Tenzing Norgay zum 100. Geburtstag:Asiens Mann auf dem Everest

Lesezeit: 3 min

Eingespieltes Team: An der Seite des Briten Sir Edmund Hillary erlangte Tenzing Norgay Weltruhm. (Foto: epa/dpa)

Als einfacher Mann kletterte Tenzing Norgay auf den Mount Everest, als Held kam er wieder herunter. Während die westliche Welt Edmund Hillary für die Erstbesteigung pries, feierte Asien den Sherpa. Nun wäre er 100 Jahre alt geworden. Oder doch nicht?

Niemand weiß, an welchem Tag genau Tenzing Norgay auf die Welt kam - auch er selbst wusste es nicht. Also wählte der Sherpa einfach das Datum des wichtigsten Ereignisses in seinem Leben zu seinem Geburtstag: die Erstbesteigung des Mount Everest am 29. Mai, im Jahr 1953. "Der Traum war wahr geworden", schreibt er später in seiner Autobiografie über den Augenblick, als er zusammen mit dem Neuseeländer Edmund Hillary auf dem höchsten Berg der Welt stand. "In diesem großartigen Moment, auf den ich mein ganzes Leben gewartet hatte, kam mir mein Berg nicht wie ein lebloses Ding aus Fels und Eis vor, sondern warm und freundlich und lebendig", so Tenzing weiter. "Er war eine Henne, und die anderen Berge waren Küken unter seinen Flügeln."

60 Jahre Mount-Everest-Erstbesteigung
:"Das hat dieser Berg nicht verdient"

Vor 60 Jahren standen zum ersten Mal Menschen auf dem Gipfel des Mount Everest: Sir Edmund Hillary und Tenzing Norgay. Bis heute gilt der höchste Berg der Welt als Inspiration. Was prominente Bergsteiger über ihn sagen - mit historischen Fotos der Erstbesteigung.

Von Carolin Gasteiger

Auch für Tenzing war der Berg, den die Volksgruppe der Sherpas Chomolungma nennen, wie eine Mutter. An seinem Fuß wurde er vor ungefähr 100 Jahren geboren, im Jahr des Hasen nach tibetischer Zeitrechnung. In seinem Schatten hütete er die Schafe und Yaks seines Vaters, baute Gerste und Kartoffeln an. Doch bald schon wurden ihm die Täler zu eng. "Zu reisen, zu erleben und zu lernen - das heißt Leben", meinte er. Und so rannte er als 13-Jähriger davon, in Nepals Hauptstadt Kathmandu. Wenig später zog Tenzing ins indische Darjeeling, von wo aus die Everest-Expeditionen damals starteten.

Der junge Sherpa schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, ehe er 1935 erstmals als Träger angeheuert wurde. Im Jahr 1953 wählte ihn schließlich Hillary als Seilpartner: "Er war augenscheinlich sehr fit, sehr stark - ich war beeindruckt", sagte Hillary in einem Interview. Zusammen stiegen sie hinauf in Höhen, die nie zuvor ein Mensch betreten hatte. Nach wochenlangen Strapazen in Baumwollzelten, einem Sturz in eine Gletscherspalte und anhaltenden Kopfschmerzen und Schwindel wegen der Höhe hatten sie es geschafft: Gipfelsieg auf 8848 Metern.

Tenzing Norgay hisst auf 8848 Metern die Flagge. (Foto: The George Lowe Collection/Knesebeck Verlag)

Oben kratzte Tenzing eine kleine Grube in den Schnee. Hinein legte er einen Bleistift seiner Tochter sowie Süßigkeiten für die Gottheit Miyolangsangma, die auf dem Gipfel wohnen soll. Nach dem Abstieg wurde Hillary von der Queen zum Ritter geschlagen und Tenzing stieg zum Vorbild für viele junge Sherpas auf. "Er hat mich sehr inspiriert", sagt Apa Sherpa, der 14 Mal und damit so oft auf dem Everest stand wie kein anderer Mensch. "Er war der erste Sherpa, der Nepal in der Welt bekannt machte."

Davon erzählt auch Temba Tseri Sherpa, der 2001 als 16-Jähriger und damals jüngster Bergsteiger auf dem Gipfel stand. "In der Schule lernten wir die Helden der Welt kennen: Den König des Fußballs, Pelé, und den Tiger des Schnees, Tenzing." Sie hätten sogar ein Lied auf ihn gesungen. "Ich wollte wie er sein. Das schien ein mögliches Ziel."

James Ramsey Ullman, der die Biografie für den Analphabeten Tenzing schrieb, berichtet auch von den Kehrseiten des Ruhms: "Er war praktisch der erste Asiate aus einfachen Verhältnissen, der Weltformat und weltweiten Ruhm erlangte." Deswegen habe Tenzing wie "ein Tier in einem Zoo, ein Fisch in einem Glas" gelebt. Inmitten der Menschenmengen sei er oftmals allein gewesen. Sein Enkel Tashi Tenzing Sherpa beklagt, dass trotz der Verdienste seines Großvaters der Staat wenig für den legendären Bergsteiger getan habe. Auch deswegen habe die Familie rund um den Mann "mit dem unglaublich charismatischen Lächeln" weiter in Indien gewohnt. "Die Regierung scheint die Helden des Landes zu vergessen", meint Tashi.

Nach Unglück am Mount Everest
:Sherpas sagen Touren ab

Bergführer in Nepal tragen mehr als nur die Last der Verantwortung: Sie schleppen Brücken, Leitern und den Großteil der Ausrüstung, um Touristen den Weg auf den Mount Everest zu ermöglichen. Nach dem tödlichen Lawinenunglück verweigern die Sherpas nun alle Aufstiege.

Und das, beklagen viele Sherpas, sei bis heute nicht anders. Der Tourismus ist eine der Haupteinnahmequellen Nepals, und vor allem rund um den Everest sind es die Sherpas, die das Gepäck tragen, die Unterkünfte bereitstellen und als Bergführer arbeiten.

Als im April eine Lawine 16 Nepalesen am Everest tötete, bot die Regierung den Familien zunächst nur 300 Euro Entschädigung an. Das sei erniedrigend gewesen, sagt Tashi. "Als seien sie Bettler." Der Everest, erklärt er weiter, sei für die Ethnie der Sherpas nicht nur ein Berg. "Er ist unsere geschätzte Gottheit, die zahlreiche Münder ernährt." Jeder könne wirtschaftlich profitieren, doch müsse die Regierung den Sherpas mehr von den Einnahmen abgeben und sie für Unfälle besser absichern. "Wenn wir Sherpas es wollten, könnten wir die Menschen daran hindern, in unserer Region die Berge zu besteigen. Doch eigentlich wollen wir das nicht."

© SZ.de/dpa/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: