch die Heilige Elisabeth von Thüringen eine wichtige Rolle spielt - die nächste in der Ahnenreihe der Wartburg-Berühmheiten.

Vorbereitung Thüringer Landesausstellung; Wartburg Elisabeth

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Denn für Frieden im Sängerkrieg sorgte der Zauberer auch deshalb, weil er eine gute Nachricht verkündete: die Geburt einer kleinen ungarischen Prinzessin mit Namen Elisabeth. Das stimmte den Landgrafen milde, denn der sah in dem Baby gleich die künftige Schwiegertochter. Das klingt nach Legende, entspricht aber historischen Tatsachen. Im Alter von nur vier Jahren zog Elisabeth nach Thüringen und wuchs am Hof auf. Mit 14 heiratete sie den sieben Jahre älteren Ludwig.

Die junge Landgräfin begeisterte sich für das Ideal der Besitzlosigkeit, das Franziskanermönche in Eisenach vorlebten. Sie unterstützte das Kloster, kümmerte sich um arme Menschen. Eines Tages soll ihr Mann sie zur Rede gestellt haben, als sie Brot verteilen wollte. Doch als sie den Deckel ihres Korbs öffnete, waren Rosen darin - das Rosenwunder der Heiligen Elisabeth. Aber ganz so Schwarz-Weiß war die Geschichte wohl nicht: Ludwig soll sie in ihrer wohltätigen Arbeit unterstützt haben, sagen Historiker.

Wartburg in Eisenach; Wartburg

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Mit 20 Jahren wurde Elisabeth Witwe, verließ den Hof und widmete ihr Leben der Unterstützung armer und kranker Menschen. Vier Jahre später starb die barmherzige Landgräfin, nur weitere vier Jahre darauf wurde sie heilig gesprochen.

Eine der Legenden, die sie hinterlassen hat, lebt noch immer auf der Wartburg: Die weißen Tauben soll die Vierjährige mitgebracht haben, als sie aus ihrer Heimat Ungarn nach Thüringen zog. Die Pfautauben, die ihre Schwanzfedern wie das Rad eines Pfaus aufstellen können, stammen ursprünglich aus Indien.

Die Wirkungsstätten von Martin Luther

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Gut 300 Jahre später zieht ein bekennender Elisabeth-Fan unfreiwillig auf der Wartburg ein. Martin Luther verehrte zwar nicht die Heilige, denn der Kult widersprach dem reformatorischen Gedanken. Aber er bewunderte Elisabeth für ihre Barmherzigkeit.

Der Reformator war in Lebensgefahr, als er 1521 vom Reichstag in Worms in seine Heimat zurückreiste: Der Kaiser hatte ihn mit dem Bann belegt, damit war Luther de facto rechtlos. Er hätte getötet oder nach Rom an den Papst ausgeliefert werden können. Der Wittenberger Kurfürst Friedrich der Weise war auf seiner Seite und inszenierte einen Überfall, um ihn vor seinen Verfolgern verstecken zu können.

Als "Junker Jörg" bezog Luther ein Kämmerchen auf der Wartburg. Eingeweihte gab es kaum, es hielten nur noch wenige Personen die Stellung auf der Wartburg, die schon längst nicht mehr als Residenz diente: In der Stadt lebte es sich komfortabler.

Die Lutherstube zog schon bald die ersten Touristen an: Die frühesten Kratz-Graffiti an der Wand stammen aus dem 16. Jahrhundert. Die Fans des Reformators nahmen auch gern ein Andenken mit: Sein Schreibtisch wurde Span für Span abgetragen. Original ist noch der Wal-Wirbel am Boden, der Luther als Fußschemel diente.

Ausstellung 'Luther und die deutsche Sprache'; Luther Bibel Wartburg

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Zehn Monate blieb Martin Luther auf der Wartburg, in den letzten zehn Wochen seines Aufenthalts packte er eine Mammutaufgabe an: Er übersetzte das Neue Testament erstmals aus dem griechischen Urtext ins Deutsche. Jeder sollte die Texte der Bibel verstehen können. Luthers Übersetzung gilt deshalb auch als Initialzündung auf dem Weg zu einer einheitlichen deutschen Sprache.

