Der Name Sansibar stammt aus dem Arabischen (zayn za ´l bar) und bedeutet so viel wie "schön ist diese Insel". Beruft man sich auf die Bedeutung, die während der persischen Belagerung entstand, erhält man die wenig schmeichelhafte Übersetzung "Negerinsel".
Diese Bezeichnung verweist auf ein dunkles Kapitel in der Geschichte Sansibars, den Sklavenhandel. Allein im 19. Jahrhundert haben arabische Sklavenhändler mehr als drei Millionen Afrikaner versklavt und der Insel damit zu zweifelhaftem Reichtum verholfen.
Sansibar ist aber auch ein Ort der Sinnlichkeit. Kaum ein Reisender, dem nicht der Duft von Nelken, Kardamom, Vanille und Zimt in der Nase bleibt, wenn er von einer "Spicetour" im Inneren der Insel zurück kehrt. Das Auge kann sich nicht satt sehen an den Blautönen, die das Meer hervor bringt. Mit der Hand streift man durch den Sand, der weiß und fein ist wie Mehl.
Zanzibar Town - die Hauptstadt trägt den Namen der Insel. Ertönt im Morgengrauen der rauhe Gesang der Muezzins, scheint die Zeit still zu stehen. Bis heute bergen die alten Gemäuer von Stone Town, dem alten Stadtkern, die Geschichte Sansibars in sich wie ein Geheimnis. Berühmt ist die Altstadt für ihre massiven Holztüren, von denen manche bis zu drei Jahrhunderte alt sind. Sie bestehen meist aus zwei kunstvoll geschnitzten Flügeln, aus denen große Messingdornen wie Speerspitzen herausragen. Seit 1992 steht Stone Town auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes.
Stone Town - Labyrinth aus Gassen
38 Grad im Schatten, 85 Prozent Luftfeuchtigkeit - wir sind müde und verklebt. Ein Rucksack ist in Mombasa verschollen, doch daran lässt sich jetzt auch nichts ändern. "Pole, pole" sagt der Sansibari in so einer Situation, immer mit der Ruhe. Also erst mal mit dem Taxi in die Stadt.
Dort scheint man ein Kopfgeld auf uns ausgesetzt zu haben: Der Hafen wimmelt von jungen Männern, die uns um jeden Preis in das Hotel ihres Auftraggebers verschleppen wollen. Einer schultert unser Gepäck, jetzt heißt es dran bleiben. Als die Hotelzimmertür hinter uns zufällt, atmen wir auf. Jetzt eine kalte Dusche! Leider ist der Leitung kein Tröpfchen zu entlocken. Dafür stehen zwei Eimer mit Wasser bereit.
Die erste Nacht in einem Sansibari-Bett aus geschnitztem Teakholz mit Baldachin und Moskitonetz versöhnt uns mit der hektischen Ankunft. Wenn bei Morgengrauen der Singsang der Muezzins in das dämmernde Bewusstsein tritt, weiß man, es ist wahr: Die Welt der Shehezerade, deren Geschichten aus 1001 Nacht ihr Leben retteten, existiert noch immer.
Von der Dachterrasse des Hotels kann man beobachten, wie die Sonne den Himmel über der Stadt-Silhouette rot färbt. Das Treiben in den Straßen der Altstadt beginnt, während die religiösen Gesänge anschwellen und aus den schlanken Türmchen der Moscheen über die Dächer entfliehen: "Allahu akbar - Allah ist groß".
Etwa zehn Prozent der Inselbewohner leben im Stadtkern namens Stone Town. Sich hier nach einem Stadtplan zu richten, hat keinen Sinn. Die nach arabischem Vorbild gebaute Altstadt ist ein Labyrinth aus schmalen Gassen, die fast alle gleich aussehen, nur die wenigsten sind beschildert.
Eine Weile laufen wir planlos umher, bis wir wieder an einer Stelle landen, die uns bekannt vorkommt. Wissen wir nicht mehr weiter, lassen wir uns von Einheimischen den Weg weisen.
In den Forodhani Gärten am Kai steigt uns der Duft von gegrilltem Fisch, Curry und süßem Tee in die Nase. Jeden Abend bauen dort die Verkäufer ihre Stände und Grillküchen auf, an denen sie Chapatis, Samosas und verschiedene Fisch- und Fleischsorten frisch auf dem Rost zubereiten.
