Süddeutsche Zeitung

Thomas Cook streicht alle Reisen:Was Kunden jetzt wissen müssen

Lesezeit: 4 min

Von Katja Schnitzler

Er ist der älteste Reisekonzern der Welt - und pleite. Was Urlauber jetzt wissen müssen.

Wer ist von der Insolvenz betroffen?

Die deutsche Thomas Cook sagt alle Reisen von Januar 2020 an aus insolvenzrechtlichen Gründen ab: Noch gebe es kein belastbares Angebot, um das Unternehmen als Ganzes oder in Teilen fortzuführen. Zuvor waren schon alle Urlaube erst bis Ende Oktober, dann bis Ende Dezember gestrichen worden - auch wenn Kunden sie teilweise oder vollständig bezahlt haben. Betroffen sind auch Reisen, die bei den Marken Thomas Cook Signature, Thomas Cook Signature Finest Selection, Neckermann Reisen, Öger Tours, Bucher Reisen und Air Marin sowie Thomas Cook International gebucht wurden. Nicht betroffen sind laut Thomas Cook Reisen von Drittveranstaltern, die Kunden über neckermann-reisen.de und urlaub.de oder in den Thomas-Cook-Reisebüros erworben haben.

Für den Zeitraum bis September 2020 hatten früheren Angaben des Unternehmens zufolge etwa 660 000 Urlauber gebucht.

Wenn noch möglich, sollten Betroffene ihr Geld möglichst schnell rücküberweisen lassen - bei einer Zahlung per Lastschrift gilt etwa eine Frist von acht Wochen. Auch wer mit Kreditkarte gezahlt hat, kann versuchen, das Geld zurückzuholen.

Wer kümmert sich nun um Ansprüche der Pauschalreisenden?

Im Fall von Thomas Cook ist die Schweizer Zurich Versicherung zuständig, welche wiederum die Kaera AG beauftragt hat, sich um die Ansprüche zu kümmern. Das Webformular sowie Informationen zur Schadenmeldung finden Sie hier; sollte keine Internetverbindung bestehen, erreichen Urlauber die Kaera AG unter +49 (0)6172 - 99 76 11 23. Ansonsten steht immer auf dem Sicherungsschein, den Pauschalreisende erhalten, wer der Versicherer im Insolvenzfall ist. Der Sicherungsschein wird mit der Buchungsbestätigung ausgegeben oder ist auf deren Rückseite aufgedruckt.

Wo muss man noch Ansprüche anmelden?

Das Justizministerium hat Pauschalreise-Kunden von Thomas Cook im Januar aufgefordert, ihre Ansprüche auch beim Insolvenzverwalter kundzutun. Das sei Voraussetzung dafür, das versprochene Geld vom Bund zu erhalten, heißt es aus dem Ministerium.

Die Bundesregierung hatte entschieden, für die Schäden der Reisenden einzuspringen, die von der Zurich Versicherung nicht beglichen werden. Da die Versicherungssumme nicht für den Gesamtschaden ausreicht, zahlt die Versicherung nur 17,5 Prozent. Wie die Verbraucher an das Geld vom Staat kommen sollen, ist allerdings weiter offen. In den nächsten Wochen werde die Bundesregierung über ein einfaches und für die Reisenden kostenfreies Verfahren informieren, erklärte das Justizministerium.

Wann werden die Kunden entschädigt?

Eigentlich von Dezember an - allerdings ist bereits jetzt klar, dass die versicherte Summe bei weitem nicht ausreichen wird, so dass die Geschädigten ihr Geld höchstens zum Teil wiederbekommen werden: Denn die deutsche Thomas Cook war nur bis 110 Millionen Euro bei Zurich versichert. Zum Zeitpunkt der Insolvenz waren aber 140 000 Reisende unterwegs, die ihren Urlaub teils abbrechen mussten - allein die Kosten dafür dürften den Betrag schon überschreiten. Dazu kommen Gäste, die wegen des Reisestopps nicht starten können, ihren Urlaub aber schon an- oder voll gezahlt haben: Nach Angaben des Versicherers sind bis 1. November bereits etwa 150 000 Schadenmeldungen eingegangen im Volumen von mehr als 250 Millionen Euro - und da sind die Urlauber, die zurückgeholt wurden, noch gar nicht einberechnet.

Fragt Thomas Cook wirklich Kundendaten per Mail ab?

Nein, diese Mails ja nicht beantworten! Als wären die verhinderten Urlauber nicht geschädigt genug, schicken Betrüger solche Mails mit Thomas-Cook-Firmenlogo herum und hoffen, so an sensible Daten von Pass und Kreditkarten zu kommen.

