Thailand, Birma, Laos:Schaler Glanz im Goldenen Dreieck

Die Grenzregion zwischen Thailand, Birma und Laos vermarktet ihren schlechten Ruf als Opiumanbaugebiet höchst unterschiedlich.

Katja Wilke

Fassungslos guckt der Tourist auf seine Rolex. Sie ist stehengeblieben. Er schüttelt, klopft, ruft "Mist!". Es hilft nichts, die Zeiger zucken nicht einmal mehr. "Ich hab die gerade erst gekauft!", beklagt er sich bei seinem Reisebegleiter, der ihm mit Tüten bepackt folgt. Im Rücken der beiden stehen mehrere Häuschen, eine Brücke, uniformierte Posten. Dazwischen ein Gewusel von Menschen. Es ist der Grenzübergang zwischen Birma und Thailand, den die zwei Touristen eben passiert haben, nach einem kurzen Ausflug zum Shoppen ins birmanische Grenzstädtchen Tachilek, gleich hinter dem Fluss Mae Sai.

Nun stehen sie wieder auf thailändischer Seite, nach zehn Minuten Wartezeit haben sie die Pässe, die man hier vor der Einreise nach Birma abgeben muss, von den Grenzposten zurückbekommen. Die Luft ist stickig und schwül, voll besetzte und beladene Mopeds und Tuk-Tuks knattern hupend vorbei, Einheimische, Besuchergruppen und kahlgeschorene Mönche in orangefarbenen Kutten passieren die Brücke.

Der deutsche Urlauber steht nun vor der Wahl, die langwierige Aus- und Einreise-Prozedur nach Birma noch einmal zu durchlaufen und den Uhrenverkäufer zur Rede zu stellen - wenn er ihn denn wiederfindet zwischen all den Bauchladen-Verkäufern und den kleinen Büdchen und Geschäften, die fast alle mit dem gleichen Schild auf sich aufmerksam machen: "Outlet". Oder er schreibt die zehn bis 35 Euro, die er - je nach Verhandlungsgeschick - für die nachgemachte Markenuhr gezahlt hat, ab. Was ihm dann von Birma bleibt, ist ein T-Shirt mit dem Bild einer Landkarte der Region und dem Aufdruck "Golden Triangle", das er über sein altes Shirt gezogen hat.

Unrühmliche Vergangenheit

Goldenes Dreieck? Davon ist weder in der Grenzstadt im bitterarmen Birma noch im strukturschwachen Norden von Thailand viel zu erkennen. Dennoch vermarktet sich die Region offensiv mit diesem Etikett, das auf ihre unrühmliche Vergangenheit anspielt: Das Grenzgebiet der Staaten Thailand, Birma und Laos war in den siebziger Jahren das weltweit wichtigste Anbaugebiet für Schlafmohn, dem Rohstoff für Opium und Heroin. Weil früher oft noch mit Gold bezahlt worden sein soll, hat ein amerikanischer Regierungsbeamter damals den Begriff "Golden Triangle" geprägt.

Geographisch gesehen, liegt das Goldene Dreieck am Dreiländereck, dem Punkt, an dem der Fluss Mae Sai in den Mekong mündet. Das behauptet zumindest die thailändische Tourismusindustrie, die dort einen Aussichtspunkt für Panoramafotos mit großem Parkplatz eingerichtet hat. Das tatsächliche frühere Anbaugebiet war viel größer. Es umfasste auch die sich an Laos und Birma anschließende südchinesische Grenzregion und den Norden Vietnams.

Harte Strafen für Touristen

Das Goldene Dreieck hatte noch bis vor wenigen Jahren eine große Bedeutung für die weltweite Heroin-Produktion. Thailands Anteil schrumpfte aber deutlich. Auf den Druck westlicher Länder hin musste die thailändische Militärregierung Ende der fünfziger Jahre Mohnanbau und den Handel mit Opium verbieten.