Zuckerrohrstangen werden in großen, handgekurbelten Pressen zerquetscht und ihr Saft mit Leitungswasser vermengt. Da die Wasserkanister wenig vertrauenerweckend aussehen, verzichten wir fürs Erste und laben uns an frisch gegrillten Scampis am Spieß und riesigen Stücken Wassermelone.
Spice Tour - Orgie der Gerüche
Der bitter-süßliche Duft, der wie ein unsichtbarer Schleier über der Insel liegt, hat Sansibar den Beinamen "Gewürzinsel" eingebracht. Die fruchtbaren Böden und klimatischen Bedingungen bieten ideale Voraussetzungen für tropische Nutzpflanzen und exotische Gewürze.
Mitte des 19. Jahrhunderts übernahmen Sansibar und die Nachbarinsel Pemba unter dem Sultan von Osman das Nelkenmonopol, das bislang die Holländer besaßen: Bis zu 80 Prozent der weltweit produzierten Gewürznelken kamen von den beiden Inseln, und noch heute exportiert Sansibar den größten Teil, gemeinsam mit Zimt, Pfeffer und Ingwer.
Woher all diese duftenden Köstlichkeiten kommen, erfährt man am besten auf einer spicetour. Hat man bisher alles auf eigene Faust organisiert und sich alle Informationen selbst eingeholt - in diesem Punkt kann man sich auch als überzeugter Individualtourist getrost auf einen Gruppen-Ausflug einlassen.
Der Tagesausflug eröffnet nicht nur die Gewürz- und Früchtekammern der Insel, sondern vermittelt auch historische Hintergründe, führt durch den verlassenen Palast des Sultans Bargash und die persischen Bäder von Kidichi.
Das höchste Ansehen in Sachen Spicetour genießt zweifelsohne der Inder Mister Mitu, dessen Ausflüge mittlerweile Kultstatus besitzen. Mitu war der Erste, der vor 20 Jahren Touristen durch die Gewürzplantagen führte und ihnen die kulinarische und kulturelle Bedeutung der verschiedenen Früchte erklärte.
Statt in einem geschlossenen, vollklimatisierten Kleinbus sitzt man in einem offenen dalla dalla und genießt die "natural aircondition", wie Mitu sagt. Der Kleinlaster mit den überdachten Holzbänken auf der Ladefläche lässt die Umgebung ungefiltert miterleben: den Staub auf den Straßen, die an den Dörfern vorbei führen, barfüßige Frauen in bunten Wickelkleidern, radfahrende Männer in knöchellangen kanzu-Hemden, auf dem Kopf eine bestickte kofia.
Bei den Pflanzungen angekommen, wird geschnüffelt, betastet, probiert. Unter diesem Baum und jenem Strauch bleiben wir stehen, lassen uns unbekannte Früchte und Blüten in die Hand drücken und schieben schicksalsergeben kleine Stückchen davon in den Mund.
Auch einer Niesorgie unterziehen wir uns freiwillig, indem wir uns Samen der wilden Aubergine unter die Nase reiben. Von Mitu erfahren wir, dass die Kakaofrucht bitter und die Kaffeebohne süß schmeckt, wenn man sie nicht behandelt.
Allgemeine Bewunderung erntet eine Palme, deren Stamm sich in kleinen engen Spiralen in die Höhe windet. Ein Blitzschlag hat die Wuchsrichtung der Pflanze der Orientierungslosigkeit überlassen.
Die Ostküste - Hellblauer Streifen am Horizont
Wir wollen ans Meer. Traum-Strände sehen. Mit Sand, so weiß wie Schnee, mit Meer, so blau wie Lapislazuli. An der Ostküste soll es endlose Palmenstrände geben. Wir mieten uns einen Wagen und schaukeln los. Streckenweise ist die Straße mit kratergroßen Schlaglöchern übersät, die wir großräumig in Schlangenlinien umfahren.
Am Nachmittag erreichen wir Jambiani Beach. Vor uns breitet sich ein Palmenstrand aus, der so dicht bewachsen ist, dass man nur erahnt, was da zwischen den schlanken hohen Stämmen hindurch schimmert: strahlend weißer Sand, der fast bis an den Horizont reicht. Weit hinten ein hellblauer Streifen.
