Tempel Preah Vihear:Am Abhang

Preah Vihear Kambodscha Tempel Mönche

Wie Angkor Wat ist Preah Vihear eine von den Khmer erbaute Hindu-Tempelanlage. Sie ist sogar älter als Angkor Wat.

(Foto: dpa)

Um Preah Vihear kämpfen Thailand und Kambodscha seit Jahrzehnten. Nun hat der Internationale Gerichtshof entschieden, wem die Tempelanlage zufällt. Das könnte Touristen den Besuch der Anlage erleichtern.

Von Margit Kohl

Ein Kuriosum ist dieser Tempel schon lange: Preah Vihear mit Eingang in Thailand und Ausgang in Kambodscha. Hätten die beiden Länder sich darauf verständigen können, diese Einzigartigkeit touristisch zu vermarkten, hätte dies wohl so manchen Marketingstrategen in Verzückung versetzt.

Der Tempel ist seit 2008 Weltkulturerbe. Er stelle in Planung, Verzierungen und in der Beziehung zur Landschaft ein außerordentliches Meisterwerk der Khmer-Architektur dar, heißt es in der Begründung.

Allerdings steht die Anlage nicht nur spektakulär überhängend auf einem Kliff, sondern seit Jahren auch im Mittelpunkt eines gewaltsamen Grenzkonfliktes zwischen Thailand und Kambodscha - was die touristische Nutzung des Tempelkomplexes bislang erheblich einschränkte. Das könnte sich nun ändern, nachdem der Internationale Gerichtshof in Den Haag in der vergangenen Woche ein rund fünf Quadratkilometer großes Gebiet, das den Tempel umgibt, Kambodscha zugesprochen hat.

In dem Konflikt geht es um mehr als den Tempel: Es geht um das Verhältnis beider Nationen, das historisch belastet ist.

An Preah Vihear ist vor allem seine Lage außergewöhnlich. Der Tempel wurde auf einem steil abfallenden Felsen in den Dongrek-Bergen errichtet, deren Wasserscheide die Grenze zwischen Thailand und Kambodscha bildet. Ein Teil der Tempelanlage ragt in kambodschanisches Terrain, ist aber von dort aus nur schwer zugänglich. Diese auf die Zeit der französischen Kolonialherrschaft zurückreichende Grenzziehung hatte Thailand nie akzeptiert; schon kurz nach der Unabhängigkeit Kambodschas besetzten thailändische Truppen in den 1950er Jahren die Tempelanlage. Und auch nach einer 1962 vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag getroffenen Entscheidung, wonach der Tempel zu Kambodscha gehört, blieben die Besitzverhältnisse im Umland der Anlage diffus.

Die Aufnahme in die Welterbeliste sollte dem Tempel eigentlich Schutz bieten, doch weil Preah Vihear als kambodschanisches Weltkulturerbe eingestuft wurde, entbrannte der Streit von neuem. Immer wieder kam es im Grenzgebiet zu Schießereien zwischen den Streitkräften beider Länder, mindestens 28 Menschen starben in den vergangenen Jahren, Tausende Anwohner wurden vertrieben. Kambodscha verlangte deshalb 2011 vom Internationalen Gerichtshof eine Klärung des genauen Grenzverlaufs.

Ein friedliches Ende ist fraglich

Für Besucher gab es eine pragmatische Lösung: Wer bequem von Thailand aus den Tempel betreten wollte, benötigte keine offizielle Einreise nach Kambodscha. Allerdings kassierten beide Länder Eintritt. Den Tempel besuchen konnte man jedoch nur in den seltenen Zeiträumen, in denen die Streitigkeiten ruhten. Dann aber lohnte sich ein Besuch.

"Stairways to heaven" von Led Zeppelin geht einem permanent durch den Kopf, wenn man sich auf den langen Weg macht, um die 341 Stufen und vier Etagen der Tempelanlage zu erklimmen. "Jede Etage nach oben bringt dich näher zum Himmel", sagt der Guide, der sich einem unaufgefordert an die Fersen geheftet hat. Doch dieser Weg ist weit. Steinig und glutheiß ist er obendrein. Es ist geradeso, als müsse man zuvor durch die Hölle gehen, um oben anzukommen. Auf dem Weg zum Himmel seien die Etagen fünf bis acht nicht sichtbar, erzählt der Guide, schließlich führten diese direkt ins Nirwana.

Freier Blick auf Warntafeln

Ungläubig steht der Betrachter deshalb schon nach der vierten Etage vor der Felsenkante und blickt in den tiefen Abgrund hinunter auf die weite Ebene Kambodschas. Unten flirrt die Luft über der Erde. Schneidender Brandgeruch rührt vom abgefackelten Gras entlang des Weges. Die Brandrodung soll Schlangen fernhalten und den Blick freigeben auf Warntafeln, die besagen, dass dank EU-Geldern zwar der Tempel von Minen geräumt sei, man aber den vorgegebenen Weg dennoch besser nicht verlassen solle.

Preah Vihear Kambodscha Tempel Mönche

Kambodschanische Soldaten (Bild von 2008) bewachten noch bis vor kurzem die Tempelanlage.

(Foto: dpa)

Rechts und links des Laufparcours sitzen Postkartenverkäufer, Händler, die Geldscheine als Souvenirs anbieten, und bettelnde Minenopfer mit amputierten Beinen. Die Region um den Tempel ist schon lange eine geschundene, nicht erst seit der Herrschaft der Roten Khmer.

Früher standen weite Teile des heutigen Thailands unter Herrschaft der Khmer-Könige. Auf einer 300 Kilometer langen Königsstraße von Korat nach Angkor Wat reihte sich Tempel an Tempel. Preah Vihear ist neben Angkor Wat eines der bedeutendsten Bauwerke der Khmer-Dynastie. Entstanden zwischen dem neunten und elften Jahrhundert, ist es sogar noch älter als Angkor Wat. Später kehrten sich die Machtverhältnisse allmählich um, weshalb sich heute viele bedeutende Khmer-Tempel auf thailändischem Territorium befinden.

Der größte Teil des Tempelbezirks von Preah Vihear ist Ruine, weil sich infolge der Streitigkeiten weder Kambodscha noch Thailand für die Restaurierung verantwortlich fühlten. Nach der jüngsten Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs muss Thailand nun sein Militär aus der Umgebung des Tempels abziehen und den ungehinderten Zugang zur Anlage sicherstellen. Dies bedeutet, dass Preah Vihear nun erstmals von kambodschanischer Seite zugänglich gemacht werden kann.

Das Gericht wies in seiner Entscheidung aber auch darauf hin, dass beide Länder kooperieren müssten, um das kulturelle Erbe zu schützen. Ob die labile Situation vor Ort nun zu einem friedlichen Ende kommen kann, wird sich erst erweisen müssen. Wie heißt es in dem Song von Led Zeppelin zum Schluss so schön: "Wusstest du, dass deine Himmelsleiter am flüsternden Wind lehnt?"

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