Welche Rechte haben die Reisenden generell bei einer Insolvenz?

In Deutschland gilt: Auf der - leider nur halbwegs - sicheren Seite sind Pauschalreisende, die einen sogenannten Sicherungsschein erhalten haben. Die Unternehmen sind versichert und müssen für Ersatz sorgen oder das Geld zurückzahlen. Das gilt auch für Kunden, die sogenannte "verbundene Reiseleistungen" gebucht haben: Voraussetzung dafür ist, dass mindestens zwei Bausteine eines Urlaubs - etwa Hotel und Flug - innerhalb von 24 Stunden beim selben Anbieter gekauft wurden, sei es auf einem Online-Portal oder im Reisebüro. Für jede einzelne Leistung muss aber eine eigene Bestätigung und Rechnung erstellt werden, selbst wenn der Gesamtpreis auf einmal bezahlt wird. Dann ist das Geld auch bei "verbundenen Reiseleistungen" abgesichert und Urlauber werden, falls sie schon unterwegs sind, kostenlos zurückgeholt.

Ein großes Problem gibt es aber: Diese Versicherung ist auf 110 Millionen Euro gedeckelt - für Ansprüche, die darüber hinausgehen, müsste der Staat und damit der Steuerzahler einspringen.

Was erwartet Individualreisende?

Wer einzeln einen Flug, ein Hotel oder einen Mietwagen bucht, hat im Krisenfall schlechte Karten. Individualreisende haben keinen Anspruch auf Ersatzflüge oder auf eine Unterkunft und müssen auf eigene Kosten neu buchen, wenn sie überhaupt noch verreisen wollen. Das von ihnen bezahlte Geld wird - sofern noch vorhanden - Teil der Insolvenzmasse. Betroffene müssten dann ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden, zuständig ist die Kanzlei hww. Solche Verfahren können Jahre dauern, am Ende haben einzelne Passagiere oft das Nachsehen gegenüber größeren Gläubigern.

Hilft es, wenn Individualreisende einen Flug im Reisebüro gebucht haben?

Auch dann bleiben die Kunden in der Regel auf ihren Kosten sitzen, weil die Reisebüros (außer bei "verbundenen Reiseleistungen") meist nur als Vermittler auftreten. Der Vertrag wird also zwischen Airline und Kunde geschlossen, dieser bekommt somit keinen Sicherungsschein - und hat damit Pech gehabt. Trotzdem sollten Betroffene schnell nachforschen. Vielleicht wurde ihr Geld noch nicht weitergeleitet, außerdem kann es zeitlich begrenzt zurücküberwiesen werden.

In einigen Fällen jedoch ist das Reisebüro oder -portal selbst der Vertragspartner, wenn es die Flüge über einen Großhändler günstig eingekauft und sie an den Privatkunden weiterverkauft hat. Dann sei das Reisebüro als Zahlungsempfänger und Aussteller auf der Rechnung ausgewiesen, erklärte Reiserechtler Ernst Führich bereits in Zusammenhang mit der Insolvenz von Air Berlin. Selbst wenn auf dieser Rechnung stehe "Wir vermitteln Ihnen den Flug", sei dies nur ein Versuch, sich der Haftung zu entziehen, so Führich. Ein Reisebüro, das zum Veranstalter wurde, sei für einen Ersatzflug zuständig oder muss den Flugpreis zurückerstatten.

Sollten sich Reisende also besser gegen Airline-Insolvenzen versichern?

Urlauber, die eine Direktreise über Vermittlungsportale, Reisebüros oder Airlines kaufen, sollten sich eine Airline-Insolvenz-Versicherung überlegen, die meist nicht zu viel kostet - und sich vor allem bei teuren Flügen lohnt und natürlich wenn schon wirtschaftliche Schwierigkeiten der Fluggesellschaft bekannt sind.

Allerdings muss man das Kleingedruckte genau lesen, damit nicht die schon angeschlagene Airline bei der Insolvenzversicherung ausgeschlossen wurde. Und manche Versicherungen erstatten nur den Reisepreis. Wer aber auf jeden Fall ans Ziel oder von dort wieder problemlos heimkommen will, sollte darauf achten, dass eine Umbuchung auf eine andere Airline Teil des Versicherungspakets ist.

Die Fluggesellschaften selbst sind nicht verpflichtet, sich gegen Insolvenz zu versichern, womit dann auch Individualreisende mehr Sicherheit hätten. Verbraucherschützer kritisieren diese Versicherungslücke, denn so trägt der einzelne Urlauber das Risiko statt die Airlines.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4678495
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/mit Material von dpa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.