Südtirol entdeckt den Weintouristen:Önogastronomisches Mekka

Winzer, Hoteliers, Gastwirte und Fremdenverkehrsämter werben zunehmend mit Veranstaltungen

Ich bin ein Wiederholungstäter", sagt der Schweizer und steigt lachend in den Kleinbus. Es sei dies sein zweiter "Weinritt" in Südtirol und dabei werde es nicht bleiben. Wer den Süden des Landes mit seinen edlen Tropfen erkunden will, muss weder sattelfest noch ein brillanter Weinkenner sein. Auf vier Rädern erkunden Interessierte einen Tag lang die Südtiroler Weinstraße von Terlan bis Salurn. Spätestens beim abendlichen Degustationsmenü in einem Sternerestaurant genießt der Laie den Wein anders als tags zuvor. Denn zwischen dem ersten Weinritt-Glas am frühen Morgen, einem Terlaner Sauvignon, und dem letzten, einer Kalterersee-Auslese zu basilikumgefüllter Perlhuhnbrust, liegt die ganze Entstehungsgeschichte der Weine. Erzählt wird sie von Winzern, Kellermeistern und Sommeliers.

Südtirol entdeckt den Weintouristen: "wein.kaltern".  Das Signet ziert Fassaden, Gläser, Flaschen, Broschüren, Weinkartons, Restaurants, Hotels und Geschäfte.

"wein.kaltern". Das Signet ziert Fassaden, Gläser, Flaschen, Broschüren, Weinkartons, Restaurants, Hotels und Geschäfte.

(Foto: Foto: wein.kaltern)

Südtirols Angebot für Weinliebhaber ist unerschöpflich: Überall locken Weintage, Weinkostwochen, Weinfestivals, Weinwanderungen und Fachweinproben. Gerade für Wochenendgäste aus den süddeutschen und norditalienischen Ballungszentren könnte das Land zum weintouristischen Mekka avancieren. "Doch verglichen mit der Toskana sind wir davon noch meilenweit entfernt", erklärt Thomas Augschöll von der Südtiroler Weinwerbung in der Handelskammer Bozen. Noch wirbt der Touristiker lieber mit den Bergen und dem südlichen Flair, noch geht der Weinproduzent eigene Wege in der Vermarktung. "Er will nicht den Entertainer spielen", so Augschöll, "er ist an den Weinkundigen interessiert".

Expertenpublikum findet der Produzent auf hochkarätigen Fachveranstaltungen wie etwa dem Internationalen Weinfestival in Meran. "Touristen schauen hier kaum vorbei", erklärt Organisator Helmuth Köcher, Präsident von Gourmet's International. Doch das soll sich ändern. Das neue GourmetFestival Südtirol, das Köcher in Zusammenarbeit mit der Südtirol Marketing Gesellschaft (SMG) bewirbt, soll auch den Genuss-Touristen ins Land locken: Sechs Sterneköche servieren exklusive Menüs im Sissi Saal von Schloss Trauttmansdorff bei Meran und im Felsenkeller des Versuchszentrums Laimburg, während Produzenten ihre besten Tropfen dekantieren. "Im nächsten Jahr", so Köcher, "möchten wir mit der SMG die Veranstaltung auf weitere Burgen und Schlösser in ganz Südtirol ausweiten." Geplant sei weiters die Einbindung von Hotel- und Gastronomiebetrieben. "Dann können wir Gesamtpakete für den önogastronomisch interessierten Touristen schnüren, damit er auch eine Woche bleibt", hofft Köcher.

Gerade darin sieht Hansjörg Mair, Direktor des Tourismusverbandes Südtirols Süden ein Problem: "Für den Weintourismus fehlt es nicht an Angeboten, weder in der Breite noch in der Tiefe, es fehlt an einer übergeordneten Koordination und Vermarktung." Buchbare Weinpakete sind rar, die Weingemeinden betreiben oft Kirchturmpolitik, die Kellereien, Hotelbetreiber und Gastwirte betrachten sich als Konkurrenten. Vor allem aber sehen die meisten im Weintourismus ein zu kleines Marktsegment. Dabei hat gerade Südtirols Süden mit 80 Prozent der landesweiten Weinproduktion große Chancen den Anteil auszuweiten.

Dass Wein und Tourismus in Südtirol schon lange ein Thema sind, belegt alleine schon die Südtiroler Weinstraße seit den 1950er-Jahren. Bald schlossen sich die Gemeinden entlang der Weinstraße, die heute von Terlan bis Salurn verläuft, zu einem Verein zusammen, um den heimischen Weinbau und Tourismus zu fördern. Mit jährlich rund einem Dutzend Großveranstaltungen rund um den Wein ist dies auch gelungen. Als nächster Schritt müsste eine einheitliche weintouristische Vermarktung folgen, "doch dies sei nicht Aufgabe des Vereins", erklärt Dieter Weis, Mitglied des Weinstraßenvereins und Direktor des Tourismusvereins Tramin. Seit einem Jahr gibt es deshalb auf Landesebene die Arbeitsgruppe "Weinstraße": Vertreter aus Politik, Tourismus, Handel, Hotellerie sitzen zusammen mit Weinproduzenten erstmals an einem Tisch, um eine einheitliche Kommunikationsstrategie zu entwerfen. Vorbildcharakter hat dabei das weintouristische Vermarktungskonzept der Gemeinde Kaltern. "Nur wer sich unterscheidet, kann sich behaupten", erklärt Sighard Rainer, Präsident des Tourismusvereins Kaltern und Obmann von "wein.kaltern", einer Dachmarke, die seit zwei Jahren durch gezielte Kommunikation die Kalterer Weine und all die damit verbundenen Ereignisse vermarktet. Ein "wein.weg" mit dem entsprechenden "wein.wegweiser" führt den Touristen durch die Kalterer Landschaft.

Das in Südtirol bislang einzigartige Kommunikationsprojekt rund um den Wein wird von den lokalen Produzenten, Touristikern, Bauern und Vertretern aus dem öffentlichen Leben gleichermaßen getragen. Einer Ausweitung des Projekts auf die umliegenden Weindörfer, die dann natürlich mit Eigennamen wie wein.tramin arbeiten müssten, sehe er durchaus positiv, erklärt Rainer. "Weintouristen kennen keine Grenzen. Die bestehen doch nur in unseren Köpfen."

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