Es ist Ebbe, das Meer bricht sich an einem Korallenriff in einigen hundert Metern Entfernung. In der windstillen Luft liegt der Geruch von Salz und Fisch. Es ist sehr still, weil das Rauschen des Meeres in der Ferne kaum zu hören ist. Einige Dhaus haben sich in Schieflage begeben, dazu verurteilt, in Bewegungslosigkeit zu verharren und auf die Rückkehr des Meeres zu warten. Ein paar Männer nutzen die Gelegenheit, um kleine Reparaturen an der Unterseite ihrer Boote vorzunehmen.
Den Einwohnern dient das flache Meerwasser zum Anbau von Seegras. Das Gras wird an Schnüren befestigt, die auf kleine Holzpflöcke gespannt sind. Für die Frauen der Ostküste bedeutet der Verkauf von Seegras ein Stück Unabhängigkeit. Alle zwei Wochen kommen sie aus den Dörfern, um bei Ebbe das Gras zu ernten, das zur Herstellung von Kosmetik und Medikamenten dient. Dann stehen sie in ihren bunten Kanga-Tüchern bis zu den Knien im seichten Wasser, manche hocken bei der Arbeit und die Stoffe schwimmen an der Oberfläche um sie herum wie große Seerosen.
Die Kilometer langen Strände der Ostküste haben aber auch Hotelmanager angelockt. Vor allem italienische Landpächter verdrängen die einheimischen Frauen inzwischen zunehmend von ihren Küstenabschnitten, um diese für schnorchelnde Touristen frei zu halten. Kaum ein Quadratmeter, der noch nicht von Investoren erfasst worden wäre. Dass der viel gelobte sanfte Tourismus sich hier durchsetzt, scheint nicht sehr glaubwürdig.
Bald kehrt das Meer zurück, der salzige Geruch lässt nach und wird von einer Brise davon getragen. Am Anfang schimmert noch der weiße, sandige Boden durch, das Wasser ist hellblau. Die Flut ergreift die Dhaus und versetzt sie gemächlich in Bewegung, bis sie auf den Wellen schaukeln. Mittlerweile hat sich die See verdunkelt, das Licht der Sonne reflektiert auf dem hellen Meeresgrund und lässt das Wasser in einem leuchtenden Türkis erglühen. Wie Lapislazuli eben.
Die Südspitze - Ort der Tradition
Im Süden der Insel gibt es nur zwei Badestrände. Sie liegen bei Kizimkazi und Makunduchi, dem größten Fischerdorf Sansibars. Hier wird ein sehr ursprüngliches Kisuaheli in einem schwer verständlichen Dialekt gesprochen.
In Makunduchi feiern alle Dörfer der Insel einmal im Jahr das Mwaka-Kogwa-Fest, das meist mehrere Tage dauert. Zu Beginn der Zeremonie lassen die Dorfbewohner ihre Aggressionen an den Gruppen der anderen Dörfer aus, die sich im Laufe des Jahres aufgestaut haben. Sie prügeln sich mit Bananenstöcken, bis die Fetzen fliegen. Da gibt es auch mal eine blutige Nase oder ein blaues Auge. Ist die Wut abgeflaut, geht man zum gemütlichen Teil über: Eine symbolische Hütte aus Bananenstauden wird niedergebrannt, um böse Geister zu vertreiben, anschließend wird gegessen und getanzt.
Im Nachbarort Kizimkazi befindet sich eine der ältesten Moscheen Ostafrikas aus der Shirazi-Zeit. Die Shirazis, eine Glaubensgemeinschaft aus dem sunnitischen Islam, kamen im siebten Jahrhundert als erste Siedler nach Sansibar. Sie übertrugen ihre Religion auf die Inselbewohner und vermischten sich mit der einheimischen Bevölkerung. Nach Kizimkazi kommen die meisten Touristen aber vor allem wegen eines anderen Vergnügens: Die Südspitze Sansibars ist bekannt für die Delfine, die sich an den Riffen tummeln.
Auch wir versuchen unser Glück. Said, unser Bootsführer, zeigt sich zuversichtlich. Mit einer Hand die Augen vor der Sonne schützend hält er Ausschau. Schon kurze Zeit später würgt er den Dieselmotor ab und zeigt auf eine Stelle, wo eine Gruppe Delfine ihre Kreise zieht. Lautlos teilen ihre Rückenflossen die Wasseroberfläche. Hektisch stülpen wir uns Taucherbrille und Flossen über und versuchen, möglichst fischgerecht ins Wasser zu gleiten.