Bei der Arbeit störte ihn, so erzählt die Legende, der Teufel höchstpersönlich. Beherzt habe der Reformator das Tintenfass nach ihm geworfen. Ein schwarzer Fleck an der Wand, der immer wieder sorgfältig nachgemalt wurde, diente jahrhundertlang als Zeugnis für diese Geschichte - die sich so ähnlich übrigens auch an anderen Orten zugetragen haben soll, an denen sich Luther aufgehalten hat.

Kaum war die Bibelübersetzung fertig, verließ Luther im März 1522 die Wartburg - und kehrte nie wieder zurück.

Wartburg

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Die Wartburg galt nun vor allem als Luther-Ort, die ersten Besucher kamen. Den schleichenden Verfall der Burg konnte die Verehrung nicht aufhalten. Die Wartburg war einfach nicht mehr wichtig genug, um Geld hineinzustecken. Auch der Bergfried, der zentrale Turm, ging verloren.

Einem berühmten Gast gefiel das gar nicht: 1777 und 1784 wohnte Johann Wolfgang Goethe, damals Minister am Hof in Weimar, für mehrere Wochen auf der Wartburg. Begeistert beschrieb er diese und vor allem ihre Umgebung in Briefen an seine Freundin Charlotte von Stein. Goethe versuchte, die geschichtsträchtigen Mauern wieder mit Leben zu füllen: Er veranlasste, dass eine Sammlung von Rüstungen in den alten Räumen ausgestellt wurde, und machte sich Gedanken über eine Neumöblierung der Kapelle.

Wartburgfest, 1817

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Anfang des 19. Jahrhundert regte sich in Deutschland, das zu der Zeit in viele kleine Territorien zersplittert war, der Wunsch nach nationaler Einheit. Luther, der Förderer einer einheitlichen Sprache, wurde zu einer Symbolfigur dieser Einheitsbewegung, die vor allem von Studenten vorangetrieben wurde. 1817, als sich die Reformation zum 300. Mal jährte, trafen sie sich auf der Wartburg, um ihre Forderungen lautstark kundzutun und gegen reaktionäre Politik und Kleinstaaterei zu demonstrieren, weitere Wartburgfeste folgten in den kommenden Jahrzehnten.

Reformationsdekade beginnt im September

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Auch die Wartburg selbst wurde dadurch zum Sinnbild der Nationalbewegung. Carl Alexander, Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, betrieb Mitte des 19. Jahrhunderts die Wiederherstellung der Burg, um "der Nation ein Denkmal zu schenken". Die noch erhaltenen alten Gemäuer wie der Palas wurden durch Neubauten im mittelalterlichen Stil ergänzt, ein neuer Bergfried mit goldenem Turmkreuz entstand. Die Burg erhielt nun ihre heutige Form. Der Maler Moritz von Schwind schmückte einige Räume mit Fresken, die Geschichten und Legenden der Wartburg zeigen.

dpa-Story: Schloss Neuschwanstein

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Wenig später, im Jahr 1867, kam ein berühmter Bayer inkognito zu Besuch: König Ludwig II. war begeistert von der Wartburg, war sie doch Schauplatz der von ihm hoch geschätzten Wagner-Oper "Tannhäuser". Besonders der reich ausgestattete Festsaal hatte es dem bayerischen König angetan: Auf Schloss Neuschwanstein ließ er ihn nahezu originalgetreu nachbauen.

Wartburg in Eisenach; Wartburg Besucher

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Die Wartburg, obwohl mehr Rekonstruktion als Original, funktioniert bis heute als anschauliches mittelalterliches Geschichtsbild, als Symbol deutscher Teilung und deutscher Einheit. Einsam ist es dort nicht mehr: Etwa 350 000 Besucher jährlich steigen zu Fuß den Berg hinauf oder lassen sich ganz traditionell auf dem Rücken eines Esels fast bis zum Tor tragen.

Informationen

Die Wartburg ist täglich geöffnet, im Winterhalbjahr finden die Führungen zwischen 9 und 15.30 Uhr statt, im Sommer zwischen 8.30 und 17 Uhr. Schwerpunkt der nächsten Sonderausstellung wird - natürlich - Luther sein: Von 4. Mai bis 5. November 2017 widmet sie sich dem Thema "Luther und die Deutschen". www.wartburg.de

© SZ.de/kaeb/mikö
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