Südtirol:Wo Messner die Liebe zum Klettern entdeckte

Das Villnösstal liegt im Schatten des Grödner Tals und bietet all das, was zwischen St. Ulrich und Wolkenstein fehlt: Unberührte Berge, unverfälschte Natur, ursprüngliche Dörfer und vor allem Ruhe.

Stefan Herbke

Postkartenmotive wie die eleganten Felstürme der Drei Zinnen, das Massiv der Sella mit dem Piz Boe, die eisgepanzerte Marmolada, die Felsburg des Langkofels, der pultartig aufragende Plattkofel über der grünen Hochfläche der Seiser Alm oder die ausgedehnte Fanesgruppe mit ihrem Karstplateau gibt es in den Dolomiten reichlich.

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(Foto: Foto: Joachim Chwaszcza/Südtirol Marketing)

Doch ein Motiv sticht immer wieder heraus und wird gerne auch als Synonym für Urlaub in den Bergen verwendet: das idyllische Villnösstal mit seinen einzelnen Höfen und Weilern inmitten grüner Wiesen und Wälder und darüber der gezackte Felskamm der kühnen Geislerspitzen.

Das Villnösstal zeigt die Dolomiten wie sie früher einmal waren: grandios, faszinierend und unberührt. Die ersten beiden Punkte gelten natürlich auch heute noch, doch unberührt sind die Dolomiten keineswegs.

Das Skikarussell von Dolomiti Superski hat seine Spuren hinterlassen und spannt sein Lift- und Pistennetz mittlerweile durch die komplette Gebirgsgruppe. Nur kleine Bereiche wie das Villnösstal blieben verschont.

Tradition und Brauchtum tief verwurzelt

Im Winter herrscht hier absolute Ruhe, nur wenige Skitourengeher, Winterwanderer, Schneeschuhgeher oder Langläufer kommen in das Tal, während nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt im Grödner Tal der Bär tobt. Manche schauen vielleicht neidisch hinüber, wenn sie die Kolonnen an geldbringenden Urlaubern sehen, andere dagegen sind heilfroh, dass wenigstens das Villnösstal, in dem Reinhold Messner geboren wurde und seine Liebe zu den Bergen entdeckte, von der Erschließungswut verschont geblieben ist und Tradition und Brauchtum noch tief verwurzelt sind.

Die Gemeinde Villnöss zählt 2400 Einwohner und besteht aus den sechs Ortsteilen Teis, St. Valentin, St. Jakob, Coll, St. Magdalena und dem Hauptort St. Peter sowie verschiedenen Weilern mit stattlichen Bauernhöfen.

Nordseitig reicht der dichte Waldgürtel bis in den Talgrund, doch die Sonnenseite ist eine intensiv genutzte Kulturlandschaft mit Wiesen, Felder und Wälder. Das Seitental des Eisacktales ist rund 24 Kilometer lang und reicht von den Mittelgebirgsterrassen des Eisacktales, auf denen noch guter Wein gedeiht, bis hinauf zu den rund 3000 Meter hohen Felszinnen der Geislergruppe, die den fotogenen Hintergrund des malerischen Tales bilden und bereits zum Naturpark Puez - Geisler gehören.

Wandergebiet der Extraklasse

Sanfter Tourismus heißt das schöne Schlagwort, dass hier am Rande des rund 10.200 Hektar großen Naturparks seine volle Berechtigung hat. Kein Lift verkürzt den Anstieg auf die Gipfeln und mit dem Auto ist lediglich die Zanseralm im Talschluss erreichbar, mehr geht nicht - im Villnösstal geht man zu Fuß. In erster Linie handelt es sich um ein Wandergebiet der Extraklasse, in dem allerdings auch Mountainbiker, Bergsteiger, Kletterer und Klettersteigfans ein reiches Betätigungsfeld finden. Etwas übertrieben könnte man auch sagen, dass das Villnöss eine kleine Ausgabe der Dolomiten ist und hier die ganze Bandbreite an bergsportlichen Aktivitäten möglich ist.

Wo Messner die Liebe zum Klettern entdeckte

Ohne Schwierigkeiten führen Wege von der Zanseralm über die neu gebaute Gampenalm hinauf zur Schlüterhütte und zum Zendleser Kofel (2422 m), einer prima Aussichtsloge zwischen der Geislergruppe sowie den Aferer Geiseln und dem häufig bestiegenen Peitlerkofel (2875 m) im Norden.