Die Tiere lassen sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als wir uns ihnen nähern. Delfine sind elegante Schwimmer mit kindlichem Gemüt. Mit wenigen Flossenschlägen schießen sie an uns vorbei, kehren um, umkreisen uns, gerade so als ob sie sich über uns amüsieren. Ihre silbernen Körper schillern, wenn das Sonnenlicht auf sie fällt. "Manchmal", erzählt Said auf der Rückfahrt, "spielen sie sogar mit einem und man darf sie berühren".
Nungwi - Paradies im Norden
Ras Nungwi, etwa 50 Kilometer von Zanzibar Town entfernt und nördlichster Punkt der Insel, ist der einzige Ort, wo man sowohl Sonnenauf- als auch Sonnenuntergänge über dem Meer beobachten kann. Während das türkisfarbene Wasser unsere Füße umspült, wird uns klar: Wir sind an einem der Orte gelandet, wo sich sonst immer nur glückliche Menschen aus Werbespots tummeln dürfen. Alles ist so friedlich - perfekt, um sich schon mal ans Paradies zu gewöhnen. Hütten stehen zwischen Palmen, kleine Buchten teilen den weißen Sand, leise Musik weht von einer Strandbar herüber, deren Terrasse auf Pfählen im Meer steht.
Der Bacardi-Tourist kommt in uns durch: Wir mieten uns einen Bungalow und gönnen uns einen Drink. Auf einem Barhocker beobachten wir die heimkehrenden Fischer, die in ihren Dhaus mit strahlend weißen Segeln vorbei gleiten.
Nungwi ist der perfekte Ort, um eine Auszeit vom Alltag zu nehmen. Selbst rastlose Gemüter geben sich damit zufrieden, den Tag mit Schnorcheln, Lesen und Spazierengehen zu verbringen. Am Abend versammeln sich die Adams und Evas, um mit einer Flasche Bier in der Hand, die Füße im Sand, den Sonnenuntergang zu betrachten. Das tun sie auch am nächsten und übernächsten Abend mit dem selben stillen Vergnügen, so lange, bis sie abreisen.
Das mit dem Abreisen ist so eine Sache. In Nungwi gibt es Leute, die sind einfach da geblieben. So wie Laura und ihr Freund Marcello aus Turin, die nur eine Woche bleiben wollten. Das war vor einem Jahr. Oder Frank. Der Hamburger kam vor acht Monaten als Urlauber nach Nungwi. Inzwischen arbeitet er hier als Tauchlehrer.
In den Strandbuchten östlich von Nungwi fällt das Meer steiler ab als an der Nordspitze und eignet sich daher zum Tauchen und Schnorcheln. Die Nordstrände werden hauptsächlich von Fischern genutzt, die dort täglich nach ihrer Rückkehr vom Meer ihren Fang an die Dorfbewohner verkaufen.
An der Nordspitze werden auch die Dhaus angefertigt, für deren Qualität Nungwi hohes Ansehen genießt. Der Bau einer großen Dhau kann Monate, manchmal ein Jahr dauern. Der Stapellauf und die Jungfernfahrt werden mit einer traditionellen Zeremonie gefeiert, bei der Hunderte von Menschen, begleitet von Musik und Tanz, den hölzernen Giganten zu Wasser lassen.
Pistenfahrt - Mit dem Auto unterwegs
Von ganz oben nach ganz unten: Der Weg von Nungwi nach Mzambarauni ist das Ziel. Er führt durch Dörfer mit Hütten aus Lehm und Stroh. Dazwischen nichts als Piste und Palmenwälder. Hin und wieder treffen wir auf Einheimische, die zu Fuß zum nächsten Dorf unterwegs sind. Meist sind es Frauen. Sie tragen riesige Strohkörbe mit Früchten oder mit Wasser gefüllte Kanister auf dem Haupt. Ihr Gang ist gleichmäßig und strahlt Gelassenheit aus, als ob sie die Last nicht wahrnehmen.
Sind die Frauen allein unterwegs, treten sie beiseite und wenden sich demonstrativ von der Straße ab, sobald sich ein Auto nähert. Anzuhalten und sie mit zu nehmen, daran ist nicht zu denken. Erst wenn der Wagen außer Sichtweite ist, setzen sie ihren Weg fort.