Der Kampf gegen die Drogen scheint den Thailändern tatsächlich ein ernstes Anliegen zu sein: Ende der sechziger Jahre initiierte König Bhumibol Adulyadej ein Programm, das den Anbau von Kaffee oder Tee statt Schlafmohn förderte. Im Norden hat das Land die Mohnplantagen weitestgehend eindämmen können. Von Zeit zu Zeit führt die Regierung zudem Mohnvernichtungsaktionen durch. Und die harten Strafen für Touristen, die versuchen, mit Drogen im Gepäck auszureisen, sind bekannt.

Wandertouren mit erfahrenen Führern

Heute gilt im hohen Norden Thailands das Motto: Touristen statt Drogen. Das Land vermarktet den schlechten Ruf der Gegend am professionellsten unter allen Golden-Triangle-Staaten. Noch vor wenigen Jahren wirkte die Gegend touristisch arg vernachlässigt. Besucher, die sich nicht nur für die Strände in Phuket oder Ko Samui oder den Trubel in Pattaya interessierten, zog es zwar schon immer nach Chiang Mai, die mit fast 150.000 Einwohnern größte und kulturell wichtigste Stadt im Norden. Sie lockt Besucher mit rund 200 buddhistischen Tempeln, Thai-Kochkursen, einem riesigen Nachtmarkt und ihrer reizvollen, gebirgigen Umgebung. In den äußersten Norden, der sich ideal von dem Städtchen Chiang Rai aus erkunden lässt, reisten allerdings schon deutlich weniger Touristen.

Interessant, aber auch traurig

In Chiang Rai bieten zahlreiche Veranstalter Golden-Triangle-Touren an. Sie führen unter anderem zu einigen Bergvölkern, die mittlerweile mit den Veranstaltern kooperieren, um Kunsthandwerk, Schals oder einfach nur Verpflegung an die Touristen zu verkaufen. Die Besucher lassen sich von ihrem Führer einmal durchs Dorf scheuchen, sehen sich die oft in bunte Trachten gekleideten Menschen an und werden wieder weggekarrt.

Das ist zwar interessant, aber auch traurig, und wird darin wohl nur noch vom kommerziellen Elefantenreiten übertroffen, das in der Gegend an vielen Orten angeboten wird. Im besten Fall befördern die strapazierten Kreaturen neugierige und begeisterte Kinder durch die Berglandschaft; im schlechtesten Fall grölende Junggesellen mit Bierdosen in der Hand. Keine schöne Karriere für das gutmütige Tier, das den Thailändern als Glücksbringer gilt.

Opium als akzeptiertes Genussmittel

Faszinierend sind dagegen Wandertouren mit erfahrenen Führern. Andirek Petraj etwa ist seit Jahren Guide in Chiang Rai und kennt die Gegend genau. Er kann viel erzählen über einheimische Pflanzen und Tiere, über die unzufriedene Opposition in Thailand oder die Bergvölker. Sie leben im gesamten Goldenen Dreieck, mischten und mischen zum Teil im Drogenanbau und -handel mit. Das Opium ist in diesen Gesellschaften ein akzeptiertes Genussmittel, besonders bei den Älteren. Die staatliche Förderung von Tee- oder Kaffeeanbau soll besonders ihnen eine Perspektive geben - genau wie der Tourismus, auf den sich die Bergvölker unterschiedlich stark eingestellt haben.

Petraj macht mit seinen Gruppen in einem abgelegenen Dorf des wohl bekanntesten Bergvolks Karen Halt. Die Hütten sind schlicht, Schweine und Hunde laufen frei umher. Die Menschen schauen unbeteiligt auf die Besucher. Erst nach dem Essen, das Petraj im Rucksack mit hochgebracht hat und in einer der Hütten serviert, bietet eine ältere Dorfbewohnerin Stoffbeutel und Tücher zum Kauf an. "Alles selbst bestickt", wirbt sie leise in ihrer Sprache, die sich deutlich vom Thailändischen unterscheidet.

