Tourismus in Thailand:Auf Flip-Flops ins Paradies

Die Maya Bay auf der Insel Ko Phi Phi in Thailand

Die Maya Bay ist eine türkisfarbene Traumbucht - und vom Tourismus mittlerweile so in Mitleidenschaft gezogen, dass sie gesperrt wurde.

(Foto: Humphrey Muleba/Unsplash)

Spektakuläre Steilfelsen, schillernd bunte Riffe, Sorglosigkeit: Was Millionen Reisende selbst in Zeiten des Massentourismus in Thailand zu finden hoffen - und was die vielen Gäste anrichten.

Von Jochen Temsch

Eine gekritzelte Landkarte, eine abgelegene Insel, ein einsamer Strand, an dem eine Gruppe junger Aussteiger ein freies Leben verwirklicht - das ist die Grundlage, auf der Alex Garland die Handlung seines Romans "The Beach" entfaltet. Der englische Rucksackreisende Richard macht sich in Thailand auf, diesen traumhaften Strand zu finden, was sich als Albtraum entpuppt. Und wie der Plot des Bestsellers, der von Danny Boyle mit Leonardo DiCaprio verfilmt wurde, so entwickeln sich die Folgen von "The Beach" auch in der Wirklichkeit immer drastischer.

Der Reiz des Romans bestand zur Zeit seines Erscheinens Mitte der Neunzigerjahre darin, dass man Thailand genau das zutraute: ein Land zu sein, in dem man nicht mehr Ballast am Körper braucht als Shorts und Flip-Flops, nicht mehr im Kopf mit sich herumtragen muss als Sorglosigkeit. Ein vom kalten Europa 9000 Kilometer entferntes exotisches Königreich, in dem man sich einfach treiben lassen kann, von Insel zu Insel, durch tropischen Dschungel, im Longtail-Boot über leuchtend türkisfarbenes Wasser, von Strand zu Strand, der die Beschaffenheit von gesiebtem Puderzucker hat. Ein Land voller sanftmütiger Buddhisten, die einen ständig anlächeln und mit denen man unkompliziert Englisch reden kann, die einem für wenige Baht ein Hüttchen am Strand zum Schlafen anbieten, dazu eiskaltes Bier und scharfe Reisgerichte. Es war die Illusion, dass es dort möglich wäre, dem Massentourismus zu entgehen und auf eigene Faust tatsächlich einen Ort zu finden, der so unverdorben ist wie in den schönen Lügen der Reiseindustrie.

In diesem Geiste des fiktiven Richards reisen heute noch Menschen aus aller Welt nach Thailand. Nur: 1996, als "The Beach" erschien, kamen gerade einmal etwa sieben Millionen Touristen ins Land. Im Jahr 2018 waren es 38,5 Millionen, davon etwa 900 000 Deutsche und zehn Millionen Chinesen - ein Ansturm mit Folgen.

Spektakuläre Steilfelsen, schillernd bunte Riffe - alles heute schwer beschädigt

Schon die Rucksacktouristen der Neunzigerjahre waren mit dem "Lonely Planet" unterm Arm alle gleich individuell zwischen der Khao San Road in Bangkok, Krabi, Phuket und Ko Samui unterwegs. Ihre von den Gastgebern auf den Menükarten adaptierten Frühstücksgewohnheiten gaben ihren ausgetretenen Pfaden den Namen Banana Pancake Trail. Wo sich die ersten Backpacker in den Sand fallen ließen, stehen heute Hotels und Internet-Cafés. Vor den kommerzialisierten, einst von den Umherreisenden auf der Insel Phangan etablierten Vollmond-Strandpartys warnt inzwischen das Auswärtige Amt, weil es dabei immer wieder zu tödlichen Zwischenfällen und Vergewaltigungen kommt. Bananenpfannkuchen klingen sehr süß im Vergleich zu den Begriffen, die Umweltschützern heutzutage einfallen, wenn sie die Begleiterscheinungen des Tourismus in Thailand beschreiben.

Thon Thamrongnawasawat beispielsweise, ein Meeresbiologe, der davon ausgeht, dass 77 Prozent der Korallen in den thailändischen Gewässern stark beschädigt bis zerstört sind. Schuld sind der Klimawandel, ungeklärte Abwässer und die Urlauber, die als Tagesausflügler zu Tausenden von lauten, stinkenden Speedbooten an die maritimen Naturschönheiten des Landes gebracht werden. Etwa in den Meeres-Nationalpark Hat Noppharat Thara, in dem die Phi Phi Islands liegen. Spektakuläre Steilfelsen, die tief ins Wasser reichen, und schillernd bunte Riffe waren hier einst ideal zum Tauchen. Heute sind weite Teile davon beschädigt. Die Touristen, die mit Schnorchelbrille und Badeschuhen ins Wasser springen, können oder wollen teils nicht schwimmen. Sie trampeln die empfindlichen Korallen kaputt. Dort, wo einst "The Beach" gedreht wurde, an der Maya Bay der ebenfalls zum Nationalpark gehörenden Insel Ko Phi Phi Leh, helfen nur noch Verbote. Zuletzt drängten sich bis zu 7000 Touristen pro Tag auf dem schmalen Sandstreifen - ein trauriges Naturdenkmal für die Paradoxien des Tourismus. Seit Juni 2018 ist die Bucht geschlossen, damit sich Meeresflora und -fauna erholen können.

Trotzdem ist nicht damit zu rechnen, dass die verlockenden Bilder von Thailand im Kopf der Urlauber in absehbarer Zeit überlagert werden. Nicht von den Auswüchsen des Massentourismus. Nicht von politischen Verwerfungen im Land, das von einer Militärregierung mit diktatorischen Befugnissen geführt wird, in dem die Todesstrafe praktiziert wird und bis zu 15 Jahre Haft für Majestätsbeleidigung drohen. Thailand erwartet dieses Jahr 40 Millionen Besucher.

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