Glücklicherweise nicht auf freier Strecke, sondern in einem Dorf namens Muyuni gibt der Wagen den Geist auf. Minuten später ist das Auto umzingelt von hilfsbereiten Sansibaris, die scheinbar nur darauf gewartet haben, dass heute noch etwas Aufregendes passiert. Lamentierend stehen sie vor der geöffneten Motorhaube und versuchen sich gegenseitig wegzuschieben. Mehrere Hände nesteln am Motor herum. Ein paar Kinder nutzen die Gelegenheit, uns klebrige Mangos und rote Bananen zu verkaufen. Sie berühren unsere Arme, kreischen und rufen "Mzungu!" - "Weißer!" Die Frauen hocken vor ihren Hütten und beobachten die Szene aus der Ferne.
Tatsächlich hat einer der Dorfbewohner die Ursache des Übels gefunden - eine lockere Ventilkappe. Bezahlt wird mit Zigaretten, die gibt es sonst nur in der Stadt und einigen Küstenorten zu kaufen. Winkend und johlend laufen die Kinder der staubigen Wolke hinterher, die der Wagen beim Wegfahren aufwirbelt.
Rückkehr - Streifzug durch Grillküchen und Märkte
Immer wieder zieht es uns zurück nach Stone-Town, dem Dreh- und Angelpunkt der Insel. Die geschäftige Menschenmenge auf den Straßen bugsiert alles vor sich hin, was beweglich ist. Ein Radfahrer schießt um die Ecke, im Vorbeifahren mit einem lauten "jambo!" grüßend. Fast jeder Sansibari besitzt hier ein Rad. Autos sind zu teuer, zumal die Gassen in der Altstadt kein Durchkommen ermöglichen. Auf den Straßen herrscht ein Wirrwarr von Autos, Holzkarren und Fahrrädern. Es herrscht das Recht des Stärkeren - oder Lauteren.
Ein zuverlässiger Indikator dafür, wie wohl man sich unter den Menschen einer fremden Stadt fühlt, ist der Besuch eines örtlichen Marktes. Nirgendwo in Sansibar ist das Gedränge so dicht, sind die Stimmen so laut und die Gerüche so stark wie auf dem Darajani Market. Bei Neuankömmlingen kann ein Besuch in den stickigen Markthalle an der Creek Road durchaus ein mulmiges Gefühl verursachen. Ist man mit der Stadt erst vertraut, treibt einen die Neugier in die entlegensten Winkel. Hier ist alles so geblieben wie vor hundert Jahren. Obst, Gemüse und Fisch sind auf Holzkisten drapiert, dazwischen sitzen die Verkäufer und preisen lautstark ihre Ware an, Händler quetschen sich mit ihren alten Karren durch die Menge.
Die bevorstehende Abreise weckt das Bedürfnis, alles noch einmal in sich aufzusaugen: das House of Wonders mit seiner Holzfassade und dem schlanken Turm, das arabische Fort, in dessen Innenhof traditionelle Theateraufführungen stattfinden. Ein echtes kulturelles Highlight ist das Cinema Afrique an der Malawi Road. An der Decke schnarrt eine Armee überdimensionaler Ventilatoren, ein Projektor knattert, der Film zittert über die fleckige Leinwand. Während in der Pause die Filmrolle gewechselt wird, kann man sich am Kiosk nebenan mit "fright fish" und kühlen Getränken versorgen.
Am Kai treffen wir auf eine Horde Jungs, die sich ihre Zeit damit vertreibt, kopfüber von der Mole ins Wasser zu springen. Immer wieder ziehen sie sich an der rostigen Leiter empor, die Körper beschwert durch die tropfnassen Leinenhosen.
Während wir sie beobachten, steigt uns noch einmal der Duft von gegrilltem Fisch, Curry und süßem Tee in die Nase. Die Grillküchen in den Forodhani Gärten sind wieder bereit, ihre Chapatis, Samosas und Fischgerichte zu verkaufen. Der Saft der Zuckerrohrstangen läuft aus den großen, handgekurbelten Pressen und wird mit Wasser aus Kübeln vermengt.
Ein letztes Mal schlendern wir zwischen den rauchenden Kochstellen hindurch, auf der Suche nach einer besonders großen Portion Scampis und einer Idee, wie man die Abreise hinauszögern könnte, die einer Vertreibung aus dem Paradies gleichkommt.
Sansibar - Reise-Informationen
Sprache: Auf Sansibar sprechen die Einwohner Kisuaheli, eine Sprache afrikanischen Ursprungs, die mittlerweile eine Reihe von arabischen, persischen und englischen Lehnwörtern aufweist. Es existieren fast 20 unterschiedliche Dialekte - insbesondere in Zanzibar Town finden sich auch Arabisch, Hindi, Gujarati und Urdu, eine Sprache mit orientalischen Wurzeln.