Ein Museum rund um die Droge

Um zu unterstreichen, wie ernst es dem Land mit der Bekämpfung der Drogen ist, hat die Königinmutter vor einigen Jahren in der Chiang-Rai-Provinz einen monumentalen Bau in die Landschaft setzen lassen, die "Hall of Opium". Ein Museum, das in Sachen Architektur und technischer Ausstattung Maßstäbe setzt und sich ausschließlich mit allen Aspekten der Droge beschäftigt.

Ein mehr als 100 Meter langer, abgedunkelter Tunnel empfängt den Besucher und stimmt ihn auf die informative, aber auch emotionale Multimedia-Ausstellung ein. Sie spannt einen großen Bogen, unterrichtet über die Anfänge des Drogenkonsums, beschreibt die Opiumkriege zwischen Großbritannien und China, erklärt den Kampf gegen die Drogenbarone in Südostasien, Afghanistan und Südamerika und endet mit Warnungen vor den sozialen und gesundheitlichen Folgen von Opium und Heroin. "Thailand hat den Kampf gegen die Drogen gewonnen", sagt eine junge Museumsangestellte mit Stolz. "Die Königsfamilie kümmert sich." So ganz stimmt das freilich nicht: Vollständig ausrotten konnte Thailand den Drogenanbau trotz aller Bemühungen nicht.

Drogenproduktion auf Hochtouren

Nachbar Birma spielt in dieser Hinsicht allerdings in einer ganz anderen Liga. Auch wenn die Bedeutung des Landes für den Heroinmarkt abgenommen hat, die Drogenproduktion läuft nach wie vor auf Hochtouren. Ethnische Minderheiten haben sich weitgehende Autonomie in ihren Gebieten erkämpft und bauen nach wie vor Schlafmohn an.

In den vergangenen drei Jahren ist die Produktion Schätzungen zufolge um 50 Prozent auf fast 32.000 Hektar gestiegen. Hinzu kommt: Birma beheimatet Fabriken, die über Thailand und China die ganze Welt mit Methamphetaminen wie etwa Chrystal Meth beliefern. Die synthetischen Drogen können im Gegensatz zu Mohn billig und von der Witterung unabhängig produziert werden.

Das birmanische Militärregime öffnet sich auf den wirtschaftlichen Druck hin zunehmend dem Tourismus. In Tachilek sind Touristen schon längst die größte Einnahmequelle. Zudem floriert der kleine Grenzverkehr: Birmanen arbeiten illegal als Hilfsarbeiter oder Putzfrauen in Thailand, weil die Löhne dort höher sind. Auf thailändischer Seite führt eine mehrspurige Autobahn durch die hügelige Landschaft zum Grenzübergang. Für Thailänder lohnt sich ein kleiner Abstecher. Gezahlt wird in Tachilek in thailändischer Währung, und alles ist noch etwas billiger als auf den ohnehin schon günstigen Märkten in Thailand.

"Sonderwirtschaftszone" in Laos

Birma verscherbelt Souvenirs, Thailand lockt mit Kultur und schöner Landschaft und der Dritte im Bunde, Laos, hat gar eine "Special Economic Zone" eingerichtet. Touristen sehen das große Schild am Ufer des Mekong, wenn sie in einem primitiven "Longtail"-Motorboot in der Nähe der geographischen Mitte des Goldenen Dreiecks von Thailand aus nach Laos übersetzen. Die "Sonderwirtschaftszone" entpuppt sich allerdings schnell als Protzerei: Sie besteht lediglich aus einem abgewetzten Casino auf grüner Wiese.

Während die einen also versuchen, aus dem schlechten Image der Gegend Profit zu schlagen, sind andere noch damit beschäftigt, weiter fleißig Schlafmohn anzubauen und den Ruf damit aufrecht zu erhalten. So oder so: Die Droge wirkt nach.

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