Wer auf der Hütte nächtigt, der kann anderntags über den Günther-Messner-Gedächtnisweg die Aferer Geiseln überschreiten - eine einsame, aber überaus lohnende Tour mit faszinierenden Ausblicken und gesicherten Wegabschnitten -, oder auf dem Adolf-Munkel-Weg in aussichtsreicher Höhenwanderung dicht unter den Nordabstürzen der Geislergruppe zur Brogleshütte queren und dort über sanfte Weideflächen auf den Kamm des Innerraschötz (2317 m) wandern.

Hier gibt es reichlich lauschige Wiesenmulden für eine längere Rast, während die der Blick immer wieder auf die Seceda (2518 m) und die Abbrüche der Geislergruppe fällt. Abweisend schauen sie aus, die nordseitigen Wände und doch ist der zweithöchste Gipfel auf gesichertem Steig relativ einfach zu erreichen. Der tiefe Einschnitt der Mittagsscharte bildet die Schwachstelle im langen Felskamm und die Eintrittspforte zum Sass Rigais (3025 m).

Geologische Sehenswürdigkeiten

Der Adolf-Munkel-Weg ist nicht nur landschaftlich ein Erlebnis, auch geologisch ist er sehr interessant. Das geschulte Auge erkennt mehrschichtige, bunte Meeresablagerungen, die mindestens 250 Millionen Jahre alt sind. Auch für Laien faszinierend sind dagegen die sogenannten Teiser Kugeln, die gegenüber im Raum Teis gefunden werden und im Mineralienmuseum Teis zu bewundern sind.

Bis zu zwanzig Zentimeter im Durchmesser messen die Geoden und Achatmandeln, die in ihrem Muttergestein, einem Quarzporphyrtuff, eingebettet sind und von Strahlern wie Paul Fischnaller gesucht und gefunden werden. Von außen schauen die Steine eher unscheinbar aus, doch in einem Hohlraum im Inneren verbergen sich bis zu sieben Mineralien, die jeden Stein zu etwas Einmaligem machen.

Zurück zu den Bergen. Durch die imposanten Nordabstürze der Geislergruppe führen zwar Kletterrouten, aber die werden nicht zu letzt wegen des häufig brüchigen Gesteins kaum mehr begangen. Zu alpin, zu lang der Zustieg, zu wenig lohnend, in Zeiten der Sportkletterei ziehen die Herausforderungen von früher nicht mehr. Statt dessen setzt auch das Villnösstal auf "moderne" Sportarten wie Nordic Walking und promotet sich als "Nordic.Fitness.Sports.Park", in dem man "neue Trendsportarten stressfrei an der frischen Bergluft ausprobieren kann".

Unterwegs auf alten Wegen und Steigen

Da passt die Broschüre über die "Bergbauernwege" viel besser zum Villnösstal. Die alten Wege und Steige verbanden schon früher die Höfe mit den Wiesen und Äckern und erleichterten den Weg in den nächsten Ort oder zum Nachbarn. Kunstvoll, teilweise sogar gepflastert und durch Trockenmauern befestigt, wurden sie einst angelegt. Vorbei an stattlichen Höfen, an Wegkreuzen, Bildstöcke und Kapellen führt der Bergbauernweg ausgehend von St. Peter rund zweieinhalb Stunden durch die sonnseitigen Hänge des Villnösstals und gibt noch heute Zeugnis von der Besiedelung des Tales .

So oder so, die Einheimischen lassen sich durch nichts beirren. Für sie geht das Leben weiter seinen gewohnten Gang, und dazu gehört auch der tägliche Gang ins Wirtshaus. Dort trifft man sich wie im Ranuimüllerhof in St. Magdalena an der Bar, trinkt in aller Ruhe einen Espresso oder einen viertel Roten, hält einen kurzen Schwatz und verschwindet wieder bis zum nächsten Tag, während oben die Geislergruppe in bester Postkartenmanie im letzten Abendlicht erglüht.

Informationen:

Tourismusverein Villnösser Tal, St. Peter 11, I-39040 Villnösser Tal, Tel. 0039/0472/840180, Fax 0472/841515, www.villnoess.com

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