Süddeutsche Zeitung

Thailands Inselwelt:Abseits der Massen

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Mit dem Segelschiff kommt man in der Andamanensee auch zu Gewässern mit einsamen Inseln und Stränden. Mit den Passagieren auf den großen Schiffen möchte man da gar nicht tauschen.

Von Anja Martin

Dass dies eine andere Kreuzfahrt ist, verstehen Passagiere mit geschlossenen Augen. Da ist das lang gezogene Knarren von sehr vielen Tauen. Das Knattern von Segeln, bevor die Brise so richtig hineinpfeift. Das Singen der Wanten. Und das Surren der Automatikwinschen, an denen die Matrosen kurbeln. Dazwischen die sparsamen Rufe des Kapitäns, der dem Steuermann ansagt, wie stark er den Kurs korrigieren soll.

Es ist nicht so, dass eine Kreuzfahrt unter Segeln lautlos vonstatten ginge. Es ist eher so, dass die Geräusche vielfältiger sind, verglichen mit dem gleichförmigen Dröhnen eines Motors. Wer die Urlaubsreise übers Meer auf einem Viermaster antritt, schaut gar nicht so oft in die Ferne, stattdessen in die Höhe, an den 60-Meter-Masten entlang, hinauf in die Takelage. Denn hier bewegt sich immer etwas - und wenn nicht, gleitet der Blick in den blauen Himmel oder in den Sternenhimmel, denn die Star Clipper segelt auch oft nachts.

Vorhin in der Patong-Bucht auf Phuket lag noch eins der größten Kreuzfahrtschiffe der Welt. Mehr als 4000 Passagiere im Vergleich zu maximal 170 auf der Star Clipper. Wie ein schwimmender Apartmentriegel mit verglasten Kabinen und Balkonen statt Bullaugen. Mit Kletterwand, Fallschirm- und Surfsimulator, Skybar mit Barkeeper-Robotern und einer gläsernen Aussichtskabine am Kran. Doch keiner der Passagiere an Deck der Star Clipper ist an diesem Einschiffungsabend neidisch, denn sie haben stattdessen die ganze Seefahrertradition mit Steuerrad, Sextant, Rahsegeln, Matrosenanzügen, hölzernen Decks, Messing, Pianobar und Teppichböden mit Seemannsknotenmotiv. Sie kennen den Barkeeper schon nach dem ersten Drink beim Namen, dürfen auf Wunsch in den Ausguck klettern oder in einem Netz am Bug liegen, nur das Wasser unter sich. Außerdem wissen sie, dass sie Routen fahren werden, die den Giganten gar nicht erlaubt sind. Denn die Nationalparks in der Andamanensee, durch die der Viermaster in der nächsten Woche segelt, bleiben den Großen verschlossen. Es wartet eine Tour abseits der Massen.

Der Viermastsegler Star Clipper in der Bucht von Phang Nga in der Andamanensee.

Echte Seglerromantik: Nah am Wasser abhängen im Netz am Buspriet.

Für die Ordnung der Seile und Taue auf Deck sorgt eine Mannschaft von ausgebildeten Matrosen.

Eine Durchsage braucht es nicht, wenn das Schiff sein Etappenziel erreicht. Das Rattern der Ankerkette dröhnt bis in die Kabinen. Dazu die Schläge der Schiffsglocke, die ansagen, wie viele Schäkel (jeweils rund 27 Meter) Kette schon hinabgelassen wurden. Jetzt, vor Koh Adang, im Nationalpark Tarutaro, machen sich alle bereit zum Tendern. Strandtuch unterm Arm, dazu Schnorchelmaske und Flossen - so setzen nach und nach die Passagiere zum Monkey Beach über. Die Inselgruppe Koh Butang ist nur unter Seglern bekannt. Außer ein paar Badenden, die mit Booten vom Festland herüber kommen, gibt es nur Sand, klares Wasser und Affen, die auf Taschen und Sonnenbrillen stehen. "Ja, sie können auch Reißverschlüsse öffnen", hat Peter Kissner allen eingeschärft.

Der Bayer, Haare sonnengebleicht, Haut sonnengebräunt, arbeitet schon seit vielen Jahren auf den Schiffen der Reederei Star Clippers. Sein Titel: Kreuzfahrtdirektor. Er macht Ansagen, streut je nach Thema Anekdoten oder Wissen ein. Er erklärt, was es heißt, wenn der Ankerball sichtbar oben ist. Nämlich dass der Anker dann unten ist. Wie die Crew untergebracht ist. Wie Thais auf Garnelenfarmen schuften. Wie die Zahl der Touristen zugenommen hat. Kissner war auch mit Einheimischen auf Vogelnestersuche, eine Delikatesse. Nah dran sein an den Einheimischen und am Authentischen - das ist sein Ding. Dass Kreuzfahrturlauber nichts mitbekommen würden vom Land, wird hier schon vor dem ersten Land- oder Inselgang widerlegt. Nur über eins wird nie gesprochen: Politik.

