Terrorabwehr an US-Flughäfen:Wellness am Checkpoint

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Eine neue Strategie soll für mehr Sicherheit an amerikanischen Flughäfen sorgen. Dabei setzt die zuständige Behörde seit kurzem zum Schutz vor Terroristen auf angenehme Atmosphäre - und durchleuchtet Passagiere gleichzeitig bis auf die Haut.

Lena Prieger

Amerikanische Flughäfen sind für ihre Größe und als wichtige Knotenpunkte bekannt - ihre Checkpoints jedoch nicht für gemütliche Atmosphäre. Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 sind Sicherheitskontrollen zu unangenehmen Prozeduren geworden. Es herrscht Hektik, es ist laut, die Warterei und die oft als Schikanen empfundenen Überprüfungen des Sicherheitspersonals scheinen kein Ende zu nehmen.

(Foto: Foto: iStock)

Dies bekam die Transportation Security Administration (TSA), die Behörde zur öffentlichen Sicherheit im Verkehr, durch negative Umfragewerte immer wieder attestiert. Sie gehört zum Heimatschutzministerium und gilt als eine der unbeliebtesten Regierungsstellen der USA - neben der amerikanischen Bundessteuerbehörde, so das Time Magazine.

Das soll nun anders werden. Am Terminal B des Baltimore-Washington International Airport (BWI) im Bundesstaat Maryland wird derzeit ein neues Sicherheitskonzept getestet. Hierbei kommen nicht nur technische Neuerungen zum Einsatz, man bemüht sich auch bewusst um die Besänftigung der Passagiere - und will so Terroristen schneller erkennen.

Entspannungsmusik im Bereich der Warteschlangen soll den Lärmpegel insgesamt niedrig halten, sanftes blaues Licht eine angenehme Stimmung erzeugen. Bänke wurden aufgestellt, damit sich Passagiere nach ihrer Überprüfung in Ruhe ihre Schuhe wieder anziehen können - denn darauf wird weiterhin nicht verzichtet.

Auch das Erscheinungsbild des Sicherheitspersonals wurde der neuen Linie angepasst. Die Officers tragen nun blaue Uniformen und Dienstmarken, die für ein professionelleres Aussehen sorgen sollen. Das Personal wurde in 16-stündigen Kursen für den beruhigenden Umgang mit den Passagieren geschult.

Die TSA richtete für die "Checkpoint Evolution" eine eigene Mini-Homepage ein, die die Neuerungen erläutert. In einem Blog werden Passagiere um ihre Meinung gebeten. Hier erfährt man auch, dass in Baltimore nun Porträts und kleine Steckbriefe des Sicherheitspersonals aushängen, um die "persönliche Seite" der Officers zu zeigen. "Es ist Zeit, die Öffentlichkeit zurück auf unsere Seite zu bekommen und in den Prozess einzubeziehen", sagt Kip Hawley in einer Nachricht an die TSA-Angestellten.

Chaos ist eine gute Tarnung

"Ein chaotischer, lauter, verstopfter Flughafen ist ein Sicherheits-Albtraum. Chaos ist eine gute Tarnung", wird Hawley auf der Internet-Seite des amerikanischen Senders ABC News zitiert. Deswegen die Idee: Wenn die Passagiere entspannt einchecken, fallen nervöse Terroristen eher auf.

Professor Adrian Schwaninger, Experte an der Universität Zürich für Wahrnehmung und visuelle Kognition und Leiter Security Research and Applications an der Fachhochschule Nordwestschweiz, hält dies für möglich: "Erstens könnte eine Reduktion von Stress bei Luftsicherheitspersonal dazu führen, dass sie Passagiere genauer beobachten können und verdächtiges Verhalten dadurch schneller und zuverlässiger erkannt wird. Zweitens fällt allfällige Nervosität eines Terroristen eher auf, wenn die übrigen Passagiere nicht gestresst sind", sagt der Psychologe im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Ganzkörper-Scanner in Zukunft das Abtasten und Metalldetektoren überflüssig machen könnten.

