Tasmanien:Mehr als die Insel des Teufels

Ein knurriges Tier machte Tasmanien berühmt. Dabei sind andere Bewohner liebenswert - und verstehen nicht, warum Reisende nicht bleiben. Eigentlich haben sie Recht.

Carolin Gasteiger

"Da kommt doch der Teufel her!" Mehr wissen viele Reisende nicht über Tasmanien. Einige Touristen kennen die Insel südöstlich von Australien nicht einmal als Teil des Kontinents. Sie verwechseln dann die Ausdrücke "mainland" (Festland) mit "continent". Zwar hat der Bundesstaat mit knapp 500.000 Einwohnern weniger Bürger als Hannover, die sind jedoch umso stolzer auf ihr "Tassie".

Auch wenn der Tasmanische Teufel weltbekannt ist, die Insel hat mehr zu bieten als einen kleinen schwarzen Raubbeutler. Nicht umsonst steht "Holiday Island" auf den Autokennzeichen.

Tasmanien ist allein wegen seiner Hauptstadt Hobart eine Reise wert. Voller Gegensätze steht sie an der rauen Tasmanischen See und behauptet sich gegen die großen Schwestern Sydney, Melbourne, Adelaide oder Brisbane. Wobei Hauptstadt bei Hobart nicht mit Großstadt zu verwechseln ist. Mit knapp 200.000 Einwohnern wirkt die zweitälteste Stadt in Australien eher wie eine beschauliche Kleinstadt. Manche nennen sie wegen der überdimensionalen Gartenhäuschen im englischen Baustil Hobbitstadt.

Hier sieht der Urlauber vom Frühstückstisch aus Großtanker in den Hafen einlaufen und Passagierdampfer aus Neuseeland, die im Morgengrauen die ruhige See wie ein Messer durchschneiden. Am Hafen werden frische Meeresfrüchte oder Sushi serviert, im Gastroviertel North Hobart auch indische Spezialitäten oder italienische Köstlichkeiten - das beste Mango Curry gibt es im "Anapurna" in der Elizabeth Street.

Nicht nur Hobarts Restaurants sind vielseitig: "The Republic", eines der ältesten Musiklokale in Hobart, hat neben tasmanischem Rock und neuseeländischem Soul sogar norddeutschen Hiphop im Programm.

Doch kaum jemand kommt für eine Städtereise hierher: In den zwanzig Nationalparks Tasmaniens und der vorgelagerten Inseln kann man Wandern, Mountainbiken, Segeln oder Surfen. Wer sich den Landessitten anpasst, muss auch zum Pferde- oder Autorennen.

Da können die Zuschauer bisweilen beobachten, wie Schauspieler Eric Bana mit seinem Teamkollegen auf der Targa Tasmania Rallye zu schnell in die Kurve hinein- und deswegen darüber hinausrast.

Der Hausberg von Hobart ist der 1270 Meter hohe Mount Wellington. Für Touristen bietet "The Mountain", wie ihn die Einheimischen nennen, den besten Ausblick über den Südosten der Insel.

Selbst Einheimischen fällt es schwer, alle Wanderwege aufzuzählen, die zum 1270 Meter hohen Gipfel führen. Ein Höhepunkt: The Lost World, ein Track, der nach steilen Waldwegen und Geröllfeldern hinauf zu steilen Felswänden wirklich in einer verlorenen Welt verläuft. Unter den riesigen Felsbrocken, von denen sich die Kletterer abseilen, sind unterirdische Höhlen verborgen.

Sportliche Urlauber kommen in 30 Minuten auch auf dem 13 Kilometer langen Pipeline Track - ideal zum Joggen oder Mountainbiken - aus der Stadt in die Natur, etwas mehr Zeit braucht man auf der Downhillstrecke entlang der Pinnacle Road. Die Luft riecht nach Moos, Laub und Erde, mannshohe Farne zieren den Weg. An einer Stelle biegt sich ein Pipeline-Rohr über den Weg, um das sich Schlingpflanzen ranken. Ein radikaler Szenenwechsel, zwei Stunden vom Zentrum entfernt.

Zurück in der Stadt wird gefeiert.

