SZ-Artikel zum Thema:Frankreich satt

St.-Paul-de-Vence versöhnt mit der Côte d'Azur, die "Colombe d'Or" mit der französischen Küche

Christian Kämmerling

In Frankreich leben nun mal Franzosen und sie kochen französisch. Was kann man dagegen tun? Ich habe alles versucht. Frankophile Freunde haben mich mit dem Michelin-Führer gejagt und so bin ich in noblen Etablissements gelandet, wo sich verwöhnte Gourmets von näselnden Kellnern den Gaumen kitzeln lassen. Schauderhaft, dieses Pathos! Und die gute, alte Bistroküche, wo klassische Hausmannskost zubereitet wird? Gibt es praktisch nicht mehr.

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Wo sich früher Picasso, Yves Montand oder Grace Kelly zum Dinner einfanden, trifft man heute Johnny Depp und Vanessa Paradis

(Foto: La Colombe d´Or)

Wer in einer lauen Sommernacht im Süden Frankreichs gern gut essen gehen möchte, nicht steif, sondern gut gelaunt, womöglich in einem Gartenlokal, umringt von mediterranen Pflanzen und Menschen, die alle aufblühen in dieser herrlichen Atmosphäre - der muss nach Italien gehen. Aber Südfrankreich vergessen? Das ist unmöglich. Die Landschaft im goldenen Dreieck zwischen Menton, Nizza und Cannes ist schöner als die Riviera, das Klima besser, der Tourismus ist glamouröser - und ausgerechnet hier soll es kein Restaurant geben, das sich mit Italien messen kann?

Eine Taube rettet den Ruf der französischen Küche

Doch, es gibt eines: die "Goldene Taube", in Saint-Paul, "La Colombe d'Or". Das kleine Dorf liegt seit 2000 Jahren auf einem der sanften Hügel oberhalb von Nizza, aber erst vor achtzig Jahren hat Paul Roux die großartige Idee gehabt, in dem alten Gemäuer am Dorfplatz ein einfaches Lokal zu eröffnen. Seine Frau Titine stand am Herd und er unter- hielt die Gäste. Man aß an Holztischen im Garten, unter Feigenbäumen und Platanen, und die Küche war köstlich - schon damals muss das Restaurant die Rettung für alle diejenigen gewesen sein, die vom hochnäsigen Etepetete der Haute Cuisine die Nase voll hatten.

Alle strömten sie in die "Colombe d'Or", hauptsächlich die Künstler, die in dieser bezaubernden Gegend ihre Villen hatten: Picasso, Braque, Miró, Léger, Chagall. (Sie schenkten den Wirtsleuten schöne große Gemälde, damit die Wände nicht so leer waren.) Es folgten die Schriftsteller und Schauspieler: Jacques Prévert, Yves Montand, Lino Ventura, Alain Delon, Romy Schneider. Bald hatte sich der Ruf des Restaurants bis nach Hollywood herumgesprochen: Doch, man kann gut essen in Frankreich!

Stars wie David Niven, Orson Welles, Cary Grant und Grace Kelly kamen immer wieder und genossen den Sommer "über den Dächern von Nizza", Grace Kelly verliebte sich in die Gegend und in den Fürsten von Monaco. Yves Montand heiratete ein Mädchen aus Saint-Paul, lebte künftig dort und wurde Mitbesitzer der "Colombe d'Or".

Die Küche ist geblieben, die Preise sind gestiegen

Und heutzutage? Inzwischen bewirtet François, der Enkel von Paul Roux, das Lokal. Die Küche hat sich nicht groß verändert: Man liest die Gerichte immer noch aus der alten Speisekarte, die Paul Roux eigenhändig gemalt hat. Die Preise sind allerdings gewaltig hoch gegangen. (Ein Abendessen mit drei Gängen und dem einfachen Hauswein kostet schnell mal 200 Mark pro Person.) Aber der Abend ist ein unvergessliches Erlebnis. Der Sternenhimmel über dem Innenhof, die weiß gedeckten Holztische, der goldene Lichtschein aus den Lampen, die in Kürbisschalen versteckt aus den Feigenbäumen leuchten.

Kaum ein Abend, ohne dass man nicht im Halbdunkel Gesichter sähe, die man von der Leinwand kennt. Ist das nicht Johnny Depp da drüben? Sitzt da nicht Helena Christensen? Doch, das sind sie. Johnny Depp hat sich in die Gegend verliebt und in Vanessa Paradis. Sie reden gerade darüber, ob sie hier ein Haus kaufen sollen. Jetzt, wo klar ist, dass man in Südfrankreich gut essen kann.

Für romantische Abende zu zweit ist die "Colombe d'Or" der ideale Ort: Das Haus ist auch eine Herberge (luxuriös natürlich, das Doppelzimmer kostet ab 330 Mark). Man steht auf dem Balkon über dem traumhaften Pool und schaut bis aufs Meer - aber man kann sich natürlich auch tief in die Augen blicken.

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