Auch Probleme für Reisende, deren Namen denen auf der Liste verdächtiger Personen ähneln, sollen im Rahmen des neuen Konzeptes minimiert werden. Tausende Passagiere hatten aufgrund dieser Liste schon Schwierigkeiten auf amerikanischen Flughäfen. Sie können bisher nicht online einchecken und müssen häufig durch gesonderte Kontrollen. Bisher wurden die Daten der Passagiere von der TSA mit staatlichen Datenbanken abgeglichen. Nun sollen die Airlines selbst Geburtsdaten von Passagieren überprüfen, speichern und abgleichen können, um so die Prozedur zu vereinfachen. Hiermit ergibt sich allerdings ein neues Datenschutzproblem.

Neben der Wohlfühl-Strategie kommen am Flughafen Baltimore-Washington auch neue Screening-Systeme zum Einsatz. 3-D-Röntgenmaschinen etwa sollen das Handgepäck besser durchleuchten.

Schweißperlen sind erkennbar

Noch futuristischer: 3-D-Ganzkörperscanner, die den Fluggästen mit Hilfe von Millimeterwellen unter die Kleidung "sehen" und so das Abtasten der Passagiere und Metalldetektoren überflüssig machen. Sie werden bereits an einigen US-amerikanischen Flughäfen wie Los Angeles, Denver und New York getestet und könnten an allen 2000 Flughafen-Checkpoints in den USA eingeführt werden. Auch in den besonders terrorgefährdeten Ländern Irak und Israel setzt man die Scanner bereits ein.

Auf großen Schildern werden die neuen Geräte an den Sicherheitskontrollen am BWI angekündigt und erklärt: Der Passagier stellt sich in eine große Plexiglaskabine und hebt die Arme. Nun erstellt der Scanner ein 3-D-Bild und spürt so am Körper versteckte Gegenstände auf. Etwa 10 bis 30 Sekunden dauert die Prozedur. Der Sicherheitsangestellte, der die Bilder begutachtet, sitzt in einem separaten Raum etwa 20 Meter entfernt von der Kabine, die Gesichter werden verfälscht und die Bilder nach TSA-Angaben sofort wieder gelöscht. So soll keine Möglichkeit bestehen, dass er den jeweils gescannten Passagier identifiziert.

Allerdings ermittelt der Scanner nicht nur Waffen oder explosive Stoffe, sondern erkennt auf den dreidimensionalen Schwarzweißbildern auch Narben, Muttermale und andere körperliche Merkmale sowie das Geschlecht. "Man kann den Schweiß auf dem Rücken sehen", so James Schear, TSA-Chef am Flughafen Baltimore-Washington zu USA Today.

Baltimore als Pilotprojekt

Bürgerrechtler schlagen Alarm und fragen, ob der Zuwachs an Sicherheit noch proportional zu der Verletzung der Würde und Privatsphäre der Passagiere ist. Weiterhin wird kritisiert, dass die nicht durch Plastik oder Gummimaterialien hindurch-"sehen" können, die der Haut ähneln.

Die Passagiere dürfen selbst entscheiden, ob sie sich scannen oder vom Personal abtasten lassen möchten. Auch am Flughafen Phoenix im Bundesstaat Arizona werden die Ganzkörperscanner bereits getestet. Hier entschieden sich 80 bis 90 Prozent für die neue Technik

Baltimore gilt als Testfall. Möglicherweise erwarten USA-Reisende demnächst also auch an anderen Flughäfen beruhigende Klänge und blaues Licht - und gleichzeitig die Durchleuchtung bis auf die Haut.

Am Flughafen Schiphol in Amsterdam läuft seit etwa einem Jahr ein Testprojekt mit den Ganzkörper-Scannern. Noch sind sie in der EU nicht zugelassen.

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