Ganz oft driftet man an Deck ohnehin in eine andere Zeit, als noch die Ozeane die Welten verbunden haben, nicht der Himmel. Die Star Clipper, Baujahr 1992, wurde nach dem Vorbild von Klipperschiffen gebaut, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts Güter schnell transportieren sollten. Mit der Kraft des Windes auf Kreuzfahrt zu sein, macht ein gutes Gefühl. Tatsächlich fährt die Star Clipper auf diesem Wochentörn fast alle Seemeilen unter Segeln. Die Routen sind zudem anhand von Windkarten optimiert. Ein Malus ist die dünne Rauchsäule, die neben dem hintersten Mast in den Himmel zieht: Das ist der Diesel für den Generator, mit dem der Strom produziert wird, ohne den diese Fahrt nicht so komfortabel wäre. Aber auch jenseits des Antriebs kümmert man sich um die Nachhaltigkeit: die Reinigungsmittel sind biologisch abbaubar, Einwegplastik wurde von Bord verbannt. Fünf Mal in Folge wurde die Star-Clippers-Flotte bei den World Travel Awards, die als "Oscars der Reisebranche" gelten, als World's Leading Green Cruise ausgezeichnet.

Koh Butang, Koh Adang, Koh Rok Nok, Koh Hoong, Koh Similan - die Routenbeschreibung lässt keinen Zweifel daran, was die Passagiere auf der Fahrt sehen werden: Koh heißt Insel, es geht in die tropische Inselwelt vor der Westküste Thailands. Eine Woche lange ziehen Felsen am Horizont entlang, teils hoch aufragend und grün bewachsen wie in der Bucht Phang Nga. Eines dieser Mini-Eilande nennt man inzwischen nur noch James-Bond-Insel. Speed- und Longtailboote, also zum einen schnelle Motorboote, zum anderen traditionelle Langheckboote mit einer langen Propellerwelle, perfekt für flache Gewässer, landen Ladungen an Touristen an. Die pilgern zu einem kleinen Sandstrand, um sich dort vor einer besonders prägnanten Felsennadel im Wasser zu fotografieren. Ein Paar steht Rücken an Rücken und hält die Hände zu Revolvern geformt in die Luft. Ja, der hier in den Siebzigern gedrehte Streifen hieß "Der Mann mit dem goldenen Colt". Vermutlich die wenigsten der meist asiatischen und ziemlich jungen Touristen haben exakt diesen alten 007-Film gesehen. Aber den thailändischen Touranbietern hilft der Name James Bond durchaus.

Es gibt in Thailand eben einsame und überlaufene Inseln. Besonders deutlich wird der Unterschied am Ende der Reise auf den Similan-Inseln, was neun Inseln bedeutet. Zugänglich sind nur zwei davon: Die Nummer vier, auf der die Prinzessin eine Ferienresidenz hat. Und die Nummer acht, bei Touristen die populärste und mit vier Quadratkilometern die größte. Das Segelschiff ankert vor einer Felsnase. Doch die Tenderboote bleiben heute oben. Der Service der Speedbootanbieter ist obligatorisch zu nutzen. Ein Motorboot nach dem anderen prescht in die Bucht, legt mit dem Heck voraus direkt am Strand an. Der Sand so fein und weiß wie Mehl. Das Wasser so türkis leuchtend, dass man glaubt, jemand hätte die Farbsättigung frech nach oben gedreht.

Darüber ein gewagt von der Natur platzierter Granitfelsen, genannt "Das Segel". Müsste jemand ein Postkartenmotiv inszenieren, es würde genau so aussehen. Mit dem Unterschied, dass gerade an die 25 Boote für je vierzig Leute in der Bucht liegen. Meist sind es Chinesen, die oben am Felsen oder unten am Meeressaum mit elegant wehenden Sommerkleidern, riesigen Hüten, perfekt geschminkt für Handykameras posieren. Am Spätnachmittag werden sie alle wieder weg sein, denn seit Oktober 2018 darf kein Tourist mehr auf den Similan-Inseln übernachten. Außerdem wurde die Besucherzahl auf 3325 am Tag beschränkt, bis zu 7000 am Tag waren es zuvor.

Andere Traumstrände des Landes hatten noch mehr unter dem Massentourismus zu leiden: So ist Maya Beach auf Ko Phi Phi, bekannt aus dem Film "The Beach", bis 2021 komplett gesperrt. Solche überbordenden Ausflugsziele können die Passagiere der Star Clipper auf ihrer Reise größtenteils umgehen. Zwischendurch eins präsentiert zu bekommen, hilft, das zu schätzen.

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Quelle:
SZ vom 20.02.2020
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