Thüringen: Bad Frankenhausen:Eine Million Euro - oder er fällt um

Der Bürgermeister will den schiefen Turm von Bad Frankenhausen erhalten, die Kirche würde ihn am liebsten abreißen.

Christiane Kohl

Im Rathaus von Bad Frankenhausen in Thüringen hat Bürgermeister Matthias Strejc den alten Kirchturm stets im Blick: Wenn der Politiker aus dem Fenster schaut, kann er dessen Spitze sehen. Auch sonst dreht sich für den Bürgermeister in diesen Tagen alles um den schiefen Turm, der als Wahrzeichen der kleinen Kurstadt am südlichen Harzrand gilt: "Es muss doch möglich sein, ihn zu retten", sagt Strejc. Die Kirche wie auch die zuständige Landkreisverwaltung möchten den Turm nämlich lieber heute als Morgen abreißen - er gilt als einsturzgefährdet.

Im Rathaus aber kämpft man entschlossen für seinen Erhalt. In ihrer Not haben die Mitarbeiter der Stadtverwaltung sich jetzt auf eine ungewöhnliche Aktion verständigt: "Wir arbeiten einen Tag umsonst für den Turm", erläutert der Bürgermeister. Tatsächlich wollen alle 31 Mitarbeiter das Gehalt, das sie an diesem Dienstag verdienen würden, für die Rettung des Turmes stiften.

Eine Million Euro werden gebraucht, um den Turm zu erhalten, auf einem kürzlich eingerichteten Spendenkonto der Stadt sind immerhin schon 16.000 Euro eingegangen, "und es werden täglich mehr", sagt Strejc. Auch auf Facebook ist der schiefe Turm mittlerweile vertreten: "Rette mich, sonst fall' ich um", lautet das Motto - die Fangemeinde zählt bundesweit schon 650 Mitglieder.

Bürgermeister Strecj hat die Rettungsaktion angekurbelt, weil derzeit weder von der Kirche noch von den Behörden Geld für die Erhaltung des Turmes zu erwarten ist, was nicht verwundert. Es ist schon viel öffentliches Geld in das Projekt hineingeflossen. So war nach der Wende zunächst die Turmhaube mit neuem Schiefer vertäfelt worden, schon diese äußerliche Sanierung hatte viel Geld gekostet. Dann wurden rund 700.000 Euro Fördermittel ausgegeben, um zu erkunden, wie der Turm zu stabilisieren sei. Das Bauwerk steht auf einem gipshaltigen Untergrund, in dem es vermutlich zu Auswaschungen gekommen ist.

Schon im 18. Jahrhundert ging der Turm in Schieflage, mittlerweile ist seine Spitze um 4,45 Meter aus dem Lot geraten. Der Turm ist damit genau 38 Zentimeter schiefer als jener in Pisa.

Bürgermeister Strejc schwebt denn auch eine touristische Entwicklung für sein kleines Städtchen vor: "Was Pisa für die Italiener ist, das sollte Bad Frankenhausen für Deutschland sein", sagt er - wenn nur genügend Geld zusammenkäme, um den Turm zu erhalten.

Die Kirche, die Eigentümerin ist, bleibt dabei, sie will nichts bezahlen: "Wir müssen uns auf die Bauwerke konzentrieren, die für kirchliche Zwecke benötigt werden", sagt Stefan Große, der Finanzdezernent der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Das seien immerhin 1500 Kirchen in Thüringen, und dies bedeute eben: "Für touristische Attraktionen haben wir kein Geld".

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