Mehr als die Insel des Teufels

Allein die zahlreichen Festivals, zum Beispiel "Taste of Tassie" am Hafen, die legendäre "Sydney-to-Hobart-Regatta" zu Silvester oder der "Hobart Cup Day" im Februar machen Tasmaniens Hauptstadt immer mehr zur Trendstadt. So verschlafen Tasmanien ist, an diesen Tagen versprüht es Großstadtflair, etwa das Pärchen, sie im pistaziengrünen Kostüm, bis zum Armband farblich abgestimmt, er im pistaziengrünen Anzug.

Oder der Sektempfang für vorwiegend junge Leute um 10 Uhr in einer Bar in North Hobart. Nicht zu vergessen der Australia Day am 26. Januar, wo ganz Hobart bis in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages auf den Beinen ist und sich mit dem Nationalgericht stärkt: Gegrilltes!

Wenn aber kein Festival die Massen lockt, wirken die Clubs und Bars eher wie eine bayerische Dorfdiskothek als eine städtische Partyszene. Doch das hat Vorteile: Nach einiger Zeit kennt man sich, trifft sich an denselben Orten an denselben Tagen - wie der smarte Schiffskapitän, der sich jeden Freitagabend im The Quarry seine Bloody Mary trinkt, und zwar extra scharf! Großstadtflair wollen die Leute in Tassie auch gar nicht - sie lieben den eigenwilligen Charme ihrer Insel.

Genauso speziell und vielfältig wie Tasmanien selbst sind seine Einwohner. Den Jugendlichen sieht man den Achtziger-Jahre Einfluss aus Melbourne an: schwarze Röhrenjeans und rot geschminkte Lippen, dazu viele Querstreifen. So sitzen sie im Café neben deutschen Touristen, die gerade von einer Mount-Wellington-Tour zurückgekommen sind und ihre Walking-Stöcke an den Bistrotisch lehnen. Kein Problem in Tasmanien, denn hier ist alles entspannt und "laid back".

Da bleiben manche Urlauber für immer, wie Chris aus Melbourne, 38, der früher an der Great Ocean Road Reiseführer war und nun auf der Insel hängen geblieben ist. Lebensläufe mit stringenten Karrieren sind auch für Tasmanier untypisch, etwa für John, der sein ganzes Leben in Hobart verbracht hat. Der 58-Jährige war Regierungsbeamter, dann Bauunternehmer, jetzt ist er Kinobesitzer. Am Wochenende fährt er ab und zu in seine Hütte auf Maria Island, zum Fischen. Oder er springt mit seinem Freund Paul auf dessen Segelboot und fährt eine Regatta vor Hobarts Küste.

Aber aus Hobart ist er nie herausgekommen - und wollte das auch gar nicht. Dass manche Urlauber nach Neuseeland weiterziehen, versteht er nicht: "Du hast doch alles in Tassie."

Auch wenn Temperaturschwankungen von bis zu zehn Grad an einem Tag und häufige Wetterumschwünge ganz normal sind für Tasmanien - auf hochsommerliche Temperaturen bis in den April, menschenleere Strände und surftaugliche Wellen muss keiner nicht verzichten. Es ist nur kühler als auf dem Festland. Dies ist dem Einfluss der berühmten "Roaring Forties", westlicher Winde zwischen 40° und 50° südlicher Breite, zu verdanken. Außerdem zieht eine kalte Meeresströmung von der Antarktis herauf.

Am Strand trägt man daher oft Pullover, und auch ausgedehnte Bäder im Meer sind nur für Unverfrorene. Sonnenanbeter machen daher um Tasmanien einen Bogen. Einen Sonnenbrand könnten sie sich hier dennoch holen, schließlich ist die Sonneneinstrahlung trotz kaltem Wind fast so intensiv wie am Äquator. Gesurft wird im Neoprenanzug, und für diesen Sport kommen einem die Roaring Forties wieder zugute - meterhohe Wellen branden an die Küste.

Einer der weltbesten Surfspots, Shipstern Bluff, liegt im Südosten Tasmaniens.

Nach ihrer Rückkehr aus Tasmanien haben Urlauber jedenfalls weitaus mehr zu erzählen als nur von einem kleinen, schlecht gelaunten Tier namens Teufel.

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