Religion: Mehr als 90 Prozent der sansibarischen Bevölkerung gehören der islamischen Religion an, gefolgt von Hinduismus, Christentum und Naturreligionen. Es herrscht religiöse Toleranz, in Stone Town stehen Moscheen, Hindu-Tempel und Kirchen nahe beieinander. Im Umgang mit der hauptsächlich islamischen Bevölkerung ist etwas Fingerspitzengefühl angebracht. So sollte man - vor allem an religiösen Stätten - seine Kleidung den Landessitten anpassen, keine Fotos von Menschen ohne vorheriges Fragen machen und sich bei einem Moschee-Besuch vorher erkundigen, ob der Eintritt für Nichtmuslime gestattet ist.
Kleidung: Die traditionelle Kleidung der Sansibaris trägt viel zum Farbenreichtum der Insel bei. Die meisten Frauen tragen (vor allem in den Dörfern) bunt bedruckte Wickelkleider aus kanga-Tüchern. In der Stadt tragen streng gläubige moslemische Frauen schwarze, lange bui bui-Gewänder und über Kopf und Schultern ein weißes Tuch mit Stickereien. Bei fast allen Männern sieht man nach wie vor die knielangen kanzu-Kleider, die gegebenenfalls über Hemd und Hose getragen werden. Die kofia, eine kunstvoll verzierte Kopfbedeckung, drückt das Glaubensbekenntnis aus. Die ledernen Sandalen sind von Hand gefertigt und mit Mangrovenpaste gefärbt.
Natur: Helfen Sie, die Riffe zu erhalten, indem Sie auf den Kauf von Muscheln und Schneckenhäusern verzichten. Wenngleich sie auf der ganzen Insel angeboten werden, stoßen Sie bei den Behörden auf wenig Verständnis, wenn man die Souvenirs in Ihrem Koffer findet. Was das Meer an den Strand spült, sollte genügen. Achten Sie auch darauf, bei Schnorchel- und Tauchausflügen nichts abzubrechen oder einzusammeln.
Tauchen: Auf Sansibar noch immer ein Geheimtipp. Bunte Korallengärten und über 2000 verschiedene Fischarten sowie Wasserschildkröten und Walhaie machen jeden Unterwasser-Ausflug zu einem Erlebnis. Tauchkurse können von Stone Town oder an der Nordküste in Nungwi organisiert werden. Das Dive Africa Center befindet sich in Hafennähe und bietet unter anderem Nachttauchgänge, Schnorchelausflüge sowie Wracktauchen. Das Paradise Beach Dive Center liegt in Nungwi an der nördlichsten Spitze der Insel. Die Boote können hier den ganzen Tag über hinausfahren, ohne sich nach Ebbe und Flut richten zu müssen.
Almosen: Im Gegensatz zum Festland wird in Sansibar wenig gebettelt, auch die Kriminalitätsrate ist niedrig. Die Menschen mögen arm in unserem Sinne sein, sind jedoch aufgrund des Fischreichtums und ihrer Landwirtschaft in der Lage, sich selbst zu versorgen. Geben Sie Kindern kein Geld, sondern lieber sinnvolle Dinge wie Kugelschreiber für die Schule etc.
Klima: Äquatoriales Klima mit Regenzeit von März bis Ende Mai. Einzelne Regenfälle im November bis Mitte Dezember sind möglich.
Beste Reisezeit: Juni bis Oktober, an der Küste herrscht trotz hoher Temperaturen durch einen leichten Wind angenehmes Klima.
Anreise: Nach Tansania (Dar es Salam International Airport) bestehen tägliche Flugverbindugen von Europa, in der Regel mit Zwischenstop in Nairobi oder Mombasa: Swiss Air, KLM, British Airways, Egypt Air, Ethiopian Airlines, Alliance, Gulf Air, Emirates. Direktflüge bieten unter anderem Lufthansa, Air Tansania, Air India an. Zwischen Dar es Salaam und Sansibar verkehren täglich Kleinflugzeuge der Air Tanzania (Flugzeit 20 Minuten).
Medizinische Versorgung: Gelbfieber-Impfung muss vorgewiesen werden, wegen einer Malariaprophylaxe sollte man sich nach den neuesten Bestimmungen im Reisebüro oder Tropeninstitut erkundigen. Inzwischen gibt es auf Sansibar eine europäische Klinik. Basismedikamente sind erhältlich.